ACCEPT: Interview mit Wolf Hoffmann

17.01.2021 | 13:45

Am 29. Januar 2021 erscheint das neue Album "Too Mean To Die" von ACCEPT. Ich fand mich an einem sonnigen Herbsttag 2020 im Hamburger Hard Rock Cafe ein, um ein Gespräch mit Gitarrist und Bandleader Wolf Hoffmann zu führen.

Hallo Wolf. Ich habe im Zuge der Recherchen über ACCEPT auf eurer Webseite gelesen, dass ihr ein neues Management habt. Die Meldung kommt ja fast einer Sensation gleich, oder?

Ja, das stimmt sozusagen. Wir waren ja über vierzig Jahre quasi ein Familienbetrieb, wo meine Frau Gaby so ziemlich alle Zügel fest in der Hand hält. Es war aber nun an der Zeit, etwas zurück zu treten, daher haben wir uns schon seit einer Weile umgesehen, wer das Drumherum übernehmen könnte. Wir haben mit Antje [Lange - die Red.] jemanden gefunden. Es muss sich sicher noch alles etwas eingrooven, aber ich glaube, das funktioniert sehr gut. Wir haben auch neue Mitglieder in der Band, das bringt ebenfalls frischen Wind. So etwas braucht man ab und zu.

Kommen wir mal zum neuen Album "Too Mean To Die". Gibt es eine bestimmte Bedeutung des Albumtitels?

Nein... eigentlich doch. Im Zuge der aktuellen Entwicklung um den Corona-Virus wollten wir bewusst keinen Titel wählen, der damit zusammen hängt, inhaltlich etwa wie "wir müssen jetzt alle zusammen halten" oder "we are the world...". Nein, wir wollten einen Titel speziell für die Metaller wählen, der straight klingt. Ich habe tatsächlich gegoogelt, was "Unkraut vergeht nicht" übersetzt bedeutet. Herausgekommen ist eben "Too Mean To Die". Das passte irgendwie, daraufhin habe ich den Song geschrieben, der sich dann auch noch als Albumtitel anbot. Klingt powervoll, klingt nach Metal und passt ja dann doch irgendwie in diese Zeit - wir sind eben wie Unkraut, das nicht vergeht.

Bleiben wir mal bei diesem Thema. Die aktuelle Lage gibt es her, dass Tausende von Songtexten geschrieben werden. Wie sieht es bei euch aus? Konntet ihr die Corona-Geschichte schon lyrisch verarbeiten oder waren die Songs bei Ausbruch der Pandemie bereits im Kasten?

Wir haben die Thematik bewusst nicht eingebaut. Wir wussten, dass es eine Flut von Songs und Alben geben wird, die sich darauf beziehen. Ich denke, irgendwann wollen die Leute auch einfach nur wieder richtigen Metal hören, der sich nicht auf Corona bezieht. Wir haben insgesamt elf Songs, die über völlig unterschiedliche Themen geschrieben wurden. Es gibt keinen durchgehenden Faden, das machen wir ohnehin nie.

'Pandemic' habt ihr ja bereits geschrieben...

Richtig, vor einigen Jahren. Das wäre natürlich jetzt der passende Song gewesen, der die aktuelle Thematik beschreibt. Insofern haben wir die jetzige Zeit vorher gesehen.

Es gibt einen  Song auf dem Album, der nennt sich 'Zombie Apocalypse', da könnte man durchaus aktuellen Bezug herstellen.

Könnte man, dem ist aber nicht so. In diesem Falle hat Mark zunächst den Text geschrieben, ich habe dann den Song drum herum gebaut. Der Text ist eigentlich sehr lustig gedacht. Es geht um die vielen Leute, die mit ihren Smartphones in der Hand durch die Straßen laufen, wie Zombies eben. Leute, die von dem Gerät abhängig sind und die sich wie gesteuerte Roboter durch die Gegend bewegen. Mit solchen Texten beschäftigt sich Mark öfter, neue technische Entwicklungen sind ihm oft zuwider. Im weitesten Sinne ist der Song eine Fortführung von 'Analog Man'.

Bei der Halbballade 'The Best Is Yet To Come' habe ich das Gefühl, in dem Song schwingt eine Portion Hoffnung mit.

Ja, das stimmt. Und es ist auch genau so gedacht. Das Thema entspricht meiner Lebensphilosophie. Es gibt im Leben eines Menschen so viele Ups and Downs und in meinem Falle habe ich immer das Gefühl, da geht noch was. Das Beste kommt noch. Was die Band angeht, will ich damit sagen: Die besten Songs von ACCEPT sind noch nicht geschrieben und die besten Gigs noch nicht gespielt. Es geht immer noch weiter nach vorn. Ich bin halt nicht der Typ, der immer sagt, dass früher alles besser war. Es gibt ja viele Leute, die in der Vergangenheit kramen. Von den "goldenen Achtzigern" ist dann immer die Rede. Das ist nicht so mein Ding, ich schaue immer nach vorn.

Wie viele andere Bands (DEEP PURPLE, SCORPIONS, UFO...) hat auch ACCEPT in Japan einen Legendenstatus. Wie die anderen Bands auch habt ihr dort euer Live-Album aufgenommen. Jetzt seid ihr wieder in Japan, und zwar für zwei "Night To Remember"-Konzerte [inzwischen verschoben auf Dezember 2021 - die Red.]. Spürt ihr immer noch die Euphorie der Japaner für den Metal oder ist das im Laufe der letzten Jahrzehnte abgeflacht? Wie schätzt du die Szene vor Ort ein? Gibt es noch junge Bands, die heutzutage in Japan erfolgreich werden können?

Es ist definitiv nicht mehr so wie in den Achtzigern, es hat nachgelassen. Das liegt auch daran, dass die Japaner irgendwann ihre eigenen Künstler für sich entdeckt haben. Früher wurde jeder Musiker, der aus Europa oder den USA kam, als Superheld gefeiert, wir haben das in der Endphase noch mitbekommen. Es zeichnete sich aber damals bereits ab, dass auch die japanischen Bands immer populärer in ihrer Heimat wurden. Es ist ähnlich wie hier in Deutschland. Ende der Siebziger gab es kaum Bands oder Künstler, die Rock- oder Popmusik mit deutschen Texten gemacht haben, alles kam irgendwie aus Großbritannien oder USA. Das hat sich dann Anfang der Achtziger ziemlich geändert. Dennoch gibt es in Japan immer noch viele Heavy-Metal-Fans, die sehr loyal sind und sich vor allem sehr gut mit der Materie auskennen. Die hören bei der Musik ganz genau hin und wissen zudem alles über die Bands.

Wieder zurück zum Album, speziell zu 'The Undertaker'. Dieser Song ist sehr dramaturgisch aufgebaut, mit vielen Fragmenten gespickt. Eine gute Wahl, diesen Song als Videotrack zu nehmen, wie ich finde.

Das ist einer der speziellen Songs, wo Mark zuerst den Text geschrieben hat und ich dann einen Song drum herum gebaut habe. Mark hat die Story wie ein Gedicht geschrieben, ohne eine bestimmte Musik dazu im Kopf zu haben. Ich denke, er hätte sich bestimmt auch einen völlig anderen Song dazu vorgestellt. Mir war klar, dass es ein etwas düsterer Song wird. Denn wenn es um den Undertaker geht, kannst du keinen Gute-Laune-Song bringen.

Ihr habt euch wieder für Andy Sneap als Produzenten entschieden. Ist da so etwas wie ein Team heran gewachsen?

Absolut. Wir sind ja seit der "Blood Of The Nations" zusammen, das ist ja nun auch schon wieder zehn Jahre her. Seitdem sind wir nicht mehr auf die Idee gekommen, mit einem anderen Produzenten zu arbeiten. Komischerweise hat die Corona-Pandemie auch etwas Gutes. Da Andy ja mittlerweile bei JUDAS PRIEST Gitarre spielt, wäre er ja auf diversen Festivals unterwegs gewesen und hätte gar keine Zeit für unser Album gehabt. Aber da Corona-bedingt die Live-Konzerte ausfielen, konnte er für uns das Album fertig stellen. Was im Endeffekt dann alles mit digitaler Kommunikation funktionieren musste. Wir hatten ja vor Beginn der Pandemie bereits eine Hälfte im Kasten. Andy konnte aber aufgrund der Reiseeinschränkungen nicht mehr zurück in die USA, daher stand alles auf der Kippe. Am Ende hat er es aber doch geschafft, alles fertig zu bekommen.

Ihr habt euch aktuell ja mit einem dritten Gitarristen verstärkt.

Ja, der Phil aus Nashville, er ist ein Kumpel von unserem Drummer. Phil ist bei unserer Klassik-Tour im letzten Jahr dabei gewesen, als Uwe Lulis nicht konnte. Ist ein super Typ, ich verstehe mich auch auf der Bühne prächtig mit ihm. Es wäre schade gewesen, ihn wieder nach Hause zu schicken. Es wird nun so sein, dass Uwe sich hauptsächlich auf die Rhythmusgeschichten konzentriert und Phil und ich die Solos übernehmen. Jetzt sind wir in der Lage, auch mal Overdubs live einzubauen, was mit zwei Gitarren bisher nicht möglich war. Wir haben bereits ein paar Shows in der Konstellation gespielt und es war super. Ich war ganz überrascht, wie gut das funktioniert.

Eigentlich frage ich zum Schluss gern nach den Tourplänen, aber im Moment liegt ja alles brach..

Es ist das erste Mal, dass wir ein Album heraus bringen, ohne dass wir im Anschluss auf Tour gehen. Ich hab im Moment keine Ahnung, wie unsere Fans damit klar kommen. Es ist eine sehr schwierige Situation für uns alle.

Redakteur:
Frank Wilkens

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