18 SUMMERS: Interview mit Felix Flaucher

01.01.1970 | 01:00

Nach dem erfolgreich vollzogenen Namenswechsel der Wave-Heroen SILKE BISCHOFF in 18 SUMMERS und der neuen gelungenen Platte "Virgin Mary" bot es sich natürlich an, dem neuen alten Frontmann der Band(s), Felix Flaucher, ein paar kleine Fragen über die Musik, juristische Probleme, diverse Ideen zur Bandnamengestaltung, das Leben an sich und überhaupt den ganzen Rest zu stellen. In einer Stunde, durchmischt von skurrilen Späßchen, weitschweifenden Diskussionen und netten Anekdoten rund um die Flaucher'sche Existenz, konnte folgendes in Erfahrung gebracht werden...


Kathy:
Zu Anfang werde ich dich jetzt mit ein paar Fragen löchern, die dir bestimmt momentan auf gut Deutsch jede Sau stellt, aber da musst du wohl durch...

Felix:
So kenn ich dich halt, Kathy, das macht nix (lacht).

Kathy:
OK. Ihr habt jetzt diese Namensänderung von SILKE BISCHOFF in 18 SUMMERS durchgemacht, da würde ich gerne von dir wissen, warum es nun im Endeffekt überhaupt zu dem Wechsel gekommen ist, was war der finale Auslöser dafür?

Felix:
Also um es ganz schlicht zu sagen: Es war mir irgendwann zu blöd. Im Grunde ist es schon eine gerichtliche Namensrechts-blablabla-Geschichte, mein Ex-Bandmitglied (Axel Kretschmann, Gründungsmitglied von SILKE BISCHOFF - Anm. d. Verf.) verklagt mich wegen diesem und jenem, ich hab hier einen Stapel von Rechtsanwaltschreiben liegen, es gab auch schon eine Verhandlung und wieder Klagen und all diesen ätzenden aber auch langweiligen Kram. Jetzt im Nachhinein denk ich aber: Eigentlich OK, denn dieses ganze Rumgestresse und Rumgemache war auf Dauer einfach nur nervig. Du brauchst dann aber relativ lang, um dich auf die neue Situation einzustellen, dir überhaupt zu überlegen, einen neuen Bandnamen zu nehmen. Inzwischen muss ich aber sagen, selbst wenn sich herausstellen würde, dass ich in zwei Monaten den Namen SILKE BISCHOFF uneingeschränkt benutzen dürfte, was durchaus sein kann, da das Verfahren noch läuft, würde ich diesen Schritt nicht mehr zurück machen. Inzwischen bin ich soweit, dass ich denke: Hey, der neuen Name klingt supergut. Das neue Artwork, die neuen Songs, das ist letztendlich zwar schon nur eine Umetikettierung, ich bin ja kein anderer Typ - ich mache keine andere Musik, ich mache keine völlig anderen Bilder - , aber ich denk mal, viele Sachen im Leben kannst du einfach nicht ändern, im ersten Moment nervt dich das sicher ohne Ende, aber irgendwann sagst du dir: Eigentlich gut, dass es so gekommen ist. Und inzwischen denke ich: 18 SUMMERS - der Sommer kann kommen (lacht).

Kathy:
Aber war es nicht trotzdem ziemlich schwer, den Namen SILKE BISCHOFF nach immerhin zehn Jahren Bandgeschichte abzulegen?

Felix:
Total schwer, es hat ja auch ziemlich lange gedauert, es war ja nicht so dass ich gedacht hab: Och, weißte, SILKE BISCHOFF fängt an, mich anzuöden, nehmen wir nen anderen Bandnamen, 18 SUMMERS! Das war ewig schwer, aber ich wollte nicht schon wieder ein Album rausbringen und dann wieder das Rumgestresse und Schadensersatzklagen wegen dem Namen am Hals haben. Es ist schwergefallen, aber mittlerweile bin ich aus der Phase des Schwerfallens raus. Wir haben hier ganze Berge an Wörterbüchern durchgewälzt, ich habe einen englischen Roman gelesen, es gab Alternativ-Namensvorschläge usw. Zuerst wollten wir uns gar nicht so weit entfernen, ich hab überlegt wir machen sowas wie "Silke's Church" oder "Silke's Army". Aber nachher hätte es dann wieder geheißen, die nehmen sowas Halblebiges, weil's vorher mit dem Namen Probleme gab, da haben wir das auch wieder verworfen. Vor zwei Wochen war ich sogar der festen Überzeugung, dass sich die Band "Sensation White" nennen wird, weil wir so lange rumgemacht und rumüberlegt haben, dass ich irgendwann morgens ins Badezimmer gegangen bin, mir die Zähne geputzt habe und mein Blick dabei auf die Colgatetube gefallen ist und ich drauf lese "Sensation White - mit Mikro-Kristallen". Da dachte ich: OK, das isses.

Kathy:
Zumindest ist aus der Idee später ein Song geworden.

Felix:
Ja, genau (lacht). Der wurde einen Tag später aufgenommen bzw. noch der Text dazu geschrieben, da kam's mir dann auch in den Sinn, dass das vielleicht doch nicht der ideale Bandname ist (lacht). Dann kamen eben die Überlegungen - da wir die Band ja nach einem Mädchen benannt haben und ich auch Mädchenfotografie überwiegend ausübe - vielleicht den Namen "Sibyl Vane", was auch ein Song auf dem Album ist, zu nehmen, das war mir dann aber auch zu blöd, weil das ja auch zu nahe am alten dran ist. Was ich nun spaßig finde ist, dass es durch die 18 Jahre noch einen gewissen Bezug hat, jemand, der Silke Bischoff oder die Geschichte von Silke Bischoff kennt, wie eben der Name der Band entstand, der weiß bei 18 SUMMERS schon, was für einen Bezug das hat, aber es ist nicht so offensichtlich, dass ich in Zukunft weiterhin Interviews machen muss, wo ich eine halbe Stunde über den Bandnamen SILKE BISCHOFF und warum wir uns so genannt haben reden muss, von wegen 1988 und mit 18 Jahren am 8.8. und blabla. Somit denke ich, es klingt einfach sehr frisch, sehr positiv, der Sommer kann kommen wie gesagt. Auch die Fotos, die ich mache, sind ja eher hübsch und nicht so eine Massaker-Blut-Geschichte, wie es sie früher vielleicht einmal gegeben haben mag. Alles passt supergut zusammen und ich fühle mich echt nicht unwohl damit.

Kathy:
Dann kommen wir gleich mal vom Bandnamen zum Albumnamen, welcher ja „Virgin Mary“ lautet. Ich hab da ein bisschen rumgerätselt und mir Gedanken gemacht, warum ihr gerade diesen Titel gewählt habt, irgendwann ist mir dann der Begriff „Jungfrauengeburt“ in den Kopf gekommen, soll er eventuell auch eine Art kleiner Anspielung auf den Neuanfang sein?

Felix:
Nee, es hat eigentlich mit dem Text des gleichnamigen Songs auf der Platte zu tun, der ist nämlich selbsterklärend. Es gibt ja einige Texte auf der Platte, es gibt auch Lovesongs usw., aber einige Texte berühren natürlich das Thema Religion und Philosophie oder meine Sicht der Welt. Und „Virgin Mary“ ist da eigentlich ein sehr positiver Song, übersetzt geht’s im Refrain darum: „Wenn ich nur glauben könnte, wäre mein Leben einfach. Ein Bettler, ein Dieb, Gott liebt euch alle [...] Ich wünschte du wärest hier, um meine Tränen zu trocknen.“ Und was damit gesagt wird im laufenden Text, zum Thema Religion und zum Thema Jungfrau Maria, unbefleckte Empfängnis und der Legende des INRIs, der ans Kreuz genagelt für unsere Sünden gestorben ist, das führt dann zu tausenden Diskussionen mit fanatischen Sektierern, die sich in dieser Jesus-Geschichte drin bewegen, wo ich eigentlich sehr wenig mit anfangen kann – da drückt der Song dann so ein bisschen aus, dass ich so Leute eigentlich beneide. Nichts wünsche ich mir mehr, als dass ich, wenn’s mir grade total scheiße geht und ich mir am liebsten das Leben nehmen möchte, sagen kann: Ich habe das Licht gesehen, Jesus ist für uns gestorben und all dieses Zeug eben. Du kannst eigentlich nur überleben oder was machen, wenn du diese Kraft selber aus dir selbst schöpfst. Ich möchte jetzt nicht zu philosophisch werden, aber so Religionen, die eigentlich eher darauf abzielen, dass die wahre Geschichte erst nach deinem Tod beginnt, die sind scheiße, weil so kannst du Leute dazu bringen, mit einem Flugzeug in ein Hochhaus reinzufliegen, weil sie denken, hoho, danach ist dann echt Party mit all den Jungfrauen usw. Aber ich denke, du solltest dein Paradies im Hier und Jetzt finden, dein Leben selbst gestalten und dich nicht auf irgendeine Gottheit verlassen, die dich lenkt und führt. Das ist so ein bisschen meine Lebensphilosophie, deswegen ist die in diesem Song zu hören und zieht sich auch ein bisschen durch das ganze Album, nicht aufgrund Konzeptdenkens oder roter Faden, sondern weil ich eben Songtexte über Themen geschrieben habe, die mich gerade bewegen. „Virgin Mary“ ist also deshalb Albumtitel geworden, weil es dieses mein Denken zum Ausdruck bringt, aber theoretisch hätte es auch ein anderer sein können. Aber „Virgin Mary“ klang mir schmissiger als z.B. „Mach das Radio aus“ („Turn Off The Radio“ – der Opener auf dem Album, Anm. d. Verf.).

