NEGLECTED FIELDS - Splenetic
Mehr über Neglected Fields
- Genre:
- Progressive Death Metal
- Label:
- Aghast / Twilight
- Release:
- 22.05.2006
- Intro
- The Spectator
- Teufelswerk
- Ov Snake
- The Cosm, The Vacuum, The Wave
- Splenetic / Confusion
- For Those Beneath Me
- Triplicity
- Khert Neter
Bei den Letten von NEGLECTED FIELDS handelt es sich um eine der dienstältesten Metalbands des Baltikums, und im Gegensatz zum Gros der bekannteren Truppen aus dieser Region haben die Jungs eher weniger mit heidnischem Black Metal am Hut. Das was sie auf "Splenetic" so vom Stapel lassen, ist beim ersten Hören etwas anstrengend und intensiv und vor allem schwer einzuordnen. Die neuen Stücke, auf die der Fan seit dem Vorgängeralbum immerhin sechs Jahre warten musste, sind der Reifezeit entsprechend komplex, verschachtelt, manchmal ein wenig hektisch, dabei aber sehr ausgefeilt und tiefgründig. Trotz oberflächlich chaotisch wirkender Momente fügen sich die Kompositionen schon sehr bald zu funktionierenden Gesamtkunstwerken zusammen, die vordergründig von rasenden Gitarrenduellen zwischen Filth und Destruction leben, doch ebenso wenig ohne die teils bizarren, aber immer eindrucksvollen Rhythmuszaubereien von Basser Sergej und Trommler Karlis auskommen könnten. Beide haben technisch eine Menge auf dem Kasten, wissen dies aber songdienlich einzusetzen. Das heißt, dass vor allem der Drummer sich nicht permanent in andere Dimensionen blasten muss, nur um zu beweisen, wie schnell er sein kann. Im Gegenteil: Er blastet nur ganz selten und unterstreicht viel lieber mit seinem Spiel die Atmosphäre des Stückes und lässt den anderen Musikern auch regelmäßig die Zeit, ihre Klanggebilde wirken zu lassen.
In dieser Hinsicht ist es nicht zuletzt Tastenmann George, der bei NEGLECTED FIELDS das Salz in der Suppe ausmacht. Technischer Death Metal mag schön und gut sein, doch viel zu oft verkommt er zur Parade der Eitelkeiten, die zwar für staunend offen stehende Münder sorgen kann, aber den Zuhörer im Endeffekt nicht emotional berühren kann. Es fehlt am Gespür für Kompositionen und am Gefühl für die Atmosphäre, welche ein Lied braucht, um wirken zu können. Genau hier können die Balten punkten, und das verdanken sie eben ein gutes Stück weit ihrem Keyboarder mit seiner klassischen Musikausbildung. Ohne sich selbst und sein Instrument zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen, ist es seine Stärke, den verschiedenen Titeln jeweils eine eigene Aura zu verleihen, so dass "Splenetic" nicht wie ein Death-Metal-ICE an dir vorbei rauscht, sondern in der Art eines Kaleidoskops alle Facetten des Gesamtkunstwerks für sich wirken lässt.
