AYREON - Into The Electric Castle
Mehr über Ayreon
- Genre:
- Progressive Rock
- Label:
- TRansmission Records
- Release:
- 09.09.1998
- Welcome To The New Dimension
- Isis And Osiris
- Amazing Flight
- Time Beyond Time
- The Decision Tree(We're Alive)
- Tunnel Of Light
- Across The Rainbow Bridge
- The Garden Of Emotions
- Valley Of The Queens
- The Castle Hall
- Tower Of Hope
- Cosmic Fusion
- The Mirror Maze
- Evil Devolution
- The Two Gates
- Forever Of The Stars
- Another Time, Another Space
AYREON muss man nicht mehr vorstellen. Jedem, der den symphatischen Holländer Arjen A. Lucassen samt seiner multimusikalischen Ergüsse nicht kennt, wünsche ich mit sofortiger Wirkung die Pest an den Hals. Er ist einer der talentiertesten Musikschaffenden dieses Planeten, der alles Angepackte in Gold verwandelt. Einer, der Artrock mit Metal verbinden kann wie kein Zweiter und der mit jedem neuen Output massenhaft Superstars vereint, um sie zu Meisterleistungen anzuspornen.
1998 war das Jahr, das AYREON für alle Zeit in den Annalen der Zeitgeschichte manifestiert. Die progressive Artrockoper "Into The Electric Castle" setzte in Sachen Vielfalt, Abwechslung, Progressivität und Songwriting neue Maßstäbe und verwies sämtliche ähnlich gelagerte Projekte spielend auf die hinteren Plätze. Auf der Scheibe tummeln sich Künstlernamen wie Fish, Sharon Den Adel, Anneke Van Giersbergen oder Damian Wilson, um nur einige zu nennen. Jeder für sich interpretiert einen Charakter in einer Spaceoper, die bis heute auch von Lucassen selbst unerreicht bleibt.
Das Artwork ist allererste Sahne und das Soundgerüst knallt, knackt und ballert brillant an allen Ecken und Enden. Somit sind auch die Rahmenmerkmale Weltklasse und heben "Into The Electric Castle" endgültig auf die Headlinerposition im progressiven Rockbereich.
Das düstere Intro 'Welcome To The New Dimension' weist uns bedrohlich den Weg in das elektrische Schloss, das mit fettesten Analogsynthies intoniert wird. 'Isis And Osiris' dürfte der breiten Progmasse ein Begriff sein, wird es doch regelmäßig live dargeboten. Die spacigen Sounds, die detailverliebte Instrumentierung, die zuckersüßen femalen vocals, die unendlich hakende melody line und die heftig groovende Rhythmik machen aus dem Track einen first class Artrocker, der mit zahlreichen Stimmen und orientalischen Einflüssen gekrönt wird. Ich habe selten solch einerseits fröhliche, anderseits düster bedrohliche Musik gehört, die in dieser Hinsicht uralten MARILLION nicht unähnlich ist. Kein Wunder, dass deren Ur-Sänger Fish mit von der Partie ist.
Der Bluesgroover 'Amazing Flight' verdient ebenfalls einen Platz in der hall of fame des Rocks. Cool wie Eis und tight wie Arsch, treibt Arjen sein Allstarprojekt durch ein elfminütiges Kleinod der Lockerheit. Die Soli sind nicht mehr von dieser Welt und katapultieren den Song in DEEP PURPLE-Sphären, in denen sich normalerweise nur Blackmore und Lord austoben dürfen. Das Arrangement, die melody und vocal lines, die mächtigen Synthiewände, alles stimmt bis ins kleinste Detail.
Das folgende, extrem ruhig melancholische und mächtig dynamische 'Time Beyond Time', berührt mit leidenschaftlichem gesanglichem Gefühl direkt die Seele. Egal wer gerade trällert, alle Sänger erreichen dieses Ziel spielend. Faszinierend, wie homogen Arjen seine Mannschaft inszeniert. Es fließt dauerhaft ein intensiver Strom künstlerischen Anspruchs, der auch dauerhafte Wertschätzung verdient. Weltklasse !!!
Das anschließende 'The Decision Tree (We're Alive)' ist in leicht spacigen Songstrukturen gehalten, für die einmal MARILLION berühmt waren, bevor sie der kommerzielle Zahn der Zeit annagte. Straighter Gitarrenrock mit herzlich-fröhlicher Melodieführung, die einem auf der Stelle schweinegeile Laune injiziert.
Das mit vier Minuten relativ kurze 'Tunnel Of Light' behält diese Richtung bei und schmeichelt balladesk dem Gehör. Die weiblichen Gesangsstimmen sind einfach der Hammer und lassen die Gänsehaut bis zum Mond schwellen.
'Across The Rainbow Bridge' ist ein düsterer Rocker, der mit breiten und ungewöhnlichen Synthies auf das Gemüt drückt. Der Refrain wiederum ist sogar arenatauglich, wird aber ständig von der finsteren Grundstimmung überschattet. Wahnsinn!
Der zehnminütige Rockmoloch 'The Garden Of Emotions' ist mein Liebling auf diesem Album und im progressiven Reich überhaupt. Besser und intensiver kann man nicht rocken. Alle existierenden musikalischen Gefühlsebenen sind abgedeckt und werden bis ins Letzte ausgelotet. Mehr kann man nicht sagen. Ich bin sprachlos!
Die kryptische Ballade 'Valley Of The Queens' führt dieses Meisterwerk musikalischer Kunst noch zwei Minuten lang in eindringlich ruhig Klängen fort, bevor mit 'The Castle Hall' wieder die Kuh fliegt. Die Hammond kreist wie ein ausgehungerter Aasgeier am grauen Firmament, während die Klampfen ein tonnenschweres Gewitter entfachen, das von groovig fundamentalen Beats in die richtigen Bahnen gelenkt wird. Rock at its best!
Atemlos geht die Reise mit 'Tower Of Hope' weiter, das cool durch Flora und Fauna rockt und dabei die Tanzbeine der Welt mit seiner lebensfrohen Rhythmik animiert.
Das dunkle 'Cosmic Fusion' geht stampfend und zielstrebig unter die Haut und wuchert mit fetten weiblichen Gesangsbreitwänden und schwer riffenden Äxten. 'The Mirror Maze' hätten auch PINK FLOYD zu keiner Zeit ihrer Karriere besser hinbekommen. Als ALICE COOPER in den Siebzigern seine Rockopern mit kompletten Orchestrierungen aufzog, hat er ähnlich geklungen. Aber nicht annähernd so intensiv und unterschwellig bedrohlich.
'Evil Devolution' zieht die Spannungsschraube gen Finale hin noch mal gewaltig an und lässt den Musikern Raum, sich bis zum Anschlag zu entfalten. Heraus kommt ein hoch anspruchsvoller, aber zu keiner Zeit überfrachteter Rocker, der es in sich hat.
'The Two Gates' ist ultrastraighter Heavy Rock, der präzise die Nervenbahnen stimuliert. Cooles Riffing und punktgenaue Rhythmik stampfen mal düster, mal fröhlich melodiös schwer auf die Peripherie. Das mit elektronischen Spielereien verzierte Zwischenspiel 'Forever Of The Stars' leitet das finale 'Another Time, Another Space' ein, das manchmal leicht verschroben daher kommt. Unterm Strich schließt die Scheibe mit einem hymnischen Rocker, der noch einmal die kompletten Stärken der damaligen Besetzung komprimiert aufzeigt.
Dieses Konzeptalbum ist meiner Meinung nach die Sperrspitze progressiven Schaffens im Rockbereich. Wohlgemerkt Rock! Von den metallischen Ergüssen Arjens, wie sein Projekt STAR ONE, ist "Into The Electric Castle" weit entfernt. Vielmehr kann man Parallelen zu PINK FLOYDs "The Wall" ziehen, wobei mir persönlich Lucassens Solo-Zweitwerk besser gefällt.
Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden. Ich jedenfalls danke dem Herrgott, dass es den Menschen Arjen Anthony Lucassen gibt und dass er genug Geld hat, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Damit er diese Kohle auch in Zukunft aufbringen kann, befehle ich somit, die Scheibe zu kaufen.
Anspieltipps: Eine Rockoper wird von Anfang bis Ende durchgehört!
- Redakteur:
- Alex Straka