ANNIHILATOR: Interview mit Jeff Waters

15.08.2013 | 07:05

Einmal Metal-Fan, immer Metal-Fan! Mit "Feast" melden sich ANNIHILATOR und ihr sympathischer Springinsfeld Jeff Waters auf coole, thrashige Art zurück. Die neuen Stücke haben es definitiv in sich, worauf auch Jeff ziemlich stolz ist. Bei einem überaus netten Plausch sprachen wir über das neue, insgesamt 14. Studioalbum der Kanadier, über die zweite, beiliegenden CD, und seine spezielle Bindung zu Deutschland. Was der Saitenhexer noch zu berichten hat, könnt ihr nun hier nachlesen.

Jeff, schön, dass es mit dem Interview geklappt hat. Vielen Dank. Wie geht’s dir? Wie läuft es zu Zeit bei ANNIHILATOR?

Oh, ganz gut. Nachdem wir das neue Album fertig gestellt haben, ging es für einige Dates nach Südamerika. Zu Zeit ist es ziemlich aufregend. Es ist zwar auch etwas ermüdend, aber dennoch cool.

 

(Zur Zeit des Interviews war Jeff in Berlin – Anm. d. Red.) Du verweilst ja gerade in Berlin. Magst du Deutschland?

Oh ja. Ich komm seit 1989 immer mal wieder nach Deutschland. Gemeinsam mit England war es das erste Land, was ANNIHILATOR ziemlich mochte und unser erstes Album ziemlich groß werden ließ. Für mich persönlich hat England eine speziellere Bedeutung, da ich einige Zeit dort gelebt habe, und Deutschland, da ich, wenn ich nicht gerade hier toure oder sonst mit Musik arbeite, öfters zwecks Urlaub oder Freunden besuche. Meine Lieblingsstädte sind u.a. München, Berlin, Köln und Hamburg. Ich habe also einen ziemlich Draht zu Deutschland.

 

Ah, schön zu hören. Lass uns über euer neues Album "Feast" sprechen, das im August veröffentlicht wird. Welche tiefere Bedeutung hat die neue Scheibe für dich?

Solch eine tiefere Bedeutung hat die neue Scheibe eigentlich nicht. Da die Plattenfirma und Fans ein neues Album wollten und ich es liebe, Musik zu machen, habe ich auch eins gemacht. Jedes Mal, wenn die Plattenfirma also ankommt und was Neues möchte, freue ich mich darüber. Die Bedeutung dieser CD ist relativ einfach: Ich liebe Metal, ich bin ein riesiger Metal-Fan und Anhänger anderer Bands und Gitarristen. Zudem bin ich ein Fan all jener Fans, die mich dazu bringen, Musik zu machen. So hoffe ich, dass die Presse, die Plattenfirma und natürlich die Fans die neue Scheibe mögen werden.

Einmal Metal-Fan, immer Metal-Fan?

Oh ja, man nehme nur einmal die Top 3 meiner absoluten All-Time-Favourites: SLAYER, VAN HALEN und AC/DC. Ich denke, Nummer vier ist JUDAS PRIEST, Nummer fünf IRON MAIDEN usw., haha. Ich könnte stundenlang so weitermachen.

 

Ist bei der nachfolgenden Auflistung auch eine deutsche Metal-Band am Start?

Definitiv KREATOR und DESTRUCTION. Ich mochte die bereits, bevor ANNIHILATOR die erste CD herausgebracht haben. Und natürlich ACCEPT und die SCOPRIONS. Rudolf Schenker ist einer meiner Lieblings-Lead-Gitarristen. Als wir 1989 "Alice In Hell" veröffentlichten, ging es zwecks Promo nach Deutschland, wo ich bei einem Radiosender ein Interview machen musste. Man sagte mir dann, dass Mille von KREATOR auch diesen Sender zu der Zeit besuche. Das machte mich ungeheuer nervös. Als ich ihn dann traf, sagte er mir, dass er ein großer Fan von unseren Demos sei, und ich fiel aus allen Wolken. Mit Schmier (DESTRUCTION) lief es genauso ab. Es war ziemlich cool, als ich herausfand, dass wir die Alben des jeweils anderen sehr mochten.

 

War das der Grund, warum du 2008 Teil des "D.E.V.O.L.I.T.I.O.N." von DESTRUCTION warst?

Ja, vielleicht. Ich hing mit Schmier über all die Jahre immer gerne herum. Er fragte mich dann, ob ich Gast auf seinem neuen Album sein wolle und ich sagte natürlich zu. Das Ganze ging ziemlich schnell.

 

Kommen wir nochmal auf "Feast" zu sprechen. Mit welchen Zielen gingst du an die Arbeiten zum neuen Album?

