AMORAL: Interview mit Ben Varon

01.01.1970 | 01:00

Wer DEATH immer noch die eine oder andere Träne nachweint, auf der anderen Seite auf brutale Deathshouts steht, kommt an AMORALs Debüt “Wound Creations” nicht vorbei. Frickel-Death auf hohem Niveau mit genialen Groove-Elementen und Corpsegrinder-Vocals, so würde ich die CD grob umschreiben. Zwar war Gitarrist Ben ein bisschen wortkarg, so wie es sich für einen richtigen Finnen gehört, was aber auch an seiner aufkommenden Grippe gelegen haben könnte. Trotz dieses Handicaps stand er meinen Fragen Rede und Antwort, und entlarvte sich als beinharter SEPULTURA-Fan, ließ einen Ausblick auf das neue Album zu und könnte nach diesem Interview als heißer Kandidat für den Posten als Pressesprecher bei Spinefarm Records gehandelt werden.


Tolga:
Als erstes wollte ich euch für euer Album beglückwünschen! Was mir am meisten gefallen hat, war, wie ihr die Komplexität von DEATH mit Melodic Death kombiniert habt. Welche Einflüsse, außer die von DEATH, spielen auf dem Album eine tragende Rolle?

Ben:
Wir haben versucht verschiedene Stile miteinander zu kombinieren, so dass es sich nicht nach einer speziellen Band anhört. Es sind verschiedene Einflüsse drauf vertreten, unser Drummer steht mehr auf Death Metal, ich hingegen bin eher ein fanatischer Metaller. Wir alle sind hingegen von DEATH, OPETH, SEPULTURA begeistert!

Tolga:
Die alten Sachen von SEPULTURA?

Ben:
Yeah. Wir haben auch einige Songs vom “Arise”-Album schon live gespielt.

Tolga:
Das Album gefällt mir auch am meisten.

Ben:
Ja, es ist ein fantastisches Album. Jeder Song ist cool!

Tolga:
Was kannst du mir über euren Sänger Niko erzählen? Meiner Meinung nach hat er eine gemeine Death-Stimme und hört sich an wie L.G. Petrov von ENTOMBED, Chris Barnes und der Corpsegrinder.

Ben:
Er ist ein großer Fan vom Corpsegrinder, was einiges erklären dürfte.

Tolga:
Das kann aber nicht erklären, warum er eine so gemeine Stimme hat.

Ben:
Exakt! Ich wusste auch gar nicht, dass er auch singen kann, sondern kannte ihn nur als Gitarristen. Es rundet aber meiner Meinung nach den Gesamtsound gut ab.

Tolga:
Das stimmt. Es gibt der Musik einen gewissen brutalen Touch.

Ben:
Genau, sowohl die Stimme als auch der Sound orientiert sich am Death Metal, und auf der anderen Seite streuen wir gerne noch ein paar Melodien ein. Ich mag seine Stimme auch.

Tolga:
Es gibt eine Menge Geschichten über die Finnvox-Studios. Wie habt ihr euch gefühlt, als ihr euer Album dort aufgenommen habt?

Ben:
Wir haben’s dort nicht aufgenommen, sondern gemastert!

Tolga:
Okay, dann beschreib doch bitte wie ihr euch beim Mastern der Scheibe gefühlt habt?

Ben:
Es war schon cool, denn die Jungs dort sind echt professionell drauf. Das Mastern selbst hat vier bis fünf Stunden gedauert. Es war keine große Sache.

Tolga:
Dafür, dass es “keine große Sache” war, habt ihr einen wirklich guten und gemeinen Sound!

Ben:
Teile des Sounds wurden schon im Studio zusammengemischt. Trotzdem muss ich sagen, dass das Mastern recht professionell über die Bühne ging. Die Finnvox-Studios sind schon legendär und eine Menge genialer Alben sind dort aufgenommen oder remastert worden. Ansonsten kann ich dir nicht viel darüber erzählen, da ich dort nur ein paar Stunden verbracht hab (lacht).

Tolga:
Als ich den Namen Finnvox hörte, habe ich mir gedacht, dass die schon berühmt sind und das nicht nur in Europa.

Ben:
Es war nur Mikka (Jussila, d. Verf.) der an diesem Album gearbeitet hat. Er war für den Sound zuständig. Wir wollten im Vergleich zu anderen Bands einen speziellen Sound und ließen es gleich von Nino mixen.

