X-Mass 2002 - München

29.01.2003 | 12:25

18.12.2002, Babylon

Ist schon drollig mit dem Kunstpark Ost: auf dessen Homepage war der Einlaß mit 19 Uhr und der Beginn mit 20 Uhr angegeben, tatsächlich aber startete die Chause bereits um kurz nach 18 Uhr, was bei diversen Besuchern verständlicherweise gewisse Unmutsäusserungen hervor rief. Haargenau dasselbe Spielchen wie im Vorjahr also, dafür erheben wir den Schimpfefinger in Richtung Kunstpark.
Allerdings, es gab auch Positives über die Veranstalter zu melden, denn im Gegensatz zur letztjährigen Auflage fand das X-Mass 2002 in der großen Halle des Babylon statt, so daß man trotz der mit ca. 800 Nasen respektablen Zuschauerzahl seine Intimsphäre wahren konnte.

Warum allerdings trotz der fetten Disco-PA des Schuppens ein Großteil der Bands mit einem hundsmiserablen Sound vergewaltigt wurde, bleibt das Betriebsgeheimnis der Herren am Mischpult. Besonders unter diesem Akustik-Matsch hatte naturgemäß der Opener zu leiden und so lässt sich zu RAGNARÖK nur sagen: der Frontmann geiferte energisch -wirkte dabei allerdings so satanisch wie eine Stange Weißbrot- und der Schlagwerker agierte für BM-Verhältnisse ziemlich lässig und auch recht unkonventionell. Mehr allerdings als die Vocals und das an Oskar Mazeraths Blechtrommel erinnernde Geschepper der Snare war aus dem Soundbrei nicht herauszuhören.

Besser wurde dies bei MACABRE, die dank Trio-Besetzung und intensivem Feintuning keinerlei Soundprobleme hatten und sich ganz nebenbei bemerkt von ihrer absoluten Schokoladenseite präsentierten: Kracher wie "Dog Guts", "Vampire Of Düsseldorf", "Hitchhiker" u.v.a.m. knallten -nicht zuletzt auch dank des famosen Drummings von Schießbudenwart Dennis und des virtuosen Gitarrenspiels von Corporate Death- vom Feinsten, dazu gab es noch einen neuen Song zu hören, der sich inhaltlich mit Deutschlands Serienmörder-Aushängeschild Fritz Haarmann beschäftigte und musikalisch im positiven Sinne an den Charme alter D.A.REITER-Kracher erinnerte, wozu auch der kultige "Warte noch ein Weilchen"-Refrain beitrug.
Nichtsdestotrotz war meine Wenigkeit nicht unglücklich darüber, daß der Auftritt der Herren aus Chicago nach einer halben Stunde sein Ende fand, denn bei längerer Spielzeit wären mir der Stilmischmasch und vor allem der sehr anstrengende Gesang dann doch zunehmend auf die Nerven gegangen. Für diese Show aber galt: very well done indeed!

Und wieder der Sound: IMMOLATION, bisher irgendwie immer an mir vorbei gegangen, produzierten feinsten Ami-Death in der offenen Frickelklasse. Man merkte den Herren an, daß sie nicht erst gestern vom Baum gefallen sind, denn mit Ausnahme des arg treumetallisch anmutenden Posings vor allem des glatzköpfigen Gitarristen boten die New Yorker 30 Minuten heftiges Todesblei at its best. Wäre also so richtig klasse gewesen, hätte der schlechte (und hundsgemein laute) Sound nicht wieder seine Gichtgriffel im Spiel gehabt. Dennoch kann man der Band -wie auch den später am Abend aktiven HATE ETERNAL- guten Gewissens attestieren, daß sie die lange Zeit unangefochtenen Könige des technischen US-DM, MORBID ANGEL, mittlerweile ziemlich versägt haben.