Kathy:
Oder aber „Sensation White“.

Felix:
Oder „Sensation White“, ja (lacht). Da hat mich ein bisschen das Teufelchen geritten, muss ich sagen, die Colgate-Geschichte ist obercool, aber das haben mir schon mehrere Leute in Interviews gesagt: Wenn das der neue Bandname geworden wäre, dann hätte ich Pickel gekriegt (lacht).

Kathy:
Um auf die Musik einzugehen: Ihr habt beispielsweise zusätzlich ein Streicherensemble und Chöre eingebaut. Legt ihr jetzt, ob nun aufgrund Namenswechsel oder musikalischem Reifeprozess, mehr Wert auf die Arrangements und die Komplexität der Kompositionen?

Felix:
Nun, die Songs entstehen ja schon im Vorfeld, bevor man ins Studio geht. Meistens sind es Songs, die vorher nur mit einer Gitarre und einer Stimme ausgecheckt werden, wo man dann rumprobiert und rummacht, bis es dann ein bisschen strukturiert ist, es Strophe, Refrain, Bridge und so Sachen gibt und es eben ein flüssiger Song wird. Dieses Mal haben wir aber schon überlegt, ob wir das ganze nicht ein bisschen „erdiger“ machen, also ähnlich wie beim umgebauten Haus, wo du die tragenden Holzbalken noch siehst, dass man die eigentlichen Wurzeln noch wahrnehmen kann, und das ist bei uns letztendlich zu 80 Prozent, 90 Prozent, 70 Prozent, was weiß ich, Songwriting. Frank und ich zumindest fangen nicht irgendwie mit Synthie-Geschichten an, sondern das sind wirklich strukturierte Songs. Wir haben jetzt zusätzlich natürlich noch einen Einfluss mit Roman Schönsee (Produzent auf „Virgin Mary“ – Anm. d. Verf.), der auch sehr synthiemäßig unterwegs ist, wir werden noch eine weitere Facette in Form von reinen Akustiksongs mit reinbringen, aber die Grundaussage ist – warum ich jetzt grade eine halbe Stunde lang rede und es eigentlich in einem Satz sagen wollte – dieses Mal wollten wir das schon ein bisschen songorientierter machen, „erdiger“, und vielleicht irgendwo mal zehn Gitarrenspuren übereinander aufnehmen um nachher zu sehen: Lässt man das so, was bringt man dazu, wie auch immer.

Kathy:
Wenn ich richtig informiert bin, habt ihr, bevor ihr letztes Jahr „Phoenix From The Flames“ rausgebracht habt, keinen Produzenten an eure Songs drangelassen, und jetzt sind es schon Roman Schönsee und John Fryer (u.A. PARADISE LOST, HIM – Anm. d . Verf.). Erst keiner, jetzt gleich zwei. Hat das auch etwas mit eurem Wunsch, „erdiger“ zu klingen zu tun?