Ein kurzes, industrielles Intro führt uns in den Opener 'The Spectator', der gleich mal mit hektischen Rhythmuswechseln und infernalischem Keifen loslegt, dann aber schon bald mittels der Keyboards mehr Atmosphäre Raum greifen lässt. Dennoch ein wahres Break-Festival mit schräger Soloarbeit, einem prägnanten Refrain und einer schlichtweg genialen Coda. 'Teufelswerk' kommt melodischer und beschaulicher aus den Boxen, ist aber keinen Deut weniger anspruchsvoll. Der Synthesizer ist mehr im Vordergrund und macht das Stück hymnischer, die Rhythmik ist nachvollziehbarer, die Arrangements eingängiger und das Finale mit der Kirchenorgel, die in fantastische Leadarbeit mündet, um erneut dem genialen Refrain den Weg zu bereiten, ist sogar wirklich mächtig. Bei 'Ov Snake' gibt sich das Riffing mit einer heftigen Thrash-Kante, während der Synth sogar 'nen leichten 70er-Touch abbekommen hat. Die Geschwindigkeit ist hoch, die Atmosphäre dicht, der Sound wuchtig und vielschichtig. Besonders beachtlich ist das verhältnismäßig ruhige, entspannte Mittelstück, das sich gegen Ende wieder durch mehrfach überlappende Gitarrenleads steigert. 'The Cosm, The Vacuum, The Wave' gibt sich zu anfang verspielt und lässt Bassist Sergej viel Raum sich einzubringen. Im Verlauf steigern sich die Breaks immer mehr, bis das Stück kulminiert und mit einem leicht schizophren wirkenden Pianothema langsam verklingt. Das Titelstück beginnt mit disharmonischen Gitarrenmelodien, lenkt jedoch schnell den Fokus auf Atmosphäre und elektronisches Ambiente. Sich steigerndes Drumming leitet diesen Anfang in ein völlig anders gelagertes zweites Hauptstück über, dem noch etliche weitere merkliche Stimmungswechsel folgen werden. Ein tolles Solo im letzten Drittel tritt eine Reihe verstörender Breaks los, bevor mit 'For Those Beneath Me' wieder neues Terrain erkundet wird. Im Endeffekt vielleicht das konventionellste und melodischste Stück der Scheibe, aber dennoch eines der Highlights und noch immer gespickt mit Finessen, die man so bei kaum einer anderen Band finden wird. Erneut viele eindrucksvolle Spielereien mit dem Bass, songdienlicher Einsatz der orchestralen Streicher-Synths und einprägsame Hooks. Es folgt ein sehr schönes Basssolo namens 'Triplicity', von dem sich Herr DeMaio mal eine Scheibe abschneiden könnte, ist es doch nicht einfach nur schnell und hart, sondern vielmehr klangvoll und schön. Auf den Schluss der Scheibe haben sich die Jungs von NEGLECTED FIELDS ein weiteres Highlight aufgehoben: Die lyrische Ägypten-Huldigung 'Khert Neter' ist sehr verschachtelt und vielschichtig, stellt hektischen Riffs schwingende jazzige Einschübe gegenüber und huldigt ausgiebig dem Sieben-Achtel-Takt.
Mit Vergleichen zu anderen Bands wäre ich an sich lieber zurückhaltend, da das Quintett wirklich extrem eigenständig klingt und mit Sicherheit niemanden direkt zu kopieren versucht. Ihr Stil lässt sich als durchweg technisch anspruchsvoller Death Metal umschreiben, der bei aller Progressivität stets songdienlich bleibt und gerade auch mit guten Hooks in den Refrains aufwarten kann. Die Arrangements sind dezent symphonisch angelegt und geizen nicht an elektronischen Elementen, die allerdings nie zu dominant werden oder gar das metallisch-harte Grundgerüst aufweichen würden. In Sachen Geschwindigkeit haben die Letten die perfekte Balance zwischen schnellen und hektischen Parts auf der einen Seite und atmosphärisch-ruhigen Stellen auf der anderen Seite gefunden, die sie mit schlüssigen Breaks zu gliedern wissen. Wer mit der Beschreibung jetzt noch immer nichts anfangen kann, dem sei gesagt, dass sich NEGLECTED FIELDS in einem Bereich bewegen, dessen äußerste Ausdehnungen die Heimstätten von Bands wie DEATH, CARCASS, CYNIC, NOCTURNUS, EMPEROR und SAMAEL tangieren, ohne sich zu sehr zu überschneiden. Für den anspruchsvollen Prog-Death-Fan führt aus meiner Sicht kein Weg an NEGLECTED FIELDS vorbei, denn mit dieser Scheibe setzt die Truppe aus Lettland wirklich Maßstäbe.
Anspieltipps: Teufelswerk, Splenetic, Khert Neter
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle