AMBER LIGHT, THE: Interview mit Jan Sydow

14.05.2008 | 11:05

THE AMBER LIGHT haben mit "Play" ein starkes, melancholisches Rockalbum eingespielt, was Kenner des progressiven Debüts "Goodbye To Dusk, Farewell To Dawn" ziemlich überraschen dürfte. Doch nach ein paar Durchläufen sollten auch diese von der Klasse von "Play" überzeugt sein. Gitarrist Jan Sydow nahm sich die Zeit, auf meine Fragen zu antworten.


Peter:
Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zu einem tollen, neuen Album. Ich könnte mir vorstellen, dass angesichts der deutlich geradlinigeren Ausrichtung die Reaktionen bisher etwas zwiespältig ausgefallen sind oder täusche ich mich da?

Jan:
Würde ich jetzt gar nicht mal sagen. Es gab schon bei der Veröffentlichung des Debütalbums zwiespältige Reaktionen. Man kann es eben nicht allen recht machen und auf der Stelle treten will man ja auch nicht.

Peter:
Auf "Goodbye To Dusk, Farewell To Dawn" habt ihr noch irre Sachen gemacht, wohingegen "Play" 'nur' ein Rock-Album ist. Wie kam der Sinneswandel?

Jan:
"Nur" ein Rock-Album? Klingt ja richtig abwertend (genau das sollten die Anführungszeichen vermeiden – PK). Ich finde es gar nicht mal so einfach "nur" ein gutes Rock-Album zu schreiben. Viele Leute unterschätzen leider oft einen klassischen Drei-Minuten-Song und meinen eine Komposition würde erst ab zwölf Minuten aufwärts anspruchsvoll und spannend werden. Das ist absoluter Blödsinn! Viele, die unsere erste Platte grandios fanden, bekommen schon das Kotzen, wenn sie allein die Spieldauer der einzelnen Songs des zweiten Albums sehen, ohne es überhaupt gehört zu haben. Nach dem Motto: "Wie, das längste Stück geht ja nur sechs Minuten. Ist das überhaupt noch THE AMBER LIGHT?!" Das sind Ansichten von dogmatischen Art-Rock-Nostalgikern.
Ich persönlich sehe es nicht als einen Sinneswandel an. Es war eine unterbewusste Weiterentwicklung. Wir wiederholen uns einfach ungern. Zwischen "Goodbye To Dusk, Farewell To Dawn" und "Play" liegen jetzt knapp vier Jahre. In einem so langen Zeitraum ist eine musikalische Weiterentwicklung eine logische Konsequenz. Es war nicht so, dass wir bewusst gesagt haben, das neue Album muss jetzt ganz anders klingen als sein Vorgänger. Wir schreiben einfach Songs wie sie uns gerade in den Kram passen, ohne einen Gedanken an die Reaktion Außenstehender zu verschwenden. Das schränkt die kreative Arbeit nur unnötig ein.

Peter:
Die Texte sind durchtränkt mit purer Melancholie. Wie traurig seid ihr tatsächlich? Was möchtet ihr mir über die Texte an sich erzählen?

Jan:
Wenn du schon so fragst, sind wir eher die traurigen, unscheinbaren, blassen Jungs von nebenan, die gemeinsam in einer Band Musik machen. Das spiegelt sich letztendlich auch in unseren Texten wieder. Bei den Texten legen wir viel Wert auf einen möglichst großen individuellen Interpretationsraum. Wir möchten sie ungern erklären, sondern sie lieber auf den Hörer wirken lassen. So hat jeder die Möglichkeit sich seine eigene Geschichte daraus zu basteln.

Peter:
Ihr seid einer der ersten Signings auf Superball Music. Was hat euch daran gereizt bei einem so jungen Label unter Vertrag zu sein?

Jan:
Es gab einige Gespräche mit unterschiedlichen Plattenfirmen, die großes Interesse an einer gemeinsamen Zusammenarbeit hatten, nur leider waren deren Bedingungen oftmals erschreckend. Uns war es sehr wichtig eine Plattenfirma zu finden, die neben absatzorientiertem Denken auch hinter unserer Musik steht. Wir wollten ein Label auf langfristige Sicht, dass an den Künstler glaubt, den Mut und auch das Budget hat, ihn über einen längeren Zeitraum zu fördern. Mit Superball Music haben wir so eine Plattenfirma gefunden, sodass die Entscheidung uns nicht schwer fiel.

Peter:
Ihr habt ein paar Gigs mit WIR SIND HELDEN und OCEANSIZE gespielt. Das Publikum dürfte unterschiedlicher kaum sein. Wo seid ihr denn besser angekommen?

Jan:
Mit OCEANSIZE haben wir nur sehr wenige Konzerte gespielt. Deren Publikum war eher etwas verhalten. Ich würde sagen, dass das HELDEN-Publikum uns schon euphorischer aufgenommen hat.

Peter:
Spielt ihr dabei eigentlich auch Songs der Marke 'Gangsters' oder 'New Day'? Und wenn ja, wie reagieren die Fans darauf? Oder passen solche Songs einfach nicht mehr zu eurem neuen Selbst?

Jan:
Unserer letzten Konzerte waren alle im Vorprogramm anderer Bands. Wir hatten dementsprechend nur begrenzte Spielzeit und haben deshalb den Schwerpunkt auf die neuen Songs gelegt. Wenn wir demnächst wieder alleine Konzerte geben, werden wir aber selbstverständlich auch ältere Songs spielen.