Felix:
Das hat sich alles ergeben mit Roman und John Fryer – Roman kenne ich schon von früheren Musikgeschichten, und der Kontakt zu John ist über das Label Drakkar bzw. E-Wave zustande gekommen. Mit „erdiger“ hat das erstmal nichts zu tun, das war eher das Gefühl, dass die unsere Songs ideal umsetzen können. Darüber hinaus denke ich jetzt, dass man doch jemand was machen lassen soll, der auch seine Erfahrungen hat, der in den Sachen vielleicht sogar mehr drinsteckt als man selbst und das dann miteinfließen lassen soll – nicht immer denken, du musst in deinem eigenen Kasten alles selbst bestimmen und kontrollieren. Von daher ist es eher eine Bereicherung gewesen, das Ding mit Roman und John durchzuziehen, als der Wunsch „erdiger“ zu klingen oder Dieses oder Jenes. Ich kann ja nicht alles, ich bin zwar ein Multitalent, höhö, aber ich bin kein Studio-Frickelfracker, Frank ebenso wenig, und deshalb ist es cool, Leute am Start zu haben, die das dann handlen können – und deshalb ist „Virgin Mary“ vielleicht noch ein bisschen runder geworden als „Phoenix From The Flames“, weil die beiden sich sozusagen aufeinander eingeschliffen haben.

Kathy:
Jetzt waren wir bei der Musik – nun können wir gleich einen Schritt weitergehen und zu den Songs kommen. Ich weiß nicht, ob das jetzt nur mir so geht, aber manche Stücke wie z.B. „Virgin Mary“, „Girl Of 18 Summers“ oder „Golden Days“ haben meiner Ansicht nach einen ziemlichen MTV- bzw. VIVA-Einschlag und wären durchaus auch geeignet, sie einem jüngeren Publikum vorzuspielen...

Felix:
Ich merk schon, wie vorsichtig du das formulierst (lacht). Aber mir trittst du damit bestimmt nicht auf den Schlips, denn ich denke: „Schwarze Szene“ oder „Gothic“, ich meine, das sind schon Schimpfwörter, aber ich muss sagen, mit dem Ausdruck, den John Fryer immer verwendet, nämlich „Goth Pop“, mit dem kann ich eigentlich leben. Das ist HIM, z.B., ich denke, es ist ein Oberbegriff für alle möglichen Sachen, die es aus dieser schwarzen Ecke heraus gibt. Und zum Thema Kommerzialität: Ich meine, ich höre viel Sachen von vor 15 Jahren, JOY DIVISION, BAUHAUS, THE CURE usw., da bin ich sehr von beeinflusst – aber andererseits läuft bei mir tatsächlich auch MTV und VIVA und ich liebe beispielsweise MISSY ELLIOTT, BUSTA RHYMES find ich auch geil. Ich hab da keinerlei Berührungsängste. Ich möchte auf keinen Fall eine Band wie STATUS QUO sein – jetzt nix gegen STATUS QUO (träller) – aber wenn ein Song wie der andere klingt, find ich das scheißöde. Man sollte auf keinen Fall natürlich seine Wurzeln verleugnen, deswegen wird das „Goth“ bei dem „Pop“ auch immer dabeistehen, das ist letztendlich das, wo wir herkommen, aber ich hab echt keine Berührungsängste mit anderen Musikrichtungen und anderen Stilen. Ich beschäftige mich nicht so sehr mit der Frage, ob wir kommerziell sind oder ob’s der alten Oma drüben über der Straße gefällt, das hat letztendlich nichts zu sagen. Eigentlich ist es doch gar nicht schlecht, wenn Gedanken, Empfindungen und Weltanschauungen aus der Schwarzen Szene ein bisschen in den Mainstream schwappen und auch so ein Oberlippenbartträger unter Umständen einen Bezug dazu finden kann, selbst wenn es nur durch eine Band wie HIM oder so ist.

Kathy:
Der erste Song, „Turn Your Radio Off“, trägt augenscheinlich eine medienkritische Aussage in sich – nach dem Motto: Schalt das Radio aus und hör dir erst mal gefälligst an, was ich zu sagen habe...

Felix:
Ursprünglich war es ja sogar so, dass der Song „Turn On The Radio“ hieß. Das ist schon ein ziemlich alter Song, der ist drei Jahre oder so alt, den ich mit Frank immer ab und zu gespielt habe, und zwar ist das einer von der Sorte, der in sich völlig stimmig ist, der eigentlich fertig ist, den man aber letztendlich doch nie richtig fertiggestellt hat. Da war immer so das Stadium: Hey, da fehlt mir noch Text, er war noch nie so weit, dass ich dachte, jetzt können wir ihn aufnehmen. Diesmal haben wir’s gemacht, alles fertiggestellt, und deshalb ist der Song wohl auch so ein bisschen kritisch geworden, weil jetzt ist so ein bisschen der Witz dran: „Mach das Radio an, wenn du mit dem Strom schwimmen willst, mach das Radio an, wenn du die Träume deiner Mutter leben willst“ – das ist der erste Refrain, der kommt, und im zweiten Teil heißt’s dann: „Mach das Radio aus und hör auf das, was ich dir sage“. Es ist eben so der Kontrast drin: Entweder knall dir die Rübe zu und verblöde, oder geh deinen eigenen Weg – das ist die eigentliche Aussage und im Grunde der Einstieg zu diesem Album, wo als nächstes dann gleich „Virgin Mary“ kommt.

Kathy:
Vor gar nicht langer Zeit bist du im Fernsehen bei Arabella aufgetreten bzgl. der Witten-Morde der Rudas. Ist es deine Intention, zu den Leuten rauszugehen und zu sagen, dass sie nicht alles glauben sollen, was sie von den Medien eingehämmert bekommen, um das Thema Medienkritik jetzt noch ein wenig auszudehnen?

Felix:
Nun, so „verhurt“ das vielleicht auch sein mag - weil ich mich letztendlich natürlich selber auch in den Medien bewege, da ich einen Job habe, der mit Medien zu tun hat – merke ich, dass, wenn ich z.B. einen Newsletter zu so einem Thema schreibe, der so eine Geschichte eher kritisch beleuchtet, dass auf unserer Homepage auf einmal soundsoviele Einträge mehr da sind, weil die Leute sich mit dem Thema beschäftigen, weil jemand 19 oder 16 Leute plattgemacht hat oder weil dieses oder jenes passiert ist. Mein Problem ist immer, dass ich mich nicht ausschließen kann aus dieser Mediengesellschaft, grade diese Ruda-Geschichte hat mich vielleicht deshalb so berührt, weil sie diesen engen Kontakt zur Schwarzen Szene hat und weil die natürlich aussahen wie Leute die du kennst und die ich auch kenne. Und plötzlich wird das alles wieder die Finstergeschichte auf diesem Planeten überhaupt, obwohl das letztendlich nur zwei durchgeknallte Arschlöcher sind. Satanismus im Sinne von LaVey ist ja eher so ein witziger Satanismus sag ich mal, Church Of Satan, das finde ich jetzt mal gar nicht so schlimm. Weißt du, MARILYN MANSON ist auch in dieser Kirche, der hat ihn sogar mal getroffen, wie ich aus seiner Biografie weiß. Somit merke ich natürlich, dass das z.B. bei der Ruda-Geschichte das Problem bei so Sachen ist, dass Motive, die zumindest eine gewisse Rolle spielen, missbraucht werden – und wenn du ein blöder verrückter Arsch bist und berühmt werden willst, musst du nur spektakulär jemanden umlegen. Dann sind die Medien zumindest ein bisschen schuld, wenn dann so Nachahmungstäter an den Start kommen, weil das einfach so breitgetreten wird. Und dass bei einer Geschichte wie die der Rudas auch gleich noch eine ganze Szene reingezogen wird... . Traurig ist es auch, dass komischerweise immer nur die Täter in der Erinnerung der Leute bleiben und nicht die Opfer. Das sind so meine Gründe warum ich zum einen den Newsletter über das Thema geschrieben habe und zum anderen auch im TV aufgetreten bin.

