IMAGINARY WAR - The Verge
Mehr über Imaginary War
- Genre:
- Synthie Rock / Wave / Industrial
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Hellbig Music
- Release:
- 20.05.2016
- We Ride
- Far And Further
- The Way We Feel
- Betty Would Be Bored
- Made A Decision
- Never Fall Apart
- Waters
- This Moment
- Ritual Chains
- Dead Princes
- Somebody Must
- The Verge
- Understanding
Analog(ie) zwischen Sinn und Wahnsinn.
Abermals nehmen uns die Synthie-Rocker IMAGINARY WAR mit auf eine faszinierende Reise in musikalische Grenzwelten, reißen uns tief hinein in seelische Abgründe und auf die Tanzflächen düsterer Dark-Wave-Gruftie-Schuppen, deren Adressen auch heute noch auf schwarz-weiß kopierten Handzetteln weitergereicht werden. "The Verge" ist ein Klangerlebnis der besonderen Sorte, in gleichem Maße eingängig wie verstörend, und mutig in der konsequenten Ausarbeitung jenes Stils, den Joki Schaller, ehemals Fronter der Brachial-Rocker SEMTEX und Gitarrist bei den Post Metalcorelern von SAPHENA, mit seinen Mitstreitern definiert – angesiedelt irgendwo zwischen DEPECHE MODE, CAMOUFLAGE und CELLDWELLER.
Wo das gefeierte Banddebüt "Replacing The Ghosts" gedankenverloren zwischen Traum und Transzendenz pendelte, sticht schon das Artwork von "The Verge" in scharfem Kontrast zum grau gehaltenen Cover des Vorgängers hervor: Das Bandlogo schwebt über einem lavaartigen, organisch anmutenden Hintergrund - und die bedrohliche Faszination, die dieses Bild ausstrahlt, wird vom Opener 'We Ride' perfekt aufgegriffen. Die angezerrte, wütende Stimme Schallers, untermalt von lüstern wabernden Synthie-Klängen, der stampfende Industrial-Schlagzeugsound, und ein Refrain, der eher zum Headbangen als zum Tanzen einlädt - ein mitreißender und grimmiger Industrial-Bastard, der dem zweiten Output des Quartetts deutlich seinen Stempel aufdrückt.
Mit 'Far And Further' wird anschließend wieder auf vertraute Weise den Vertretern des Wave/Pop des späten 20. Jahrhunderts gehuldigt, tanzbar, groovig, discotauglich, und mit einem jener Ohrwurm-Kehrverse ausgestattet, die zu den festen IMAGINARY WAR-Trademarks gehören und um die sich zahllose Kapellen quer durch alle musikalische Sparten die Finger lecken würden. Auch die beiden fantastischen Vorab-Singles 'The Way We Feel' und 'Made A Decision' haben ihren Weg auf "The Verge" gefunden; zwei eingänge Düster-Rocker, ersterer eine Sintflut aus Melancholie und trauergefärbter Erkenntnis, letzterer eine intime Reise in die hintersten Winkel der Seele, wo der Mensch Farbe bekennen muss vor seinen tiefsten Sehnsüchten und den versickerten Strömen eines unbändigen animalischen Wahnsinns. Meinen die das wirklich ernst? Diese nackte Selbstoffenbarung, kanalisiert in Wiegenlied, Elegie und Sirenengesang. Dieser reiche Strauß an Melodien, zwischen klebrig-süßlichem Pop und kaltem, industriellem Metal. An manchen Stellen traut man den eigenen Ohren kaum.
Dreizehn Tracks werden auf "The Verge" aufgefahren, und nachdem die erste Hälfte bereits vor epischen Synthie-Wave-Rock-Hymnen nur so strotzt, muss der Spannungsbogen anschließend wohl zwangsläufig etwas abfallen. Mit 'Waters' und 'This Moment' geben sich die vier Herren nur vorübergehend etwas ruhiger als zu Beginn, sammeln Energie für weitere Überraschungsmomente: Wie 'Ritual Chains', eine für IMAGINARY WAR-Verhältnisse ungewöhnlich swingende Nummer, oder den Stampfer 'Dead Princess', das die endgültige Vermählung zwischen Wave und Industrial zelebriert. Ein einziger Song, nämlich 'Somebody Must', fällt weniger packend aus; hier kommt die Band verglichen mit den übrigen Kompositionen nicht so ganz auf den Punkt. Doch sei's drum. Nachdem "The Verge" in erster Linie von Düsternis, nur widerwillig gebremster Aggression und trüber Selbstreflexion geprägt ist, lässt das finale 'Understanding' zum Abschluss stimmungsmäßig aufhorchen: Wie ein erhellender Ausblick, eine metamorphorische Rückkehr zum Licht nach einer langen Wanderung durch die Abgründe des menschlichen (Innen)Lebens.
IMAGINARY WAR setzt mit "The Verge" erneut ein einzigartiges Markenzeichen, das die Trademarks des Vorgängers beibehält, atmosphärisch aber in neuen, spannungsgeladenen Gefilden unterwegs ist. Eingebettet in ein druckvolles, organisches und klar ausdifferenziertes Soundgewand ist "The Verge" ein echter Hörgenuss, der auch Verächter von Synthie-/Wave-Klängen mitreißen sollte. IMAGINARY WAR ist allen Retro-Wave-Kapellen auch 2016 eine ganze Nasenlänge voraus. Eindeutige Kaufempfehlung!
Anspieltipps: The Way We Feel, Made A Decision, Never Fall Apart
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Timon Krause