Tolga:
Ein weiterer Punkt meiner Albumkritik ist, dass euer Album eine gute Alternative ist zu all den CDs, die nach Chuck Schuldiners (DEATH) Tod posthum veröffentlicht werden. Welche Gefühle hattet ihr, als ihr gehört habt, dass Chuck Schuldiner gestorben ist und welche Beziehung habt ihr zur Musik von DEATH?

Ben:
Wir waren große Fans von DEATH, vor allem das technische Zeugs. “Symbolic” ist meine absolute Lieblingsscheibe. “Individual Thought Patterns” ist auch ein sehr gutes Album. Ich bin kein großer Fan der ersten drei eher brutalen Alben von DEATH!

Tolga:
“Leprosy” ist doch net schlecht, oder?

Ben:
Yeah, kann man lassen.

Tolga:
“Spiritual Healing”?

Ben:
“Spiritual Healing” ist großartig!

Tolga:
Ich hab das Album noch auf Platte und es ist schon cool.

Ben:
Ja, vor allem das Albumcover ist echt cool! Trotzdem stehen wir mehr auf das technische Zeugs.

Tolga:
Wie “Human”?

Ben:
Ja, genau. “Human”, “Symbolic”. Genau solche Alben. Es war schon traurig, aber auf der anderen Seite war's keine Überraschung, da jeder wusste, wie schlecht es um ihn bestellt war.

Tolga:
Das war schon sehr traurig.

Ben:
Ja, aber es ist schon cool, denn hier in Finnland findet alljährlich ein Tributkonzert für Chuck statt.

Tolga:
Nach seinem Tod gab’s ja einige Tributkonzerte in den Staaten, ich wusste aber nicht, dass es solche Konzerte für Chuck auch in Finnland gibt.

Ben:
Ja, das fing im selben Jahr an, als Chuck gestorben ist und findet nun alljährlich statt. Viele einheimische große Bands treten dort auf und spielen DEATH-Material.

Tolga:
Welche Bands spielen auf dem Festival?

Ben:
Ich weiß nicht, ob du sie kennst, z. B. DIABLO.

Tolga:
Ich kenn sie vom Namen her.

Ben:
Die sind hier in Finnland recht bekannt. Sie spielen quasi jedes Jahr auf dem Festival. Man kann schon sagen, dass sie die größten DEATH-Fans überhaupt sind.
Ich kann mich nicht mehr so gut dran erinnern, wer dieses Jahr auf dem Festival gespielt hat, aber NORTHER waren eine davon. Ansonsten ist die Bandauswahl breit gefächert und jede möchte DEATH ihren Tribut zollen.

Tolga:
Als nächstes würde ich gerne auf euren Musikstil zu sprechen kommen. Besonders die komplexen Nummern wie ‘The Last Round’ und ‘Nothing Daunted’ sind meiner Meinung nach die besten auf der CD. War es einfacher für euch diese langen, komplexen Songs zu komponieren oder die “Shorties”?

Ben:
Hm, das kann ich dir wirklich nicht sagen, wir haben darüber nicht so nachgedacht. Es entwickelte sich in diese Richtung, als wir die Songs komponierten. Die kurzen Nummern hatten eh schon genug Power, da mussten wir nicht noch mehr Breaks hinzufügen. Bei ‘The Last Round’ und ‘Nothing Daunted’ waren wir selbst verwundert, als sie die Acht-Minuten-Grenze überschritten hatten.

Tolga:
Die Stücke sind auf jeden Fall echt cool!

Ben:
Manche Leute mögen sie, andere wiederum sind der Meinung, dass dies die schwächsten Stücke des Albums und viel zu lang geraten sind. Ich denke aber nicht, dass wir soviel langes Zeugs auf dem Nächsten haben werden.

Tolga:
Ihr arbeitet gerade am nächsten Album?

Ben:
Yeah, wir haben schon ein paar neue Songs fertig. Die sind im Schnitt vier bis fünf Minuten lang.

Tolga:
Die meisten Tracks auf “Wound Creations” bewegen sich ja auch im Rahmen von vier bis fünf Minuten, bis auf die zwei die ich angesprochen habe, die die Acht-Minuten-Marke überschreiten.
(Plötzlich ertönt eine Geburtstagsmelodie im Hintergrund und Ben erzählt mir, dass er Geburtstag hat und ein paar Leute mit einer Geburtstagstorte in der Hand sein Zimmer stürmen. Ferner haben sie das Licht auch noch aus gemacht und Ben erklärt seinen Kumpels auf finnisch, dass er gerade ein Telefoninterview führt und deshalb nicht gestört werden möchte.)