Kathy:
Ein Song auf eurer Platte, auf den ich gern noch etwas näher eingehen möchte, ist „Heavenly Creatures“, angelehnt an den gleichnamigen Film von Peter Jackson, in dem zwei Mädchen die Mutter der einen mit einem Backstein erschlagen. Bist du denn auch mit den alten Filmen von Jackson vertraut wie „Bad Taste“ oder „Braindead“ (beides billige aber recht lustig anzusehende Splatterfilme, Anm. d. Verf.)?

Felix:
Oh, du kennst „Heavenly Creatures“, schön. Die anderen beiden, die du genannt hast, kenne ich zufällig auch (lacht), aber ich bin jetzt kein Cineast in dem Sinne, dass ich dir alle Werke von diesem Typen aufführen könnte. Ich muss aber sagen, ich war ganz überrascht als ich auf einmal gehört habe: Das ist der, der den „Herr der Ringe“ gemacht hat. Ich hab den Film noch nicht gelesen, nur das Buch gelesen, vor zehn Jahren oder so; ich wird mir den Streifen auch irgendwann noch ansehen...aber der Film „Heavenly Creatures“, der ist der Hammer. Eigentlich ist der Song zustande gekommen über zwei Mädels, die ich über die Homepage kenne und eben so, wie es immer ist, du schreibst ja keinen Song, weil du denkst: Oh, toller Film, jetzt schreib ich dazu was. Nein, es war eigentlich so ein komischer Querverweis, dass auf einmal zwei Mädels sich hier gemeldet haben, die ich nur virtuell von E-Mails und geschickten Bildern her kannte – und das sind eben halt zwei verrückte Hühner, die haben voll ihren Verstand verloren (lacht). Das war alles sehr spaßig und irgendwie hatte ich da plötzlich einen Bezug zu diesem Film „Heavenly Creatures“, eben diese beiden, die vielleicht auf dem Land wohnen – genau weiß ich’s ja nicht, ich kenne sie ja nicht persönlich – wo es vielleicht schwierig ist, als Schwarze rumzulaufen oder Dorfgespräch bist, ich weiß es nicht. Vielleicht sind’s ja auch verrückte Psycho-Schnecken, die irgendwann total ihren Verstand verlieren und das ganze Dorf plattmachen...oh, Miri (Felix’ Lebensgefährin, Anm. d. Verf.) macht grad so ne Handbewegung an der Schläfe und dreht ihren Zeigefinger (lacht). Nee, aber vielleicht sind’s auch die obercoolen Mädels, die halt einfach in einem blöden Umfeld leben und nicht so, wie das gerne würden. Aber in dem Film finden sich ja auch zwei Mädchen aus ganz unterschiedlichen Ecken, die sich ihre eigene Welt ein Stück weit erschaffen. Das war der Bezug – mehr ist es eigentlich nicht.

Kathy:
Was mich mal interessieren würde: Bei der CD-Listening-Session von Romans Band THE BLOODLINE warst du ja sehr von „The Breed“ angetan. Könntest du es dir vorstellen, auch mal Metal zu kreieren, inklusive Grunts?

Felix:
Ich könnte mir alles vorstellen, jetzt ohne Witz. Ich denke manchmal: Selbst wenn ich zum Schifferklavier singen würde, könnte ich das auf ein Album tun. Arg, nein, das klingt jetzt scheiße und arrogant – aber mich interessieren total viele Richtungen, gerade natürlich auch die von Roman verzerrten, elektronischen Sachen, die er da mit Metal vermischt. Wenn ich aber ein Album mache, dann muss das schon eine runde Sache sein, dass man nicht einen Ausreißersong hat, der was völlig anderes ist, Death Metal oder so was. Grundsätzlich hab ich zu dem Thema aber gar keine Bedenken – ich denke, was uns schon immer ein bisschen ausgemacht hat, ist die Vielseitigkeit. Also wenn du irgendwelche Death- und Black-Typen kennst, die gut sind: Probier ich gerne mal aus (lacht).

Kathy:
Hättest du in der Hinsicht auch Ambitionen, ohne Frank was auf die Beine zu stellen?

