AS I LAY DYING - Awakened
Mehr über As I Lay Dying
- Genre:
- Metalcore
- ∅-Note:
- 8.25
- Label:
- MetalBlade (Sony)
- Release:
- 21.09.2012
- Cauterize
- A Greater Foundation
- Resilience
- Wasted Words
- Whispering Silence
- Overcome
- No Lungs To Breathe
- Defender
- Washed Away
- My Only Home
- Tear Our My Eyes
Urgewaltig am Abgrund der Eintönigkeit vorbeigedonnert
Als AS I LAY DYING 2007 mit "An Ocean Between Us" den ausgetrampelten Pfaden der Melodic-Death-Schiene radikal den Rücken kehrten und ihr bis dato bereits recht erfolgreiches Schaffen auf ein viel schwermetallischeres Fundament stellten, gewannen sie nicht nur die Fachwelt, sondern auch eine große, zuvor unerreichbare neue Fanbasis für sich. Mit einem Mal stieß man vor in die erste Liga der NWOAHM und erspielte sich einen Bekanntheitsgrad, der Platzierungen unter den Top 30 der weltweit wichtigsten Albumcharts ermöglichte. Drei Jahre später folgte "The Powerless Rise", die konsequente Fortsetzung dieser erfolgreichen Neuorientierung, der aber – logischerweise - das Überraschungsmoment des Vorgängers fehlte. Kaum zwei Jahre später standen die Kalifornier also im Grunde schon wieder am Scheideweg, denn ihre nun mehr sehr konventionellen Songstrukturen schienen wenig Raum für weitere spannende Entwicklungen zu lassen. Verließe man sich auf Bewährtes, drohte erneut die Gefahr der musikalischen Sackgasse – aber wie würde die Alternative, der abermalige Aufbruch in neue Gefilde aussehen?
Diese Frage erübrigt sich – denn eine Neuorientierung findet nicht statt. AS I LAY DYING bleiben mit "Awakened", ihrem nun mehr fünften Longplayer, der 2007 eingeschlagenen musikalischen Richtung treu und verzichten fast vollständig auf Experimente. Vielmehr wird die Marschrichtung mit geradezu erstaunlicher Konsequenz beibehalten: Es wird technisch anspruchsvoll gethrasht, die (nach den endlosen Besetzungswechseln der Anfangsjahre) mittlerweile bestens aufeinander abgestimmten Instrumentalisten geben sich gegenseitig die volle Breitseite an fetten Riffs, brachial bolzendem Schlagwerk und klassischen, anspruchsvollen Gitarrensoli. Doch vor allem: Die Verse gebrüllt, die Refrains gesungen, und zwar mittlerweile durchgängig, auf jedem einzelnen Song der neuen Platte. Ja, gut – war's das also, hat diese sympathische, spielfreudige Truppe den Zenit ihres musikalischen Schaffens bereits überschritten? Wo sind die fiesen Death-Keulen der früheren Tage, wo die brutale, jeder Eingängigkeit bare Auf-die-Fresse-Attitüde? Diese Standard-Rezeptur ist doch mittlerweile dermaßen abgedroschen, dass auch AS I LAY DYING damit Gefahr laufen, eintönig und austauschbar zu klingen. Oder?
Nun – mitnichten. Denn so seltsam es auch klingen mag: Die Modern-Metal-Pioniere schaffen es, ihrem an sich ausgereizten Sound abermals neue Facetten zu verleihen, ihn in Nuancen noch weiter zu verfeinern, und damit ihrem Anspruch auf den Spitzenplatz der NWOAHM-Gilde weiterhin gerecht zu werden. Es ist diese unbändige Entschlossenheit, dieses knallhart auf den Punkt gebrachte Songwriting, das "Awakened" nicht zu einem Meilenstein, aber doch zum aktualisierten Maßstab des Genres werden lässt. Bereits der brachiale Opener 'Cauterize', diese Klang gewordene Abrissbirne, donnert wie ein Güterzug durch die eigenen vier Wände, und gibt den Takt für die gesamte Platte vor: Knallhart, mosh- und headbangtauglich wie es besser nicht geht, und verteufelt eingängig. Das Songwriting ist ausgefeilt bis ins letzte Detail, jedes Fill, jeder Break, jeder Schlag sitzt haargenau, sodass sich nach vermehrtem Durchhören zufriedene Anerkennung breit macht: Diskussion überflüssig, die Jungs haben’s einfach drauf, und sie suchen heute, zehn Jahre nach ihrer Gründung, weltweit ihresgleichen. 'A Greater Foundation' ist sogar noch thrashiger, nimmt sich im Refrain jedoch entscheidend zurück - auch hier stimmt die Balance. Und obwohl die Grundrezeptur nun durchweg beibehalten wird, macht jeder einzelne Song tierisch Laune. Ja, das Gesamtpaket ist sogar so stark, dass zwei, drei eher uninspirierte Refrains und die unsäglichen, momentan so angesagten Gangvocals bei 'Tear Out My Eyes' locker verkraftet werden können. Hier und da horcht man allerdings doch überrascht auf: Das punkige 'Whispering Silence', bei dem Josh Gilberts Klargesang gar ein wenig an LINKIN PARKs Chester Bennington erinnert, sorgt eben doch für willkommene Abwechslung, so wie auch das akustische Intro von 'Overcome', ohne dass die metallischen Pfade auch nur einmal verlassen werden. Bandleader Tim Lambesis liefert überdies seine bis dato beste Performance als schreiender Bühnen-Berserker ab: Der in den letzten Jahren auch körperlich zur sprichwörtlichen AUSTRIAN DEATH MACHINE mutierte Fronter, der sich im Privatleben so einfühlsam und sozialkritisch gibt, scheint seine physische Präsenz 1:1 musikalisch umzusetzen: Seine Shouts sind dermaßen kraftstrotzend, dass man es fast mit der Angst zu tun kriegt – ein neuer Samson des Metal, dessen enorme Präsenz auch seine Mitstreiter mitzureißen scheint. Also: Knackiges, zweckdienliches Songwriting, mächtiges Riffing, eingängige Melodien, geballte Energie und Entschlossenheit – was will man mehr?
So wird auch "Awakened" zu einer Standortbestimmung in Sachen Modern Metal – keine Revolution, aber ein bockstarkes, gewaltiges, kurzweiliges Stück metallischer Musik, welches auch den unmittelbaren Vorgänger locker in die Tasche steckt. AS I LAY DYING sind weiterhin Herr im Ring. Die Frage, wie die Band der drohenden Eintönigkeit entgehen will, wird sich in absehbarer Zeit allerdings erneut stellen, wenn dereinst das sechste Studioalbum in die Startlöcher geht.
Anspieltipps: Cauterize, A Greater Foundation, My Only Home, Wasted Words
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timon Krause