AHAB: Interview mit Cornelius Althammer

13.01.2023 | 23:02

Wenn ein Interview mit AHAB ansteht, taucht man nicht nur unter die Oberfläche des Meeres hinab, sondern auch in die späten Abendstunden. Schlagzeuger Cornelius Althammer bedient an diesem Abend unter anderem die amerikanischen Kollegen, das Interesse an der Rückkehr der deutschen Nautik-Doomer ist nicht nur hierzulande riesig.

Schön, dass wir uns heute Abend sprechen können. Du übernimmst einige Interviews, die eigentlich euer Gitarrist Christian Hector machen wollte. Ist Presse-mäßig mehr los als früher?

Nein, das kann man so nicht unbedingt sagen. Es sind sehr viele Interviews, das war aber auch bei den letzten Platten schon so. Zumindest vor sechs Jahren bei unserer letzten Scheibe.

Es sind sogar acht, wenn ich mich da nicht gerade irre. "The Boats Of The Glenn Carrig" ist aus dem Jahr 2015.

Oh ja fuck, stimmt! Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Was habt ihr denn so lange getrieben?

Du, die anderen haben in der Zeit fünf Kinder gemacht. Und dann kam Corona. Man muss halt auch sagen, dass die Pause nötig war. Ich war nach dem letzten Album so ein Fan von uns selber, dass ich irgendwie skeptisch war, dass wir noch einmal so gutes Material schreiben würden. Wir mussten einfach unsere kreativen Akkus etwas aufladen, was sich aus meiner Sicht total gelohnt hat. Stilistisch liegt mir das neue Album noch mehr als "The Boats Of The Glenn Carrig". Andere Bands haben vielleicht das Pech, dass sich nach so einer langen Zeit keiner mehr für sie interessiert. Wir hatten das wahnsinnige Glück, dass unsere Fans sofort wieder da waren, sobald wir Konzerte gespielt oder etwas rausgebracht haben. Da ist man schon sehr privilegiert!

Das mit den Batterien kann ich gut nachvollziehen. Auch wenn euer neues Album schon anders klingt als sein Vorgänger, bedient ihr mit eurem Nautik Doom eine sehr spezielle Nische. Engt euch dieses Label in eurer Kreativität ein? Fühlt ihr euch der Vergangenheit sehr verpflichtet?

Das ist wohl die große Frage. Wir fühlen uns nicht eingeengt, es ist eher das Problem, geeignetes Material zu finden, aus dem wir dann Musik machen. Wer den Disney-Film kennt, wird keine Gemeinsamkeit mit unserer Musik finden können. Das ist dann die Kunst, die ganzen Heavy-Elemente zu finden, die wir brauchen. Im Fall von "20.000 Meilen unter dem Meer" haben wir schon vor der letzten Platte, vielleicht sogar schon vor der davor gesprochen, weil es so naheliegend ist. Jetzt hat sich eben eine musikalische Umsetzung ergeben, mit der wir uns alle wohlfühlen. Es ist ein Prozess. Ich kann dir auch sagen, dass wi runs vor zwölf Jahren im Tourbus darüber unterhalten, wie es wäre, "Das Boot" zu vertonen (er summt die Melodie). Dann muss man an unsere technische Ausstattung denken: Das Zeug, auf dem ich rumhaue, die Gitarreneffekte, die die Gitarristen benutzen. Das sind alles keine Klänge, die man in einem U-Boot hören könnte. Schon eher in einem hölzernen Schiff. Eventuell sind wir in fünf, sechs Jahren beim nächsten, oder hoffentlich übernächsten Album dann soweit, dass wir einen Sound für die U-Boot Geschichte gefunden haben. Das kann immer passieren. Insofern fühlen wir uns nicht eingeengt, sondern herausgefordert, etwas Geiles zu machen.

Damit beantwortest du teilweise schon meine nächste Frage. Mich würde interessieren, ob für euch immer das Konzept zuerst kommen muss. Oder schreibt ihr manchmal auch Songs, die erst einmal keinen Inhalt haben?

Es passiert mal, dass irgendwo ein cooles Riff oder eine coole Melodie entsteht. Aber daran arbeiten wir nicht systematisch. Das landet auf einem Stapel und später schauen wir, ob wir es gebrauchen können. Richtig komponieren tun wir erst, wenn die Vorlage klar ist. Dann ist es auch leichter, sich beeinflussen zu lassen. Jeder mit einem Glas Wein in der Hand und der Gitarre im Schoß. Die Inspiration muss dann noch kommen, aber die literarische Vorlage macht es einfacher.

Wie geht es dann weiter? Werden Demos eingespielt oder trefft ihr euch einfach so im Proberaum?

Zu 99% ist es Daniel, der mit Ideen ankommt. Musikalisch ist er eigentlich AHAB. Christian kümmert sich eher um die literarische Vorlage und schreibt die Texte. Meistens nimmt Daniel Riffs und Ideen auf, die er in die Dropbox stellt. Vor der nächsten Probe sollte man sich also mal damit beschäftigen und wir schauen, was passiert.

Wenn wir mal zum Album an sich zurückkommen. Ich finde "The Coral Tombs" sehr abwechslungsreich. Kommt das davon, dass ihr an so vielen einzelnen Ideen arbeitet? Seht ihr das selbst auch so?

Das ist unglaublich schwierig zu beantworten. Wir nehmen natürlich im Proberaum alles auf und ich mische diese "Demos" dann zuhause und verteile sie an die Band. Wenn noch etwas für einen bestimmten Song fehlt, können wi runs so darüber austauschen. Meistens fragt jemand Daniel, er solle doch etwas in diese oder jene Richtung spielen. In den allermeisten Fällen hat er auch nach spätestens drei Minuten etwas gefunden, das geil klingt.

Und ich finde, das hört man! So ein Song kann nicht einfach zehn Minuten nur in eine Richtung vor sich hin mäandern. Klar gibt es Bands, die genau das machen, bei denen steige ich aber schnell aus. "Wirkungs-Doom" ist nicht so mein Ding.

Ja genau. So Musik, die man auf dem Konzert super findet, aber die Schallplatte läuft dann vielleicht noch zwei Mal. So einen Ansatz haben wir natürlich nicht. Ich sage immer, wir betreiben mit AHAB Selbstbefriedigung in höchstem Maße. Wer dann A sagt, muss auch B machen. Da wir alle sehr anspruchsvoll sind bei der Musik, die wir so hören, wollen wir das bei unserer eigenen Musik natürlich auch haben.

Für eure Selbstbefriedigung braucht ihr ganz schön lange. Euer kürzester Song hat ungefähr sechs Minuten, zehn sind eher die Regel. Das Album dann 60-70. Mögt ihr keine kurzen Songs?

Doch schon. Ich höre zum Beispiel unheimlich viel Grindcore. Aber nicht mögen stimmt auch nicht, es funktioniert einfach nicht. Bei unserer Musik hast du gerade mal das erste Riff vorgestellt wenn zwei, drei Minuten rum sind. Das würde höchstens als instrumentales Zwischenstück funktionieren, aber nicht als richtiger Song, der sich auch entwickelt.

Insofern habt ihr es nicht leicht bei der Auskopplung der Vorab-Singles. Es freut mich natürlich, wenn de langen Songs auch da gut ankommen.

Das stimmt schon. Die Auskopplung des ersten Songs fand ich persönlich eher lustig, denn da stellen wir eigentlich nur Motive vor, spielen Akkorde. Aber eben keine handfesten Riffs. Kam aber trotzdem gut an, auch wenn ich nicht weiß, was sich die Jungs dabei gedacht haben.

Insgesamt haben wir es mit einem deutlich anders klingenden Album zu tun, eben kein Easy Listening. Der Vorgänger war nicht nur vom Cover her "bunter".

Ja, da gehe ich absolut mit. Wobei wir uns nicht vornehmen, "so" oder "so" ein Album zu machen.Beim Schreiben des Albums gab es aber eine ausgesprochen große Lust auf fiese Riffs, die wir zuletzt nicht hatten. Vielleicht war es so halb-bewusst, das neue Album so fies zu machen.

Hat auf jeden Fall funktioniert!

Ich bin auch sehr zufrieden, obwohl ich die "Boats..." sehr sehr liebe. Stilistisch liegt mir die neue etwas mehr. Für eine endgültige Einschätzung brauche aber noch ein paar Jahre.

Sie ist ja auch noch ganz frisch. Ändert sich dein Verhältnis dazu wenn ihr es live hundert Mal durchgenudelt habt?

Wahrscheinlich schon, obwohl wir ja bereits zwei neue Nummern gespielt haben. Die haben mörderisch viel Spaß gemacht! Echt richtig cool. Auf der Platte sind deutlich mehr live-taugliche Songs als auf allen Alben zuvor,glaube ich.

Ich möchte noch über das Artwork sprechen. Es zeichnet wieder Sebastian Jerke verantwortlich für das tolle Cover. Was hattet ihr ihm mit auf den Weg gegeben?

Glücklicherweise halte ich mich beim Cover immer raus, sodass die anderen zu dritt auch gut abstimmen können. Ich wusste schon, dass er etwas geiles zeichnen würde. Die düstere Farbwahl ist auf Christian Hectors Mist gewachsen. Als monochromer Gegenpol zum letzten Album sozusagen. Er ist wirklich ein geiler Typ, der da richtig viele Ideen investiert.

Mit dem großartigen Cover können wir das Gespräch abschließen. Ich wünsche euch viel Spaß auf der kommenden Tour und mit dem Album. Bis zur nächsten Platte in hoffentlich weniger als acht Jahren!

Ich sag's dir, wehe es dauert wieder so lange!

 

Foto-Credit: Stefan Heilemann

Redakteur:
Nils Macher
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