student!-Rock-Metal-Geburtstagsfeier - Leipzig

23.01.2007 | 08:14

16.01.2007, Moritzbastei

Ehrenamt macht Spaß. Unter diesem Motto könnte der Abend stehen, der an diesem Dienstag mitten in der Woche in der Leipziger Moritzbastei zelebriert wird. Anlass ist der sechste Geburtstag von student!, der einzigen Leipziger Universitäts- und Hochschulzeitung. Diese erscheint während der Vorlesungszeit monatlich in einer Auflage von 10.000 Exmplaren. Kostenlos und angefüllt mit 16 bis 20 Seiten Information für die mehreren zehntausend Studenten in der Stadt. Produziert wird das Blatt ebenfalls von Studenten, die Monat für Monat gleichzeitig Texte schreiben, das Layout erstellen - und versuchen, Werbeanzeigen für die Zeitung an Land zu ziehen, damit student! auch weiter erscheinen kann. Von der Universität oder studentischen Gremien wie dem Studentenrat (StuRa) ist man dabei finanziell unabhängig: Denn wie sollen (Jung-)Journalisten über etwas kritisch berichten, an dessen Tropf sie hängen? Und ein- bis zweimal im Jahr feiert die student!-Belegschaft mit einem Konzert in der Moritzbastei. Auch hier gilt das Prinzip Ehrenamt: Die Bands - ebenfalls größtenteils mit studentischen Musikern besetzt - wurden vorher in der Zeitung vorgestellt, dürfen darin Werbung drucken und können live spielen. Dafür verzichten sie zugunsten von student! und dessen Existenz auf Gage.

An diesem Abend liegt der Fokus klar auf Rock- und Metal-Klängen. Knapp 200 Zuschauer sind es, die diesem Konzept folgen, der Konzertsaal der Moritbastei ist gut gefüllt. Allerdings noch nicht ganz bei DIE OPTRIEN, die den Abend gegen 20.30 Uhr beginnen. Stimmung können sie trotzdem machen: Die Band spielt grundsoliden Punkrock, der eine gewisse Affinität zu Bands wie den RAMONES und zur aktuellen Deutsch-Punk-Szene erkennen lässt. Erst einmal bedanken sie sich: Es ist ihr erster Gig in der Moritzbastei, dem wohl wichtigsten Club für kleinere Bands in Leipzig. Ihre Musik lässt sich schnell zusammenfassen: Drei Akkorde in Variationen, die recht abwechslungsreich aneinandergereiht werden. Und Coverversionen: Die RAMONES werden mit 'Beat On The Brat' cool verwurstet, später kommt noch der DRITTE WAHL-Klassiker 'Greif ein' - samt einem obligatorischen Anti-Nazi-Statement. Wohl fühlen sich DIE OPTRIEN aber auch bei etwas langsameren Stücken, doch liegen ihre Stärken trotzdem mehr bei Rotzkloppern der Marke 'Brainwash'. Dass die Band neu im Geschäft ist, lässt ihr Sänger durchblicken: Er will sagen, dass ihr nächster Song prädestiniert zum Schwingen des Tanzbeins sei (sic!). Original klingt dies so: "Das nächste Stück ist pränestiert zum Tanzbeinschwingen ..." Allerdings korrigiert er den Verhaspler sogleich. Und liefert so mit seiner Band einen richtig guten Auftritt, der mit viel Jubel im stetig wachsenden Publikum bedacht wird.

TAARNET polarisieren stärker. Dies dürfte wohl am Härtegrad der gebotenen Musik liegen, denn melodischer Death Metal ist wohl nicht die Sache jedes Gastes des Abends. So lichtet sich der Saal in den hinteren Reihen recht schnell, während TAARNET vorne eine durchaus fette Show bieten. Ihr Melo-Death wird mit einem Keyboard verfeinert und geht in seinen schnellen Passagen sogar fast in Black-Metal-Raserei über. Dazu sind Einflüsse aus den schwedischen Extrem-Metal-Regionen durchaus vorhanden, genau wie Sänger Jörgs Stimme eine gewisse Ähnlichkeit zu IMMORTAL-Gekrächze aufweist. In der Erinnerung vor allem bleibt denn auch die oftmals recht geschickte Vermenung von Blast-Parts und Melodien. Damit sind TAARNET mit Sicherheit keine originelle Band, doch durchaus in der Lage, druckvoll einen Saal wie in der Moritzbastei zu beschallen. Dies scheint vor allem am Drummer der Band zu liegen, der sich Erebor nennt und sonst bei - Überraschung! - NARGAROTH zockt. Ein Drumsolo von ihm beweist fast gegen Schluss seine Qualitäten: Sauber krachen die Blast-Parts während des trommelnden Alleingangs in die vordere Gesichtspartie!

