LAMB OF GOD - VII: Sturm und Drang
Mehr über Lamb Of God
- Genre:
- Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 24.07.2015
- Still Echoes
- Erase This
- 512
- Embers
- Footprints
- Overlord
- Anthropoid
- Engage The Fear Machine
- Delusion Pandemic
- Torches
Eine Therapie – und noch mehr.
Die Zeit seit der letzten Veröffentlichung "Resolution" war für LAMB OF GOD eine verdammt bewegte. Viel ist passiert, noch mehr wurde geschrieben – da ist es umso schöner zu sehen, dass die Band sich trotz alledem wieder auf das Wesentliche fokussieren kann. Trotzdem war (wohl nicht nur) ich extrem gespannt darauf, ob "VII: Sturm und Drang" eine Aufarbeitung der Geschehnisse wird, musikalisch wie lyrisch. Wobei "gespannt" das falsche Wort ist: Ich habe fest damit gerechnet.
Nicht einmal eine Minute des Openers 'Still Echoes' dauert es, bis man das Gefühl hat, dass hier etwas freigelassen wurde. Ja, das ist LAMB OF GOD, keine Frage. Eine Band, die atmet, die lebt und ein bisschen kaputtmachen will. Eine derart heftige Blaupause des eigenen Sounds an Position eins zu setzen ist kein Zufall, sondern ein Statement. High-Speed-Geknüppel, Blythes abartiges Gebrülle, Adlers Signature-Drumming, unfassbar präzises Riffing, wohl dosiert eingeflochtene Melodien, groovige Nackenzerstörer, zäh verschleppte Parts – "Freunde, wir sind wieder da".
'Erase This' knüpft mit gleicher Attitüde an und ist wohl am ehesten als ein Uptempo-Thrasher mit typischem LAMB OF GOD-Groove zu beschreiben, der auch sehr gut auf "Ashes Of The Wake" hätte stehen können und einen den Lautstärkeregler aufwärts drehen lässt. Wie schon der vorhergende Song mit kurzem Solo am Ende, was sich im Gesamtklang absolut bewährt. In '512' wird eher atmosphärisch und bei mittlerer Geschwindigkeit gearbeitet, doch selbst bei so einer Nummer bleibt der Punch allein durch die Vocals durchgängig fast am Limit. Randy Blythe ist einfach ein Tier am Mic.
Das darauf folgende 'Embers' ist vielleicht das außergewöhnlichste Stück auf "VII: Sturm und Drang". Zu Beginn noch ein extrem cooler LAMB OF GOD-Song in üblichen Fahrwassern, gibt es in der zweiten Hälfte plötzlich Klargesang (!). Nach zwei Sekunden wird klar, dass hier ein Gastsänger am Werk ist und nach weiteren drei weiß man auch welcher: Chino Moreno (DEFTONES) gibt sich die Ehre. Der Track nimmt an der Stelle eine richtige Zäsur vor, aber der Plan geht vollkommen auf. Die immer schwebende Vokalakrobatik Morenos gibt dem Song noch einmal ein ganz neues Format und harmoniert wunderbar mit seinem Unterbau.
Nach 'Footprints', einer guten, jedoch eher unauffälligen Nummer, gibt es mit 'Overlord' wieder Neues vom Lamm: Die erste Hälfte ist ruhig, gesprochen/gesungen/gehaucht und ich komme irgendwie nicht umhin, es "halbballadesk" zu nennen. Zerbrechlich, emotional und im Kontext dieser Band auch mutig, so richtig mitreißen tut mich das allerdings nicht. Da ist der Mosh-Part im letzten Drittel dann wieder ganz anderer Stoff. Hier weiß ich gar nicht, welche Gegenstände in meiner Umgebung ich denn als erstes zerhacken möchte. So und nicht anders klingt Musik, zu der man wirklich das Wildeste in sich nach außen kehren möchte. Leider endet der Song wieder wie er begonnen hat; es ist schon verdammt ironisch, dass das "gewöhnliche" Element in 'Overlord' klar das stärkste ist.
Eine kleine Schwäche von "VII: Sturm und Drang" wird dann anhand von 'Anthropoid' und 'Engage The Fear Machine' deutlich. Beide Tracks werden astrein und kompromisslos durchgeholzt, hinterlassen jedoch keine Widerhaken. Das gilt für 'Delusion Pandemic' dann schon wieder deutlich eher, denn hier wird nicht nur amtlich geballert, sondern auch mit griffigen Parts (tolle Gitarrenarbeit!) und einer Hook (oder so etwas ähnlichem) um sich geschmissen. Richtig starkes Ding. Im Wechsel von ruhig und ruppig baut sich als Abschluss 'Torches' auf, welches die gesamte Platte noch einmal richtig gut auf den Punkt bringt und deutlich besser funktioniert als zuvor 'Overlord'. Äußerst feiner Abschluss.
Bevor ich resümiere, möchte ich meinen Gedanken vom Beginn aufgreifen: Man merkt hier zweifellos – und wenig überraschend –, dass das Erlebte Spuren hinterlassen hat, die verarbeitet werden wollten (das wird insbesondere mit Blick auf die hier nicht weiter thematisierten Lyrics deutlich). So bitter die Geschehnisse auch waren, so ein guter Nährboden sind sie doch für derartig aggressive Musik. LAMB OF GOD entwickelt sich konstant weiter, was man in zwei, drei Tacks wunderbar nachhören kann, ist am Ende des Tages aber ein bei seinen Leisten bleibender Schuster – und dafür bin ich verdammt dankbar. "VII: Sturm und Drang" wird wohl auch in ein paar Jahren nicht als das beste Werk der Diskographie gelten, denn dazu mangelt es aus meiner Sicht ein wenig an "Hits" (von denen die Band immer so einige am Start hatte), aber ein richtig starkes Album ist es dennoch geworden. Sei dies ein weiterer, vielleicht letzter Schritt auf dem Weg zur Normalität, die Fans quer über den Planeten werden livehaftig sicher gerne mittherapieren – ich bin einer davon. Hail the lamb!
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Oliver Paßgang