PAIN OF SALVATION - The Perfect Element Pt.1
Mehr über Pain Of Salvation
- Genre:
- Progmetal
- Label:
- Inside Out /SPV
- Release:
- 10.10.2000
- Used
- In The Flesh
- Ashes
- Morning On Earth
- Idioglossia
- Her Voices
- Dedication
- King Of Loss
- Reconciliation
- Song For The Innocent
- Falling
- The Perfect Element
Diese Band stellt eine absolute Ausnahmeerscheinung im aktuellen Musik-Dschungel dar. Kaum kategorisierbar, immer wieder überraschend, in höchstem Maße innovativ, frickelig und doch auch eingängig, kopflastig und doch feinfühlig. Ihr merkt es, ich habe einen Narren an dieser Band gefressen. Und das, obwohl ich erst durch ihr drittes Album wirklich auf sie aufmerksam wurde. Während das Debüt "Entropia" damals völlig an mir vorbei gerauscht war, hatte ich mir "One Hour At The Concrete Lake" zwar besorgt, mich aber nicht intensiv genug mit dem Album beschäftigt, um seinen wahren Glanz zu erkennen. Erst das hier vorliegenden Drittwerk "The Perfect Element" löste eine wahre Sucht nach dieser Band aus, die bis jetzt kein Ende kennt. PAIN OF SALVATION sprengen einfach jeden Rahmen und sind eine der wenigen wirklich progressiven Kapellen des heutigen Musikgeschehens.
Wenden wir uns aber "The Perfect Element" zu, einem Konzeptalbum, bei welchem die Geschichte eines Heranwachsenden erzählt wird. Das klingt noch nicht besonders aufregend, mehr will ich aber im Namen aller Spannungsbögen noch nicht verraten. Wer nun die Meinung vertritt, gute Stories würden in ein Buch gehören und nicht auf einen Tonträger, dem sei im nachfolgenden beschrieben, warum er dieses Glanzwerk aber trotzdem besitzen muss.
Dem skandinavischen Quintett gelingt es während der in drei Suiten unterteilten, zwölf Songs langen, Abenteuerreise jegliche Schattierung anspruchsvoller Rockmusik zumindest zu streifen und aus all’ diesen verschiedenen Elementen einen völlig eigenen Stil zu kreieren. Was jetzt für Freunde von gradliniger Musik im ersten Moment abschreckend klingen mag, entpuppt sich beim direkten Kontakt mit der Mucke als völlig ohrenfreundlich. Und genau darin liegt wohl auch das Geheimnis hinter der Musik von PAIN OF SALVATION: anspruchsvoll, verspielt und trotzdem eingängig zu klingen.
Zugegeben, die zweite Suite birgt den einen oder anderen Part, den man eventuell einige Male hören sollte, bevor man völlig verzückt im Dreieck steppt, aber selbst hierin lauern überall großartige Ohrenschmeichler. Wenden wir uns den kleinen Widerhaken zu: die Rhythmusgruppe Johan Langell (dr.) und Kristoffer Gildenlöw (bs.) dirigiert bei 'Idioglossia' den verdutzten Hörer auf recht verknoteten Pfaden ins Land der Melodien. Diese liefern dann allerdings vor allen Dingen die superben Gesangslinien, wie die gern eingesetzten Chöre. Jene dominieren auch im eher schwermütig beginnenden 'Her Voices', das sich auf halber Strecke zum formidablen Melodic-Frickler hoch schaukelt. Zur ultimativen Gänsehaut kommt es aber erst, wenn sich Frontdenker Daniel Gildenlöw – der geübte Leser entdeckt hier tatsächlich einen Bruder – und Johan Hallgren ein kleines Gitarrenduell liefern, welches schlussendlich gar, von Streichern begleitet, in einem Doublebass-Chor-Wall ausufert. Damit der intensiv genießende Musikfreund nach so einem Breitwand-Schock nicht völlig in die Knie geht, wird sein aufgeregtes Herz mit dem beruhigenden Adrenalin-stopper 'Dedication' um einige Frequenzen ruhiger gestimmt. Aber Achtung, Taschentücher parat halten! Lässt der Name des folgenden Titels schon nichts Gutes ahnen, so ist diese Komposition sicherlich eine der schweißtreibendsten des Werkes. Nicht nur aufgrund seiner immensen Länge, – immerhin annähernd zehn Minuten – sondern auch wegen diverser extrem schräger Gesangspassagen. Gut, der Teil der Story ist auch nicht gerade fröhlich.
Ich könnte jetzt auch über die anderen beiden Suiten, die ebenfalls je aus vier Songs bestehen, genauso viel schreiben, dies würde aber einer nervigen Song-By-Song Besprechung gleichkommen. Eine stereotype Review-Art, die diesem Meisterwerk in keiner Weise gerecht werden würde. So verweise ich lediglich noch auf einige Besonderheiten.
Da hätten wir mit 'Ashes' zum Beispiel eine düstere Ballade, deren Dichte wirklich jeden, dem ich sie bislang vorspielte, ergriffen hat. Eine Killer-Melodie, sowie Arrangements für die andere Bands 12,74 Ghostwriter benötigen, machen diese Nummer zum potentiellen Appetizer für alle, denen PAIN OF SALVATION bislang nichts sagen.
Wer es hingegen lieber etwas deftiger mag, sollte mal den Laser in 'Used' abtauchen lassen. Dort denkt man nämlich Mike Patton und Jim Martin wären mal eben im Studio erschienen und hätten mit PAINF OF SALVATION gejammed. Dieser Kracher setzt mit seinem ultimativen Groove jeden noch so müden Knochen in Bewegung und hätte bei entsprechender Vermarktung ein echter Zappelbuden-Hit werden können. Zum Glück, kommt es anders als man meistens denkt. Wir erinnern uns an 'Epic' und die Tour mit PRONG im Vorprogramm. Haben wir gelacht als die ganzen Schicki-Micki-Tanten völlig entgeistert dem Geschehen auf der Bühne folgen wollten und FAITH NO MORE ihren Hit erst als letzte Zugabe spielten. Das war groß.
Wer schon bei Büchern zuerst den kompletten Klappentext und dann die letzte Seite liest, kann in diesem Fall bequem zum überlangen Titelsong skippen. Hier verbraten die Jungs noch einmal gekonnt sämtliche Elemente – auch das perfekte – des Albums und entlassen den Hörer nach über einer Stunde mit der quälenden Frage, welche andere Scheibe er nach diesem Wahnsinnsteil nun seinen Ohren zumuten möchte. Ich beantworte dies meist mit dem Betätigen der Replay-Taste … oder mit totaler Stille.
Anspieltipps: erübrigen sich bei einem Gesamtkunstwerk.
- Redakteur:
- Holger Andrae