Ach ja, IMPALED NAZARENE: der Rezensent verehrt die Truppe seit langer Zeit, hat es aber noch nicht auf die Reihe bekommen, sie sich mal live anzuschauen. Umso größer natürlich die Vorfreude, so daß -man sehe mir das nach- sich die Objektivität meinerseits arg in Grenzen hielt.
Ergo wollen wir uns nicht lange mit dem einmal mehr, Entschuldigung, beschissenen Sound aufhalten oder die Tatsache bemängeln, daß das Geschepper der Finnen stellenweise arg schräg daher kam. Bei einer hauptsächlich auf Material der aktuellen "Absence Of War Does Not Mean Peace"-Scheibe und des "Soumi Finland Perkele"-Kultklassikers aufgebauten Setlist und mit einem hysterisch kreischenden und mächtig charismatischen Frontspinner wie Sir Luttinen kann man nix verkehrt machen, basta.
Halbe Stunde heftig blatzendes Gerödel, verzückter Berichterstatter, Feierabend.
Bleibt die Frage, ob derdiedas anonyme Subjekt, das Herrn Luttinen mit einem Bierbecher beworfen hatte, dessen mit allem Nachdruck geäusserten Vorschlag aufgegriffen hat, sich 5 Minuten nach der Show zwecks Klärung etwaiger Animositäten am Merchandise-Stand zu treffen...

Konnte es in Sachen Spieltechnik, Gegurgel und Härtegrad noch dicker kommen als bei IMMOLATION? Jep. HATE ETERNAL, weit mehr als "nur" ein Projekt des (mittlerweile Ex-)MORBID ANGEL-Klampfers Eric Rutan, boten die absolute Vollbedienung: verzwickte Songs, vorgetragen in einem Tempo jenseits der Schallgeschwindigkeit -vor allem die Double Bass drang in KRISIUN-Bereiche vor- und garniert mit gewaltigem Gegrunze und brillanten melodiösen Gitarrenleads, welche Meister Rutan auf eine Stufe mit den großen Melodiezauberern der deathmetallischen Griffbrettakrobatik wie Chuck Schuldiner (RIP) oder James Murphy stellen.
Phänomenale Darbietung einer der derzeit heissesten Todesbleigruppen, die allerdings -der Leser ahnt es- trotz der Trio-Besetzung unter einem sehr mässigen Sound litt. Dennoch: grandios!

Und wo wir schon bei den DM-Truppen der Stunde sind, eine solche stellen auch KATAKLYSM dar. Die Kanadier haben sich mit 3 innerhalb kurzer Zeit veröffentlichten erstklassigen Scheiben sowie starken Live-Gigs mittlerweile einen beachtlichen Status erarbeiten können, was auch ihre Position als drittletzte Band dieses starken Billings belegt.
Und fassen wir uns kurz: Jean-Francois Degenais & Co kamen, knüppelten und siegten. Das Quartett griff vor allem auf Material seiner exzellenten aktuellen Scheibe "Shadows & Dust" wie z.B. den Titelsong oder "Illuminati" zurück und würzte dies mit einigen unumgänglichen Standards wie dem brachial-genialen Rausschmeißer "Manipulator Of Souls". Frontaso Maurizio grölkreischte machtvoll und gab sich zudem angenehm publikumsnah, seine Mitstreiter frästen ihre Parts souverän und sehr kompakt in die Menge und sogar der Soundmann meinte es gut mit den Crazy Canucks. Konnte da noch was schiefgehen? Natürlich nicht und so erreichte die Stimmung einen ersten Höhepunkt, die Stagediver flogen stellenweise wie die Hagelkörner von der Bühne und sogar der ganz und gar unmetallische Barmann wippte bei den tödlichen Grooves der Ahorn-Schlitzer mit. G:R:E:A:T!

Ach ja, MARDUK, man kann sie einfach nicht oft genug sehen. Sweden´s Finest in Sachen BM demonstrierten einmal mehr, wo der Bartl den Most holt und legten eine gewohnt souveräne Performance hin. Spielerisch dank Neuschlagzeuger Emil -dessen leicht todesbleiern geprägtes Nähmaschinengeklopfe der Band gut zu Gesicht steht- und der konstanten Weiterentwicklung von Bandleader und Gitarrist Morgan stärker denn je, vom inbrünstig wie üblich röchelnden und mit unnachahmlichem Charisma die Massen dirigierenden Frontexzentriker Legion geführt und mit einer wie auf jeder Tour völlig umgekrempelten Setlist, da konnte wahrlich nichts anbrennen.
Sah auch das Publikum so und ließ sich von den bösen Buben endgültig aus seiner über weite Strecken des Abends augenfälligen Lethargie erwecken, was sich in den üblichen "Marduk, Marduk"-Sprechchören zwischen den Songs niederschlug. Sehr zur Freude der Herren Musikanten, versteht sich, deren stets aufs Neue enorme Spielfreude Songs wie "Nightwing" und "Jesus Christ... Sodomized", "Slay The Nazarene" und "Funeral Bitch" auch live on stage im dunkelsten Lichte erstrahlen ließ. Zwar waren die Herren Hakansson & Co. so frei, vermeintlich unverzichtbare Tracks wie "Panzerdivision Marduk" oder "Baptism By Fire" nicht zu berücksichtigen, allerdings liessen sich die 55 Minuten Spielzeit auch mit Granaten wie den oben angeführten bestens ausfüllen.
Zum guten Schluß hüpfte Onkel Legion, der einmal mehr mit diversen launigen Ansagen sowie mit sich überschlagender Stimme vorgetragenen Lobeshymnen an das Publikum glänzte, wie üblich noch mit Schmackes in die Menge und der Verfasser addierte im Geiste zu einer langen Reihe erstklassiger Marduk-Auftritte einen weiteren hinzu.

Die Position des Headliners ist bei einem quantitativ (und qualitativ sowieso) so üppig bestückten Konzert erfahrungsgemäß nicht die allergünstigste, das bekamen auch SIX FEET UNDER zu spüren. Zum Einen, weil der Eine oder Andere zu vorgerückter Stunde den Heimweg antritt, zum Anderen, weil der Rest des Publikums doch gewisse Ermüdungserscheinungen zeigt. Merkwürdigerweise sorgten SFU auch noch mit einer übertrieben langen "Umbaupause" von gut 35 Minuten -wovon allerdings nicht mehr als eine Viertelstunde wirklich für Arbeiten auf der Bühne genutzt wurden- für zusätzliche Fluktuation.
Sei´s drum, die Party Posse des Todesbleigewerbes legte mit den beiden "Warpath"-Krachern "War Is Coming" und "Death And Glory" mächtig los und sorgte damit auch sofort für gute Stimmung unter denjenigen Besuchern, die noch freihändig stehen konnten. Begünstigt durch einen urplötzlich doch noch sehr ordentlichen Sound und unterstützt von einer ansehnlichen Lightshow wuchtete die Kapelle ihr heftig groovendes Material gewohnt professionell ins Auditorium und stieg damit amtlich in ihren Set ein. Doch damit nicht genug, die Floridianer, Floridanesen oder wie auch immer schoben mit den "Maximum Violence"-Überhämmern "No Warning Shot" und "Victim Of The Paranoid" sofort ihre meiner unmaßgeblichen Meinung nach besten Songs nach, wobei die rüden Gesänge von Chris Barnes vermutlich die Milchprodukte in den Kühlschränken der Umgebung verderben liessen. Gut gegrunzt & geröchelt, Meister!
Und weil man erstens aufhören soll, wenn es am Schönsten ist -sprich, bevor das Quartett irgendwelche Langweiler-Nummern vom enttäuschenden "True Carnage"-Album intonieren konnte- und zweitens der folgende Arbeitstag schon seine Schatten vorauswarf, trat der Rezensent an dieser Stelle in der Gewißheit den Rückzug an, einen rundum gelungenen und vor allem stilistischen abwechslungsreichen Konzertabend erlebt zu haben.

Bleibt festzustellen, daß das X-Mass 2002 ein nicht minder unterhaltsamer Abend wie die vorangegangenen Auflagen der Veranstaltung war und daß Quantität und vor allem Qualität der beteiligten Truppen auch den gesalzenen Eintrittspreis rechtfertigten. Und da sich die No Mercy Festivals des Jahres 2003 von der reinen DM- und BM-Lehre abwenden -s. Billing- sind die X-Mass-Festivals wichtiger denn je. Amen.

Redakteur:
Rainer Raithel

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