LAMB OF GOD - Lamb Of God
Mehr über Lamb Of God
- Genre:
- Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 19.06.2020
- Memento Mori
- Checkmate
- Gears
- Reality Bath
- New Colossal Hate
- Resurrection Man
- Poison Dream
- Routes
- Bloodshot Eyes
- On The Hook
Hohe Kunst und wilde Raserei
Nehmen wir "Legion: XX" einmal außen vor, so ist das letzte LAMB OF GOD-Studioalbum schon fast fünf Jahre alt. Und leider habe ich den letzten drei, vier Alben nicht jene Aufmerksamkeit geschenkt, die "Wrath", "Resolution" oder "VII: Sturm und Drang" verdient hätten. Viele Monaten oder gar Jahre später wurde mir die Klasse dieser aggressiven und tiefgreifenden Bündel extremer Musik bewusst, doch das wird mir mit "Lamb Of God" nicht passieren. Nein, mit enormer Vorfreude aber auch Spannung nehme ich die ersten Töne des selbstbetitelten Werkes, das erste mit Adlers Nachfolger Art Cruz, wahr und schließe die Augen.
Randy Blythe schreit sich ein allerletztes Mal die Seele aus dem Leib, die letzten Töne von LAMB OF GOD schallen durch den Raum, ich öffne die Augen. Ich bin unruhig, aufgewühlt. Ich fühle mich ungemein mitgenommen, stellenweise traurig, stellenweise wütend, stellenweise aber auch glücklich. Eine komische Mixtur der verschiedensten Gefühle ging durch meinen Körper. Ich muss mich erst einmal zurechtfinden, was gerade vor sich ging.
Das ist passiert: LAMB OF GOD hat ein Monster erschaffen. Ein Monster der facettenreichsten Sorte. Das Monster groovt wie Bolle, ist wütender und besessener als alles von der Band zuvor Gehörte, so besessen als sei ein Exorzismus nötig und die Atmosphäre kann man mit einer Axt durchtrennen. Blythe spielt mit dem Hören, weckt ihn immer mal wieder auf, brüllt und schreit ihn an, wiegt ihn aber an vielen Stellen auch in Sicherheit, nur um kurze Zeit danach wieder in alles in Schutt und Asche zu kreischen.
Ähnlich fungiert die Instrumentalmannschaft: Die Riffs sägen auch die dicksten Stämme nieder, speziell das immens düstere 'Resurrection Man' und das mächtige 'Poison Dream' offenbaren Bretter vor dem Herrn. Auch wenn sehr viel Gewalt im mittleren Tempo veranschaulicht wird, ist LAMB OF GOD in etwas schnellerer Geschwindigkeit kaum aufzuhalten. Hier sind 'Routes' in Kombination mit TESTAMENTs Chuck Billy und 'Gears' wohl stellvertretend für diese Art von Wucht und Aggression. Dabei ist "Lamb Of God" dennoch ein sehr gut durchdachtes und in Sachen Wut auch gesundes Album, da die Richmond-Metaller zu keiner Art und Weise in blinden Zorn verfallen und unüberlegt handeln. Nein, sie zeigen uns 2020 nicht nur, wie man "VII: Sturm und Drang" hinter sich lassen kann, sondern wie man sich neu erfindet, ohne sich im Kreis zu drehen.
Zwei Songs des neuen Werks möchte ich noch einmal gesondert erwähnen. Zum einen ist 'New Colossal Hate' nicht nur das beste Stück des Albums, sondern dürfte wohl auch Stammgast in den Top-3 der besten LAMB OF GOD-Songs sein. Ich finde es enorm bemerkenswert, mit wie viel Cleverness und wohl dosierter Portion Wut sich LAMB OF GOD von der Schokoladenseite zeigt. Zum anderen ist es das eröffnende 'Memento Mori', das mir zu Beginn nicht nur aufgrund der Kinderstimmen eine Gänsehaut bereitet, sondern mit starker Vehemenz und einem Riff-Overkill das folgende Blutbad bestens einleitet.
Manchmal sagen nicht nur Bilder, sondern auch Töne mehr als tausend Worte. Es fällt schwer, das neue LAMB OF GOD-Album oder zumindest die Gefühlsachterbahn, die es auslöst, in Worte zu fassen. Ein cleveres, smartes, sympathisches und nahes Album einerseits, ein wutschäumendes, erbittertes und fuchsteufelswildes Werk andererseits, das ist "Lamb Of God". Ein besserer Titel hätte man nicht finden können.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Marcel Rapp