Ben:
Sorry, die haben das Licht ausgemacht und sind mit Kerzen ins Zimmer gestürmt!

Tolga:
Um nochmal auf die CD zurück zu kommen, das Instrumental ‘Languor Passage’ gehört zu einem meiner absoluten Lieblings-Tracks. Wer hat denn das Instrumental komponiert und stellt es einen Tribut an einen speziellen Musiker/Band dar?

Ben:
Es wurde von unserem anderen Gitarristen, Silver, komponiert. Ursprünglich ist es der älteste Song auf der CD. Er komponiert immer wieder verschieden Stücke aus allen verschiedenen Stilrichtungen auf seinem Computer. Er hat nie im Leben daran gedacht dieses Stück für AMORAL zu verwenden, doch ich hab mich sofort in dieses Stück verliebt, als ich es zum ersten Mal gehört hab. Ich wollte das Stück auf jeden Fall auf der CD haben, obwohl Silver sich dagegen gesträubt hat. Meiner Meinung nach ist es einer der besten Songs auf der CD. Ich mag die Melodien, Gitarren. Es ist eines der Lieder, die man von Anfang an mag.

Tolga:
Ich hab auch in meinem Review geschrieben, dass jeder Gitarrist einen Arm opfern würde um solch ein Instrumental zu komponieren.

Ben:
(Schon fast peinlich berührt) Oh, danke.

Tolga:
Hast du schon mein Review zu eurem Album gelesen?

Ben:
Nein, ich denke nicht. Ich hab’s noch nicht gelesen.

Tolga:
Ich hab nur Gutes über eure CD geschrieben, was auch der Grund dafür war, dass Jan mich kontaktiert hat um mit euch ein Interview zu machen.

Ben:
Ich hab von Jan eine Mail bekommen, in der stand, dass da demnächst ein Interview ist. Ich werd mir das Review mal zu Gemüte führen.

Tolga:
Yeah, es ist zwar auf deutsch, aber er kann’s euch bestimmt übersetzen.

Ben:
Unser Drummer kann ein bisschen deutsch.

Tolga:
Ein weiterer Punkt, der mir aufgefallen ist, ist der, dass die meisten Progressive-Metal-Bands technisch auf einem hohen Niveau zocken, aber ihre Songs nicht ordentlich grooven. Speziell bei ‘Other Flesh’ habt ihr einen Mördergroove drauf. Wie stehst du zu dieser Tatsache?

Ben:
Ich denke, das ist uns sehr wichtig. Es gibt nicht wirklich schnelle Lieder auf dem Album. Wir sind keine technische Death-Metal-Band im üblichen Sinne. Wir denken mehr über den Groove nach und wie der Song den Zuhörer mitreißt, anstatt nur schnelle Songs und Blastbeats runter zu knüppeln. Die Grooveparts sind meiner Meinung nach die Wichtigsten in den Songs. Du musst es fühlen und nicht nur hören.

Tolga:
Wie würdest du einem Fan eure letzte CD beschreiben?

Ben:
Hm, es ist ein Hybrid aus verschiedenen Metalstilen: Death, gewöhnlicher Heavy Metal mit Melodien, Deathvocals und als letztes noch ein paar technische Elemente um das Ganze interessant zu gestalten.

Tolga:
Ich weiß, ich bediene mich hier ein paar Klischees, doch einer der Hauptgründe, warum so gute Bands aus Finnland kommen, ist doch der kalte Winter, oder?

Ben:
Das ist die gängige Meinung.

Tolga:
In dem Zusammenhang wollte ich dich fragen, ob noch andere Gründe ausschlaggebend sind?

Ben:
Nun, das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, es hat eher damit etwas zu tun, dass, wenn du andere gute Bands in deiner Umgebung siehst, dann spornt es dich an noch mehr an zu üben als sonst. Wenn ein paar gute Bands aus Finnland kommen, dann stehen die nächsten guten Bands in den Startlöchern. Das ist zumindest meine Meinung. Vielleicht hat auch der Winter etwas damit zu tun und die Jungs haben nichts besseres zu tun als sehr hart zu üben. Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist die Motivation im Sommer geringer zu Hause zu bleiben und an seinem Instrument zu üben.

Tolga:
Welche Beziehung habt ihr zu den anderen Bands in Finnland? Helfen euch die großen Bands in Sachen wie Konzerte, Plattendeal, Vertrieb etc. weiter?

Ben:
Nun, die meisten Bands bestreiten zusammen Gigs und wir haben auf die Art und Weise viele Freundschaften gebildet. Was die großen Bands angeht, so habe ich noch nicht so viele bisher getroffen. Auf jeden Fall hab ich noch nicht viele Arschlöcher getroffen, soviel ist sicher.

Tolga:
Also kann man daraus schließen, dass es in er finnischen Metalszene nicht so von Arschlöchern wimmelt.

Ben:
Nee nee, jeder ist locker drauf, denn sie erinnern sich immer wieder daran, wie sie mal angefangen haben. Nur weil sie dann erfolgreicher werden, ändern sie nicht gleich ihre Persönlichkeit. Die meisten Bands sind untereinander gut befreundet und es findet kein Wettkampf in dem Sinne statt. Es wird auch nicht hinter dem Rücken gelästert oder Scheiße über einen erzählt. Jedes Mal, wenn wir einen Gig reißen, hängen wir mit den anderen Bands ab und quatschen untereinander. Unter Umständen organisieren wir dann noch ein paar zusätzliche Gigs. Es ist auf jeden Fall eine gesunde Szene.

Tolga:
Wie schaut's mit einer Tour oder Festivalaktivitäten im nächsten Jahr aus?

Ben:
Es gibt schon ein paar Pläne für nächstes Jahr. Es sind zwar bisher nur Gerüchte, aber Spinefarm (ihre Plattenfirma, d. Verf) versuchen eine Europatour zu organisieren.

Tolga:
Mit euch als Hauptband?

Ben:
Eher nicht, wir wären einer der Opening Acts.

Tolga:
Und wer wäre die Hauptband?

Ben:
Ich weiß es nicht, und um ehrlich zu sein, kann ich noch nicht viel darüber verraten, da es noch nicht zu 100% feststeht. Es kann sein, dass einige Bands abspringen und dafür neue hinzukommen. Es wird sich aber ausschließlich um Spinefarm-Bands handeln, soviel ist sicher.

Tolga:
Weißt du denn schon, wie viele Bands auf der Tour dabei sind, denn bei den No-Mercy-Festivals z. B. sind i. d. R. sechs bis sieben Bands dabei.

Ben:
Es wird sich dabei eher um drei Bands handeln, die auf diese Tour geschickt werden.

Tolga:
Die letzte Frage, die mir noch am Herzen liegt, ist die, ob du noch etwas euren deutschen Fans mitteilen möchtest, außer dass sie eure CD kaufen, auf euer Konzert gehen und eure Homepage besuchen sollen?

Ben:
Das ist ein guter Punkt, denn jeder weist darauf hin die Homepage zu besuchen.

Tolga:
Als ich bei meinem letzten Interview diese Frage gestellt habe, wurden genau die Punkte aufgeführt, die ich diesmal ausgeklammert hab.

Ben:
Das ist eine gute Idee! Nun, schwierige Frage. Was kann ich darauf antworten? Ich hoffe, dass wir bald bei euch sind, denn wenn die Leute schon auf das Album stehen, dann können sie sich bei den Liveshows auf was gefasst machen. Live sind wir viel besser. Wir sind eine Liveband und geben immer 120% in der Show und flippen richtig aus. Viele Fans in Finnland, die uns schon live gesehen haben, meinten, dass das Album gut wär, doch live treten wir wirklich Arsch! Ich hoffe, dass wir diese Intensität bei euch auch rüberbringen können.

Tolga:
Das wär echt cool, wenn das klappen würde. Wünsche euch noch viel Glück und hoffe, dass ihr nächstes Jahr auf einem der großen Festivals dabei seid.

Ben:
Hoffen wir das Beste. Jetzt liegt es an der Plattenfirma alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen. Wäre schon cool auf ein paar Festivals dabei zu sein. Jeder ist da besoffen und hat seinen Spaß.

Ich persönlich freue mich riesig auf die Tour und wer die CD schon mal gehört hat, mag gar nicht glauben, dass die Jungs live noch besser rüberkommen als auf Tonkonserve. Lassen wir uns überraschen!

Redakteur:
Tolga Karabagli

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