BILLY BOY IN POISON - Watchers
Mehr über Billy Boy In Poison
- Genre:
- Death Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Target Group / Mighty Music
- Release:
- 09.12.2013
- Through The Haze
- Decadent God
- A Shadow Of My Past
- The Last Shreds Of Humanity
- Masks Of Insecurity
- A Scent Of Blood
- Capture It All
- Corrupted Into Slaves
- Hibernation
Der neue Vorreiter in Sachen zeitgemäßem Death Metal
Da ist das Ding! Das Warten hat ein Ende, meine Damen und Herren! Seit Jahresbeginn trudelten zahllose musikalische Beiträge in der Redaktion ein, die sich vergeblich darum bemühten, der Hörer- und Leserschaft das perfekte moderne Death-Metal-Album zu präsentieren. Viele halbherzige Anläufe waren darunter, einige vielversprechende, doch nie vollständig ausgereifte Versuche – und nun landet eine dänische Underground-Band den Volltreffer, die auf den selten dämlichen Namen BILLY BOY IN POISON hört. Was auch immer die fünf Wüstlinge dem Teufel angetan haben, um mit einem dermaßen bescheuerten Namen bestraft zu werden, oder ob’s doch nur eine verlorene Wette mit lebenslangem Bußeinsatz war, wollen wir hier gar nicht ergründen – Fakt ist, dass ihr 2013er Debütalbum "Watchers" eine überragende Symbiose zwischen morbidem Old School Death und modernen Todesstahl-Einflüssen darstellt und damit aus dem Stand weg den Genrethron erklimmt.
Ärgerlich, dass diverse Medien den ambitionierten Skandinaviern bereits das Etikett "Metalcore" angeheftet haben, denn trotz des zeitgemäßen Soundgewandes und diversen modernen Rhythmusvariationen (ich spreche hier bewusst nicht von "Breakdowns") ist BILLY BOY IN POISON doch durchweg verwurzelt im klassischen Death Metal, was der ultrabrutale Opener 'Through The Haze' eindrucksvoll unterstreicht: Blast Beats, fettes, disharmonisches Riffing und abgrundtief bösartige Growls treffen auf rollende Doublebass-Attacken und bestialisches Geschrei. Das von Jacob Hansen produzierte Klanggewand ist über jeden Zweifel erhaben, ja geradezu perfekt, und folglich das erste wichtige Merkmal, mit dem man sich von zahlreichen Konkurrenten abhebt: Ebenso fett wie schneidig, ebenso klar wie druckvoll. Allererste Sahne! Unbedingt erwähnt werden muss auch der Gesang, respektive das Geschrei von Front-Metzler Steven Borgwardt: Kaum ein anderer Death-Metal-Vokalist ist nämlich in der Lage, beide Hauptarten von todesmetallischen Stimmlauten gleichermaßen perfekt feilzubieten, nämlich tiefe, erdige Growls einerseits, und wüste Schreie aus vollem Halse andererseits. Dass die Instrumentalisten ihre Geräte allesamt perfekt beherrschen und folglich einen angemessen vernichtenden musikalischen Rahmen abliefern, sei ebenfalls erwähnt. Vor allem aber hebt sich BILLY BOY IN POISON mit ausgezeichnetem, einleuchtendem Songwriting von der Konkurrenz ab: Man agiert im weitesten Sinne progressiv, liefert im Genrevergleich geradezu ungewöhnlich intelligent strukturierte Kompositionen ab, die jedoch stets im kompakten Rahmen stattfinden und nie Gefahr laufen, als überzogen knifflige Kopfgeburten zu enden. In ausreichendem Maße streut die Band zudem immer wieder klar erkennbare, einmalig-ungewöhnliche musikalische Appetitanreger unter ihre düsteren Kompositionen.
Zwei, drei Nummern will ich diesbezüglich hervorheben: 'A Shadow Of My Past' beispielsweise beginnt zunächst als barbarisch hackendes Todesblei-Gemetzel, geht gepflegt die Keule schwingend in einen mörderischen Deathcore-Refrain über, lässt die Hörerschaft in einem Midtempo-Interlude kurz Luft holen, steigert die aggressive Intensität erneut bis hin zum Siedepunkt der ersten Takte, um am Ende den Refrain kongenial in einen stampfenden, doom-beschwerten Oldschool-Death-Outro verklingen zu lassen. Ganz, ganz großes Kino! Im Kontrast dazu beginnt das folgende 'The Last Shreds Of Humanity' mit schmachtenden Geigen, zu denen sich eine akustische Gitarre gesellt, wunderschön, gediegen – bis die besinnliche Stimmung von fiesem Deathcore-Gepolter und abartigem Geschrei vertrieben wird. Hier trifft MESHUGGAH auf HEAVEN SHALL BURN, CANNIBAL CORPSE auf LAMB OF GOD, NILE auf PARKWAY DRIVE. 'The Last Shreds Of Humanity' ist das modernste Stück auf "Watchers", am weitesten entfernt vom Death Metal alter Schule, ohne allerdings den Schwefel getränkten Nährboden der Gründerväter auch nur einen Augenblick vollständig zu verlassen. Highspeed-Riffing, Blast-Attacken, thrashige Gitarrenarbeit, und ein moshend-hymnischer Refrain markieren das Highlight dieses Albums und einen der besten Genrebeiträge anno 2013. Unbedingt erwähnt werden muss auch 'Mask Of Insecurity' mit seinem ungewöhnlich melodiösen Gitarrenriff und dem im Kontrast dazu erneut mitreißenden, tonnenschweren Bulldozer-Wettrennen im Verlauf der Verse. Aber auch im Weiteren geben sich die Dänen keine Blöße und liefern neun kompakte, tollwütig-bissige Miststücke ab, ohne auch nur einen einzigen Aussetzer zu verzeichnen. Immer wieder werden die klassischen Death-Trademarks bedient und um spannende, moderne Facetten bereichert. Der Höhepunkte gibt es zu viele, um sie hier noch weiter im Einzelnen zu benennen.
Wieso also nur eine gehobene 8er-Wertung anstelle der ultimativen Edelnoten? Darauf eine passende Antwort zu liefern ist schwierig - ich vermute, dass ich den Nordmännern eine höhere Auszeichnung nur deswegen verweigere, weil sich trotz neun knackiger Kompositionen kein ultimatives Album-Gefühl einstellen will. Es fehlen ein wenig die Entwicklung, die dynamischen Spannungsbögen, die eine Langspielplatte zu einem fesselnden Gesamterlebnis wachsen lassen – ein Symptom, an dem aber fast alle gängigen Todesstahlproduktionen kranken. Es muss jedenfalls unbedingt betont werden, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, "Watchers" kein Gehör zu schenken – ganz im Gegenteil: Wer BILLY BOY IN POISON (merke: die dänische Band – es gibt doch tatsächlich schon eine harmlose kalifornische Rock 'n' Roll-Formation gleichen blödsinnigen Namens!) und das dazugehörige Debüt "Watchers" verschläft, dürfte das Death-Metal-Album des Jahres 2013 verpassen. Frohes Fest.
Anspieltipps: The Last Shreds Of Humanity, A Shadow Of My Past, Through The Haze, Mask Of Insecurity
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timon Krause