Deutlich mehr Zustimmung beim Publikum erfahren allerdings NITROLYT. Die Leipziger treffen mit ihrem modernen Metal-Sound offenbar den Nerv der Gäste. Den Fokus ihrer Show legen sie auf ihre jüngst erschienenes "Hollywood Death Scene"-Album: Stücke wie der Titelsong sind aber auch so strukturiert, dass ihre Dynamik und ihr Abwechslungsreichtum live noch intensiver wirkt. Ein Hingucker ist sicherlich ihr Gitarrist Sebastian, der mit seinem Haar-"Dutt" am Hinterkopf nicht nur witzig aussieht, sondern dazu noch während des Konzerts viele Grimassen schneidet, was seine Spielfreude weiter unterstreicht. Sänger Stephen ist eine andere Kategorie. Den Fans stellt er sich als richtigerweise als Amerikaner vor, der Deutsch mit leichtem Akzent spricht. Außerdem erfahren die Zuschauer, dass er noch Single ist ... die Selbstfeststellung nach der Anspielung auf ein mögliches Groupie nach der Show leistet Stephen folgerichtig: "Das ist jetzt peinlich." Die Musik ist dafür 40 Minuten lang erstklassig. Bei 'The Suffering' vom neuen Album kommt sogar noch eine Sängerin mit auf die Bühne. Und 'J.A.S.S. (Just Another Angry Song)' ist am Ende ein brachialer Rausschmeißer - und erzeugt automatisch Zugabenrufe. Es folgt der wohl coolste Teil des Abends: NITROLYT erinnern sich an ihre Wurzeln als Cover-Band und spielen METALLICAs 'For Whom The Bells Tolls': Allerdings hat das Lied nur noch die Riffs des Originals und wird mit elektronischen Beats und krassen Soundeffekten komplett neu und erfrischend interpretiert. Die Band verlässt danach lächelnd und unter Jubel die Bühne. Doch dürften die Musiker dennoch nicht ganz glücklich nach dem Abend sein, da es als das letzte Konzert ihres altgedienten Bassisten Peter wird. Allerdings ist wohl schon Ersatz gefunden. Einfach zu verkraften ist so ein Verlust dennoch nicht, auch wenn die Trennung wohl recht friedlich gewesen scheint, wie der Abend in der Moritzbastei zeigt.

Nach kurzer Verlosungspause schicken sich schließlich UNLOVED an, den Abend würdig zu beenden. Dieses gelingt ihnen spielend, obwohl sich inzwischen die Reihen im Publikum merklich lichten. Der Dienstag ist wohl schuld, am nächsten Tag müssen viele scheinbar wieder viel zu früh aus dem Bett. Die in der Moritzbastei Verbliebenen denken jedoch nicht an solche profan horizontalen Lebenslagen und lassen sich von UNLOVED verzaubern. Die Magie der Band zentriert sich in der Erscheinung von Sängerin Shya, die einerseits mit ihrem leicht indisch wirkendem Äußeren die Blicke vor allem der männlichen Zuschauerschar auf sich zieht, andererseits trotz ihrer zierlichen Statur eine unglaublich kräftige und starke Stimme besitzt. Selbst wenn sie richtig laut singt, ja fast schon ins Mikro schreit, klingen die Töne durchweg sauber, die Stimmbänder rutschen nicht weg. Ebenfalls nur gut tut der Band, dass sie sich live mit einer Trommlerin mit Extra-Percussions auftreten und dadurch der sowieso schon sehr smoothen Musik eine gehörtige Portion Tribal-Dynamik zusetzen. Schick. Auch die restlichen Musiker geben sich allesamt äußerst locker und selbstbewusst. scheinen mit sich und ihrem Sound verwachsen und zufrieden mit der Welt. Und so klingen Songs wie 'Drifting Away' einfach schön und rockig in ihrer Machart, der perfekte Ausklang also für einen äußerst gelungenen Abend, den UNLOVED perfekt beschließen können. Schlicht und einfach wundervoll. Eine Frage stellt sich deshalb schon jetzt: Wachsen in Leipzig die neuen deutschen THE GATHERING heran?

Redakteur:
Henri Kramer

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