COMPLEX 7 - Process
Mehr über Complex 7
- Genre:
- Progressive Power / Thrash Metal
- Label:
- MDD
- Torn
- Trust
- Vicious Circle
- Nightbirds
- Toadstool
- Like I Was
- Tired
- Interactive
Promos ohne Songtitel sind natürlich immer ganz große Klasse. Man darf erst mal noch eine Weile im Internet suchen, um die nötigen Informationen für ein halbwegs aussagekräftiges Review zusammenzubekommen. Wenn die Musik allerdings so hochklassig ist wie im Falle COMPLEX 7, dann tut man das ja gerne. Egal, zur Sache: Die hessische Band war vorher als DEMIMONDE aktiv, firmiert jedoch seit 1999 unter dem neuen Namen. Das 2001 erschienene Debüt "Water" enthielt sehr guten, technisch anspruchsvollen Thrash Metal mit viel Melodie, ein wenig Jazz und einer sehr progressiven Ader. Als Vergleichsgrößen konnte man damals in den härteren Momenten durchaus WATCHTOWER nennen, wobei COMPLEX 7 immer schon auch mit ruhigeren, entspannteren Passagen arbeiteten. Auf der neuen Scheibe "Process" (die bereits 2003 als Eigenpressung erschien und jetzt von MDD übernommen wurde) ist nun das Thrashelement ein wenig weiter in den Hintergrund getreten, aber noch durchaus spürbar vorhanden. Die Marburger glänzen nach wie vor mit sehr vertrackten, thrashigen Riffs, die des öfteren jazzige Elemente enthalten. Dazu gibt es auch viele Breaks, die aber stets songdienlich eingesetzt werden, weshalb die Lieder immer eine nachvollziehbare Struktur behalten.
Beim genialen Opener 'Torn' reibt man sich als Neueinsteiger zunächst ungläubig die Ohren, wenn man zum ersten Mal die zu dem Gitarrenintro hinzutretende Stimme von Norbert Vornam hört. Die ist nämlich recht hoch, aber klar und angenehm. Dazu singt er hier sehr getragen, mit einer Phrasierung, die an Robert von SOLITUDE AETURNUS oder Scott Jeffreys von CONFESSOR erinnert. Gerade die Verquickung von Thrash, Prog und Doom, die die Jungs hier betreiben, erinnert mich ein bisschen an CONFESSOR. Das folgende, von einem Sample eingeleitete 'Trust' ist insgesamt sphärischer und ruhiger angelegt, die Stille wird aber von gelegentlichen Ausbrüchen durchbrochen. Ein sehr abwechslungsreiches Stück, an dem Fans von Gruppen von PSYCHOTIC WALTZ bis NEVERMORE sicher Gefallen finden dürften. Schön ist auch, dass Norbert gelegentlich ein paar Thrash-Metal-Shouts einstreut, die das Stück zusätzlich aufwerten.
'Vicious Circle' ist wieder deutlich thrashiger und erinnert so ein wenig mehr an das Vorgängeralbum. Bereits nach anderthalb der über sechs Minuten des Stückes beeindruckt den Hörer das erste tolle Solo von Arne Schuppner. Es sei aber darauf hingewiesen, dass diese Soli sehr songdienlich eingesetzt werden und nicht Gefrickel als Selbstzweck darstellen. Gleiches gilt für den bei 3:45 beginnenden reinrassigen Jazz-Abschnitt, der auch zu CIVIL DEFIANCE passen würde. Bei 'Nightbird' werden Tempo und Aggression wieder deutlich zurückgeschraubt, die Stimme bekommt streckenweise ein dunkleres, weicheres, leicht gothiclastiges Timbre, beeindruckt aber auch mit wunderbaren, hohen und kristallklaren Hooklines, die mich ein wenig an Bruce Dickinsons Arbeit auf "Balls To Picasso" erinnern. Dazu gibt es eine tolle Kombination von harten und akustischen Gitarrenklängen und einige schöne Kabinettstückchen der Rhythmusabteilung im hinteren Teil des Songs, wo Basser Björn und Drummer Guido beweisen können, dass sie sich hinter ihrem Gitarrero nicht zu verstecken brauchen.
Der darf dann beim schneidenden Introriff zu 'Toadstool' wieder richtig loslegen und auch gesanglich gibt's ein paar Dane- oder Halford-mäßige Screams zu bewundern, die im Übrigen bei COMLEX 7 eher selten vorkommen. 'Like I Was' ist eines der schnellsten Stücke der Scheibe und weist eine verschachtelte Rhythmusarbeit auf, die bei genauem mehrmaligem Hinhören erst richtig zur Geltung kommt. Außerdem glänzt das Stück mit einem der eingängigsten Refrains, die man von der Band überhaupt zu hören bekommt. 'Tired' erinnert - auch gesanglich - streckenweise an einen aggressiven ICED EARTH-Song zu Barlow-Zeiten, während der epische Schlusstrack besonders mit seinem getragenen, von Akustikgitarren geprägten ersten Teil, etlichen beeindruckenden Bassläufen aufhorchen lässt und danach wieder sehr anspruchsvollen, technischen Thrash Metal zelebriert.
Alles in allem ist "Process" ein großartig produziertes, musikalisch-technisch perfektes Werk, das jedem Fan technisch anspruchsvollen Thrashs genauso gut reinlaufen dürfte wie Anhängern progressiven Power Metals und Bewunderern vielseitigen Gesangs. Wer sich zu einer der genannten Zielgruppen zählt, muss einfach mal ein Ohr riskieren. Jetzt, nachdem die Band endlich den lange verdienten Deal in der Tasche hat, sollte der Durchbruch doch machbar sein.
Anspieltipps: Torn, Vicious Circle, Nightbird, Tired
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle