SAMAEL - Reign Of Light
Mehr über Samael
- Genre:
- Post Black Metal
- Label:
- Regain / Galactical
- Release:
- 25.10.2004
- Moongate
- Inch'Allah
- High Above
- Reign Of Light
- On Earth
- Telepath
- Oriental Dawn
- As The Sun
- Further
- Heliopolis
- Doors Of Celestial Peace
SAMAEL bringen das Licht auf die Welt und lassen die Planeten tanzen. Da schwingt der Mond aus seiner Erdenbahn zum Rendevouz mit der Sonne, fängt der Kosmos an zu vibrieren, knallt es aufs Heftigste in benachbarten Galaxien und regnet es Sternenstaub, während Saturn wie eine Disco-Kugel mit 180 b.p.m. rotiert. Mit "Reign Of Light" zaubert das Schweizer Geschwisterpaar ein Frequenzgemisch in das graue Leben, welches jeden Anflug von negativer Energieform einfach wegbläst.
Jenseits aller Grenzen, von Paris nach San Francisco, Oslo nach Neu Delhi, Melbourne nach Budapest, Vancouver nach Singapur, Wien nach Ankara, Detroit nach Warschau ... Überall herrscht das Tanzen als einzig wahre Bewegungsform. Jedes Teilchen gerät in Schwingung, Kommunikation durch Gedankenübertragung. Religion ist ein Gefühl, kein Krieg. Sinnesrausch als höchste Bewusstseinsform, die ganze Welt als bewegte belebte Materie vor Augen. Farben werden zu Tönen, Licht wird hörbar, spürbar, nimmt eine Form an. Gerüche aus fremden Ländern blühen in einer tausende von Kilometern entfernten Nase, kitzeln, locken, betören, machen süchtig, verliebt. Menschheitsgeschichten ziehen in Filmform vor dem eigenen inneren Auge vorbei, alles wird verständlich, erlebbar, liegt greifbereit in der offenen Hand. Überall ist Feuer, strömt Energie, wirken Kräfte, füreinander, gegeneinander, in Rhythmen, in Gesprächen, in Gedanken. Das Ziel ist die Synchronisierung, Harmonie als Zwischenzustand. Sehnsucht treibt die Suche nach dem passenden Gegensatz voran, je größer die Entfernung, desto stärker ist das Wollen, Drängen, Besinnen. Die Intensität misst das Maß aller Dinge. Ekstase gibt der Schöpfung einen Rahmen. Schmerz verlangt den stärksten Ausdruck, Qual die größte Heilung. Das Richtige ist das, was stärkt. Es öffnen sich die Türen zu einer neuen Welt, da sind Was und Wie ein Gleiches. Frieden findet sich in der reinsten Unruhe, leise Bilder malen den Weg zu lauter tobenden Menschen in den überheizten Konzertsälen einer nichts ahnenden Kleinstadt. Headbanger, Raver, Flamenco- und Bauchtänzer, Motten und Sonnenanbeter, alle werden ihren Körper ausmerzen bis zur totalen Erschöpfung und geistigen Freidrehung, angestoßen durch die Triebkräfte von "Reign Of Light".
Nüchtern betrachtet, setzen SAMAEL gleichzeitig da an, wo sie 1996 mit der "Passage" und 1999 mit "Eternal" aufgehört hatten. Modifizierungen einzelner Elemente beider Klassiker finden sich in allen elf Songs von "Reign Of Light" wieder, nur dass es noch rhythmischer, noch groovender, noch brachialer zur Sache geht. Mit jedem Durchlauf möchte man die Lautstärke noch weiter aufdrehen, um die ganze Intensität dieser Musik zu spüren. Das Herz schlägt Purzelbäume vor Freude, hat man auch nur die ersten Beats von 'Moongate' vernommen. Dazu büßt Vorphs Stimme nichts von ihrer Macht ein, er brüllt und raunt mehr denn je wie ein Löwe ins Mikro. Nur dass er sich weiterer Rhythmusformen bemächtigt hat, nämlich das Rappens. Nicht, dass er das auf der "Passage" noch nicht gemacht hätte, aber gerade in dem Opener kommt einem das erstmal so richtig klar zu Bewusstsein.
Ihren Status als Meister der Melodiefindung behaupten SAMAEL mehr denn je und auch die Vielfalt der eingesetzten Samples und Instrumente spricht für die nicht-selbstlimitierende Progressivität, welcher sich die Band verschrieben hat. Daneben werden nun die orientalischen Rhythmen und technoiden Beats, die sich bereits auf der EP "Exodus" fanden, verstärkt eingesetzt, so z. B. in dem stilistisch an 'Radiant Star' gemahnenden 'Inch'Allah'. Besonders krachend treten sie aber in 'As The Sun' zu Tage, das schon fast zur astreinen Dance-Hymne mutiert und mit Einlagen glänzt, die außer zum Headbangen auch zum Breakdance oder alternativ Bauchtanz animieren.
Auffällig ist die Eingängigkeit der Stücke, trotz der unglaublichen Fülle an sich überlagernden Klangschichten. Das verleitet beim Hören dazu, einfach wie ein Fisch durch die verschiedenen Höhen und Tiefen zu tauchen, mal an einer Siddharta, mal an den tribalen Bongos hängen zu bleiben und dann wieder den pumpenden Basswellen zu folgen. Letztere schlagen in dem dröhnenden 'High Above' besonders tief, stellenweise erinnert es in seiner Durchschlagkraft an das geniale 'Jupiterian Vibe'. Danach wirkt der Titelsong 'Reign Of Light' wie eine Ritalinkapsel, er spagatiert tatsächlich zwischen Drum 'n' Bass und Power Metal. Was für eine Hymne! Er steht 'Rain' in nichts nach. Spätestens jetzt sollte man ergriffen von der Energie in diesem Überflieger wie ein entsteuerter Düsenjet durchstarten und mit dem bangenden Kopf die Schallmauer durchbrechen.
Das geht mit dem von einer Weltstadt zur anderen springenden 'On Earth' gleich so weiter. Keine Rast, keine Gnade! Das elektrifizierende 'Telepath' haut noch einen oben drauf. Dieser Electro-Rock-Song im Big-Band-Soundgewand ist die perfekte Single. Ein pulsierender Quasar, der niemanden kalt lässt! Für Abkühlung sorgt jedoch auch 'Oriental Dawn' nicht. Allerdings wird es langsam düsterer und die psychedelische Seite der Musik kommt stärker zu tragen. Als würde die Sonnenfinsternis, welche SAMAEL hier Stück für Stück zelebrieren, immer weiter fortschreiten und bald ihren Höhepunkt erreichen. Etwas ruhiger schmilzt das schwere und zähe 'Further' dahin, eingeleitet von minimalistischen Beats, fortgesetzt von tief gestimmten Midtempo-Gitarren, unterbrochen durch 80er-Jahre-Synths, endend aber mit einem wahren Freudensolo. Noch dunkler wirkt das hypnotische 'Heliopolis' mit den beschwörenden Frauenchören im Hintergrund. Hier wird allen Sonnenstätten ein feuriges musikalisches Denkmal gesetzt. Die Eklipse ist fast erreicht. Beendet wird der Reigen schließlich durch das spirituelle und kraftvolle 'Doors Of Celestial Peace'. Dort finden sich auch die tropfenhaften Keyboard-Klänge wieder, welche seit dem XYTRAS-Remix der "Passage" fester Bestandteil von SAMAEL geworden sind. Zudem klingt in diesem Song eindeutig 'Supra Karma' durch. In ihm findet "Reign Of Light" das Zeittor zurück zu "Eternal".
Abgerundet wird die ganze Klangpracht durch den Endmix, für welchen gleich zwei Größen der internationalen Musikszene verantwortlich waren: zum einen wirkte Waldemar Sorychta (schon bei GRIP INC., LACUNA COIL und TIAMAT beteiligt gewesen) als Co-Produzent mit, zum anderen verlieh Stephan Glaumann (BON JOVI, RAMMSTEIN, CLAWFINGER) der Scheibe den letzten Schliff. Bei aller Namenskriecherei, Highend-Produktion und bombastischen Klangfülle - an manchen Stellen ist die Vergangenheit dieser Band immer noch versteckt herauszuhören. Auch, wenn SAMAEL anno 2004 wirklich nichts mehr mit Black oder Death Metal zu schaffen haben. Letztlich lag die Essenz ihres Schaffens immer darin, dass sie daran glauben, was sie tun, und es mit Herzblut betreiben. Mit "Reign Of Light" treten sie einen weiteren monumentalen Beweis dafür an.
Anspieltipps: Inch'Allah, High Above, Reign Of Light, Doors Of Celestial Peace
- Redakteur:
- Wiebke Rost