Peter:
Jetzt geht es mit ...AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD auf Reise, die ja noch mal eine andere Ecke anziehen dürften. Was erwartet ihr von der Tour?

Jan:
Wir lassen uns da überraschen. Man sollte nicht mit zu hohen Erwartungen an eine Tour rangehen, sonst ist man am Ende doch nur enttäuscht. Natürlich freuen wir uns schon riesig auf die Konzerte mit ...TRAIL OF DEAD, dennoch betrachtet man mit der Zeit alles etwas gelassener.

Peter:
Gibt es noch weitere Tourpläne oder soll es das erstmal gewesen sein?

Jan:
Im Herbst/Winter 2008 wollen wir definitiv ausgiebig touren. Die ersten Konzerte sind auch schon bestätigt. Genauere Termine werden aber erst in Kürze bekannt gegeben. Wir stecken noch mitten in der Planung.

Peter:
Louis hat auf dem Debüt auch ein bisschen auf Italienisch gesungen. Könnt ihr euch vorstellen das Stilmittel noch mal zu verwenden?

Jan:
Auf jeden Fall. Wenn es uns wieder überkommt, gibt es auch einen Song auf Italienisch.

Peter:
In meiner Rezension empfehle ich "Play" Freunden von BLACKFIELD, COLDPLAY und PLACEBO. Könnt ihr damit leben oder seht ihr euch da total falsch eingeordnet?

Jan:
Ich kann damit schon leben. Vergleiche mit anderen Bands wird es immer geben, obwohl ich überrascht bin, dass unsere Musik so oft mit MUSE oder PLACEBO verglichen wird - Gruppen, die uns überhaupt nicht beeinflusst haben.

Peter:
Wenn ihr Jemandem eure Musik mit nur einem Satz schmackhaft machen müsstet, wie würde der lauten?

Jan:
Schwierig! In solchen Dingen sind wir dann doch etwas unbeholfen. Es fällt uns schon schwer, unsere eigene Musik zu kategorisieren. Ich finde "Popmusik der experimentierfreudigen Art" wird der Sache schon gerecht, obwohl es schon sehr überzogen klingt. Am Ende muss die Musik überzeugen.

Peter:
Ihr habt schon mit einigen großen Bands wie ARCHIVE, MARILLION oder NEW MODEL ARMY die Bühne geteilt. Welche dieser Bands hat euch am meisten beeindruckt und warum?

Jan:
Wir haben uns mit den meisten Bands recht gut verstanden, bis auf die eine oder andere Ausnahme. Ich wüsste jetzt aber nicht genau zu sagen, welche mich am meisten beeindruckt hat. Ich denke mal, die Tour mit ARCHIVE lief schon sehr gut, auf musikalischer und menschlicher Ebene. Das sind die entspanntesten Typen, die ich in der Musiklandschaft bis jetzt getroffen habe. MARILLION waren auch sehr nett.

Peter:
Warum ist weder Robert Fischer noch Peter Ederer euer fester Schlagzeuger? Robert geht immerhin mit euch auf Tour und spielt auch auf dem Album, während Peter bei allen Veröffentlichungen bisher dabei war. Könnt ihr euch bloß nicht zwischen den beiden entscheiden?

Jan:
Das liegt nicht wirklich an uns. Die beiden sind es, die sich nicht entscheiden können... Nein, im Ernst. Peter war fast fünf Jahre fester Schlagzeuger bei THE AMBER LIGHT, verließ aber kurz vor den Aufnahmen zu "Play" die Band, um sich gänzlich seinem Studium zu widmen. Er konnte definitiv nicht mehr so viel Zeit in die Band stecken, deshalb hat man sich in Freundschaft voneinander getrennt.
Mit Robert haben wir einen gleichwertigen Nachfolger gefunden. Einen Nachfolger, der aber auch aktiv mit anderen Bands sehr viel Musik macht, viel unterwegs ist und dementsprechend zeitlich sehr begrenzt ist. Um weiterhin regelmäßige Studio- und Konzerttermine wahrnehmen zu können, haben wir uns entschieden den Posten nicht mehr fest zu besetzen, sondern flexibel mit unterschiedlichen Schlagzeugern zu arbeiten. Das funktioniert erstaunlich gut.

Peter:
Zwischen der EP "Stranger & Strangers" war jetzt knapp drei Jahre Funkstille bei euch. Woran lag es, dass ihr so lange Pause gemacht habt?

Jan:
Wir haben eigentlich keine Pause gemacht. Als die EP "Stranger & Strangers" veröffentlicht wurde, waren wir erst mal ein knappes Jahr unterwegs und haben Konzerte gegeben, bevor neue Songs geschrieben werden konnten. Nachdem wir dann "Play" endlich aufgenommen und gemischt hatten, ging die Suche nach einer geeigneten Plattenfirma los. Das hat am meisten Zeit in Anspruch genommen. Das Album ist eigentlich schon seit über einem Jahr fertig.

Peter:
Habt ihr aus der Zeit noch Songs übrig, so dass es bis zum nächsten Album dann etwas schneller geht?

Jan:
Von den Aufnahmen zu "Play" sind noch ein paar Songs übrig. Ich glaube aber nicht, dass sie auf das nächste Album kommen werden, da sie in unseren Augen nicht stark genug sind. Vielleicht werden sie irgendwann mal als Single B-Seiten veröffentlicht oder sie verschwinden gänzlich in einer Schublade und werden nie wieder rausgeholt. Mal sehen.

Peter:
Jan, danke für das Interview!

Redakteur:
Peter Kubaschk

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