ALTERED AEON: Interview mit Henrik Ohlsson

14.02.2005 | 00:33

Bei meiner Rezi zu "Dispiritism", dem ersten Album der progressiven Deather ALTERED AEON, bin ich ziemlich überrascht worden. Ich hätte nicht gedacht, dass außer DEATH themself jemand dermaßen packend unterhalten kann, obwohl man sich vor Vertracktheit fast selbst ein Bein stellt. Mann oh Mann, hammerharte Scheibe mit jeder Menge Ideen, Haken und Ösen. So viele, dass man "Dispiritism" einige Male genießen darf, bevor sich einem das gesamte Spektrum der Nordlichter erschließt. Einzelne Songs auf diesem Thrash/Death-Prog-Genickschuß herauszuheben ist demnach auch ziemlich schwierig, für mich sogar unmöglich. Mein Gesprächspartner Henrik, seines Zeichens Kesselkiller der Schweden, hat ein ganz ähnliches Problem: "Ich denke, um einen Eindruck vom Machbaren zu gewinnen, von all dem was ALTERED AEON ausmacht, muss man einfach das gesamte Album hören. Ich für meinen Teil favorisiere 'Resonance Of Form In Transition'. Ich denke, dieser Track beinhaltet viel vom Geist ALTERED AEONs, ihrer Ideen und ihrer Ausstrahlungskraft." Definitiv ein geiler Track, den ich reviewtechnisch ebenfalls gesondert hervorgehoben habe. Das Gesamtpacket ist aber definitiv noch üppiger und sättigender, wobei mir Henrik zu einhundert Prozent zustimmt. "Ja, wir sind vollauf zufrieden mit der produktionstechnischen Seite von "Dispiritism". In jedem anderen Bereich sicherlich auch, jedoch wirst du retrospektiv immer Dinge finden, die du ändern würdest. Ein perfektes Album wirst du für dich niemals hinbekommen. Nicht eines, das allen deinen Ansprüchen gerecht wird. Und das ist verdammt gut so. Würdest du nämlich ein wirklich perfektes hinkriegen, ginge dir dein Antrieb verloren, Verbesserungen zu forcieren. Schlussendlich Stagnation!" Ich glaube nicht, dass ALTERED AEON in ihrem Genre, das ja keinerlei Grenzen kennt, Gefahr laufen zu stagnieren. Und wieder spreche ich dem Drummer aus der Seele: "Da gebe ich dir Recht. Ich denke, es gibt keine Band, die wie ALTERED AEON klingt. Das liegt daran, dass wir unsere Regeln selbst brechen wie es uns beliebt. Wir benutzen viele Elemente aus dem Thrash, verwenden aber auch mehr als genug aus jedem anderen Genre. Auch Fusion Jazz und ähnliches zähle ich dazu."

Mich interessiert vor allem der Entstehungsprozess solcher brachial vertrackten Songs. Wie kann man nur so etwas schreiben? Henrik hat das Wort: "Die Albumsongs stammen alle von mir und ich schreibe meine Sachen eigentlich immer für mich, mit meiner Gitarre in der Hand. Wenn mir ein anständiges Riff aus den Gelenken rutscht nehme ich üblicherweise die Drums auf und probiere die Klampfenparts erst mal mit Takten aus. Wenn sich das Ganze gut anfühlt nehme ich auch den Bass und eventuelle Leads auf und präsentiere den Song (oder das Arrangement) den anderen Bandmitgliedern. Wenn sie das Gefühl haben, dass sich irgendetwas beißt, dann gehen wir den Song noch mal gemeinsam an. Üblicherweise müssen wir aber nicht so viel ändern." Das nächste was mir in den Kopf schießt, wenn ich an die Recordingsessions denke, sind blank liegende Nerven und verknotete Finger. "Och", beginnt der Schwede, "wir waren eigentlich nie gemeinsam im Studio und hatten auch keinen großen Druck. Wir sind hingefahren, haben unsere Takes eingeknüppelt und sind wieder heimgefahren. Sänger Kjell und ich wurden gleichzeitig, während der Aufnahmen von "Dispiritism", Vater, so dass wir eigentlich gezwungen waren einzeln aufzunehmen und so gar keine Parties und Saufgelage entstehen konnten. Ruhe zwischen dem jeweiligen Sturm sozusagen." Einem Sturm, den die Progmetzger auch lyrisch Ausdruck verleihen. "Die Texte basieren eigentlich alle auf Okkultismus," berichtet Henrik. "Bis auf 'Dispirited Chambers' und 'Resonance of Form in Transition', die vom Ausbruch aus dem mentalen Käfig des Alltags handeln. Ansonsten gibt es fehlgeschlagene Horror-Versuche, Gedankenmanifestationen, die nicht gut ausgehen und so weiter und so fort." Düstere Geschichten also, denen ein wirklich geschmackvolles Coverartwork designt wurde. "Ja, sehen wir auch so," stellt Henrik fest. "Der Designer heißt Pär Johansson von PJ Illustrations. Er hat bereits für TORCHBEARER, SCAR SYMMETRY and THY PRIMORDIAL gearbeitet. Pär ist ebenfalls Musiker und weiß worauf es ankommt."

Auf die Frage hin, wie denn die internationale Presselandschaft auf "Dispiritism" reagiert hat, antwortet Henrik zufrieden: "Es läuft wirklich sehr gut. Wir haben in den letzten Wochen massenhaft Feedback erhalten und es ist einfach wunderbar zu sehen, dass so viele Menschen das Album mögen, obwohl es ja wirklich sehr harte Musik ist. Ich dachte zumindest nicht wirklich, dass es einen solch großen Markt für technischen Metal gibt. Momentan sind wir denn auch eifrig am booken und planen Gigs ohne Ende. Es sind zwar noch keine festen Daten spruchreif, es ist aber sicher, dass wir auf eine Tour gehen werden. Und auf unseren Gigs verspreche ich euch Blut, Schweiß und Feuer. Das ist im Moment alles, was du wissen musst, haha!" Nach soviel schweißtreibenden Vorankündigungen und vollmundigen Versprechungen ist abschließend der Mensch von Interesse, der sie ausspricht. Auf die Frage hin, wie sich Henrik selber beschreiben würde, antwortet der smarte Schwede jedoch absolut metallike: "Ich habe Familie und ich habe einen regulären Job, den wohl fast jeder Musiker haben muss um sich über Wasser zu halten. Ich hasse es, diesen Job zu haben und würde wie wohl alle meine Kollegen am liebsten nur Musik machen. Ich habe aber mittlerweile realisiert, dass die Chancen gering sind und auch immer geringer werden. Das ganze Musikbusiness scheint demnächst zu kollabieren. Ziel ist es also, die Dinge zum einen zu nehmen wie sie kommen und sie zum anderen bestmöglich für uns umzusetzen. Dazu brauchen wir die Hilfe unserer Fans. Ohne sie sind wir total am Arsch." Klasse Worte zum Schluss, auch wenn die allerletzten noch nicht gesprochen sind. Für die greift Henrik ganz tief in die Klassikerkiste: "Viele Grüße nach Deutschland, dem Vaterland des Heavy Metal! Dem Ort, an dem sich jede Band wünscht zu spielen. Cheerz, bis demnächst...besucht unsere Website http://www.alteredaeon.cjb.net !"

Redakteur:
Alex Straka

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