Felix:
Schwer zu sagen. Frank kenne ich seit Jahren, und bei ihm find ich das Gute, dass ich, egal was auch passieren mag, mich immer wieder mit ihm treffen und akustische Songs spielen würde. Wir haben da halt so einen Draht, so stressig ich ihn manchmal find, so sehr ich ihm oft in die Fresse hauen könnte. Das heißt jetzt allerdings nicht, dass ich nicht auch mal was machen würde, wo er nicht mit dabei ist, bin ja selber groß – ich könnte mir vorstellen, irgendwas zu machen, wo Roman Schönsee nichts mit zu tun hat oder John Fryer oder meine Mutter oder Miriam Krämer oder du oder...Miriam Krämer kuckt grade empört und stemmt die Faust in die Seite (lacht)... . Letztendlich denke ich aber, ich werde dann noch Musik machen, wenn die Welt um mich herum untergeht.

Kathy:
Neben der Musik bist du noch in viele andere Aktivitäten involviert: Fotografie, Schauspielerei (unlängst in dem Film „Children Of The Night II“ – Anm. d. Verf.), Vertonung der MARILYN MANSON-Autobiografie usw. Wie schaffst du es, das alles unter einen Hut zu bringen und dabei nicht völlig Amok zu laufen?

Felix:
Schwierig, gute Frage. Ich weiß nicht, manchmal denke ich auch, es wird mir alles zuviel, andererseits denke ich, OK, andere Leute fahren eine Woche in den Skiurlaub und dann drei Wochen nach Puerto Rico oder was weiß ich, alles Sachen die ich nicht kenne, weil ich nie weg kann, weil ich immer im Studio sitze. Manchmal denke ich auch, mein Leben könnte entspannter sein, ich könnte Miriam schwängern und zwei Kinder haben und würde dann jetzt so Sachen sagen wie: Das ist das Beste, was mir je im Leben wiederfahren ist. Aber bei mir ist eben das Hobby zum Beruf geworden, und eigentlich bin ich gar nicht so unglücklich darüber, dass ich einen ganz normalen, stressigen zehn bis zwölf Stunden-Job habe, weil der mich am Boden hält und ich jetzt nicht nur der Musiker bin. Die einzelnen Sachen sind ja auch ziemlich miteinander verwandt, d.h. ich mache ja ständig Fotos und Fotosessions, das sind dann Bilder, die im Booklet von uns landen oder auf einer Autogrammkarte oder wo auch immer, da ist keine Agentur beauftragt, das machen wir alles selber hier bei uns – Miri ist ja Grafikerin in einer Werbeagentur. OK, manchmal denk ich, ich würd auch gerne mal richtigen Urlaub machen, aber wir machen eben unser Ding, und vielleicht ist das letztendlich einfach cooler. „Children Of The Night II“ z.B.: Das war ein Wochenende, da fährst du fünf Stunden mit dem Auto hoch und die Leute sind obersympathisch. Wir haben ja auch nur eine relativ kurze Rolle, ich bin in diesem Rat der Vampire und Miriam klebt so an mir dran, wie das die Mädels halt immer so machen (lacht). Also, es war eine spaßige nette Geschichte, das sind halt so Sachen, auch die MASON-Geschichte, die du nebenbei machen kannst, wo du auch keine zwei Wochen mit je zwölf Stunden Arbeit am Tag bräuchtest. Es befriedigt auch ein Stück weit, vielleicht sogar mehr, als nun zwei Wochen am Strand zu liegen – wobei ich das eigentlich auch gern mal wieder machen würde (lacht). Viele Leute kennen mich außerdem gar nicht als Musiker, da merkst du, du bist noch nicht Gott geworden, aber ich arbeite dran (lacht).

Kathy:
Zum Ende würde ich nun gerne noch von dir wissen, was im Bezug auf 18 SUMMERS dieses Jahr bei euch noch ansteht, ist beispielsweise eine Tour geplant?

Felix:
Nee, eine Tour ist nicht geplant, neben dem Auftritt beim WGT wird es noch einen zweiten in Kassel geben, in der Zeit, in der die Dokumenta läuft, zusammen mit drei anderen Bands. Ansonsten gibt es noch keine weiteren Pläne, außer dass ich eben diese Interviewgeschichten und das ganze Drumherum am Start habe. Mir und Frank wäre es eigentlich am liebsten, dass wir, wenn das alles sich etwas gelegt hat, an neuen Songs arbeiten können oder dass ich an den Wochenende Leute zu Fotoshootings einladen kann... .

Redakteur:
Kathy Schütte

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