Spezielle Ziele hatte ich nicht, nein. Ich wollte einfach nur Musik machen. Ich blickte auf einige Titel, die in der letzten Zeit so entstanden sind. Wenn du den einen oder anderen hörst, überlegst du, ob nun ein aggressives, thrashiges Riff dazupasst oder ob der Song eher melodisch werden soll. Und dementsprechend schreibst du dann die Lyrics.

 

Was war denn der erste Song, den du für "Feast" geschrieben hast?

Puh, das ist eine gute Frage. Zunächst höre ich einen Drumbeat und schreibe ein dazu passendes Riff. Das geht dann solange, bis ich 200 bis 250 Riffs habe, haha. Diejenigen, die schlecht oder scheiße klingen, fliegen dann raus. Danach kommen einige Freunde in mein Studio, die sich dann nach und nach meine Riffs anhören sollen. "Great riff, shitty riff or okay-riff". Nach diesem Prozess habe ich "nur noch" 50 Riffs zur Auswahl. Die packe ich dann zusammen und wenn diese Zusammenstellungen gut harmonieren, entsteht daraus ein Song. Bevor wir das alles mit Computern machen konnten, mussten wir die Riffs auf Kassette spielen, was umständlicher als die heutige Methode war.

In deinen eigenen Worten, was ist der Hauptunterschied zwischen "Annihilator" von 2010 und dem neuen Album?

"Annihilator" war thrashiger und wütender, die Produktion war lauter. Es ist eine ziemlich aggressive Scheibe geworden. Die neue Scheibe ist etwas grooviger geworden. Das Gitarrenspiel ist zwar etwas schneller geworden, aber alles in allem sind die Stücke an sich nicht derart schnell wie auch dem Vorgänger. Mehr Groove, eine Ballade und ein paar melodische Sachen habe ich auch eingebaut. Ich liebe Heavy Metal und auch Bands wie IRON MAIDEN und JUDAS PRIEST haben Balladen und melodische Sachen am Start.

 

Deine neue Ballade heißt 'Perfect Angel Eyes'. Sie klingt ziemlich schön.

Vielen Dank. Inmitten dieses Sturms auf dem Album ist die Ballade eine nette Wendung.

 

Diese Stürme… 'Deadlock' ist ein energischer, schneller Opener, 'Smear Campaign' ein Speed-Metal-Headbanger erster Güte und mit 'One Falls Two Rises' hast du einen acht minütigen Mammut an das Ende gepackt. Speziell der Abschluss bündelt jedes einzelne ANNIHILATOR-Trademark in sich: Ohrwurmmelodien, schnelles Riffing, kräftige Vocals und eine Menge Vitalität. Gibt es eine tiefere Geschichte hinter den Stücken oder der gesamten Platte?

Nein, eigentlich nicht. Manche Menschen finden diese typischen Waters-Trademarks in einigen Songs, aber ich versuche nicht unbedingt, sie zusammen zu fügen. Ich denke im Vorfeld nicht darüber nach, sondern drücke einfach den "Record"-Knopf und fange an zu spielen. Vieles hat auch damit zu tun, wie ich eben die Riffs zusammenschustere. Es hat weniger mit einem richtigen Songwriting-Prozess zu tun, sondern viel mehr, wie die zusammengefügten Riffs funktionieren. Nur die Ballade musste vorher ein wenig geplant werden. Eines Morgens dachte ich mir beim Kaffeetrinken: "Let’s write a nice song".

 

Und das ist wirklich gelungen. Neben dem eigentlichen Album gibt es eine Bonus-CD mit 15 Neueinspielungen diverser ANNIHILATOR-Klassiker aus den früheren Tagen. Was kannst du uns über die Idee von "Re-Kill" erzählen?

Ich wollte eigentlich nie irgendwelche Neueinspielungen ausprobieren, außer natürlich Live-Versionen von irgendwelchen Konzerten. Aber Dave (Padden – Anm. d. Red.) kam eines Tages mit der Idee an und sagte, dass man das als Bonus verwerten könne. Du kannst keine besseren Stücke als die Originale schreiben. "Re-Kill" ist mehr für die jüngeren Fans gedacht, die die älteren Alben nirgends auftreiben können. Diese Neueinspielungen als EP oder reguläres Album zu veröffentlichen, wäre ziemlich doof gewesen, da man bei den Originalen schon das Beste herausgeholt hat. Diese Aufnahmen waren jedoch auch eine Menge Arbeit, aber es hat auch Spaß gemacht, insgesamt 25 Stücke neu aufzunehmen und 15 davon auf die CD zu packen. Aber der Spaß-Fokus liegt klar auf "Feast", haha.

Mit diesem seid ihr auch in den kommenden Monaten auf Tour, nicht wahr?

Ja genau, wir haben einige Festivaltermine in Europa, wie beispielsweise im August auf dem Wacken Open Air. Das ist bereits unser drittes Mal, nachdem wir, glaube ich, 2003 dort das letzte Mal gespielt haben.


Weißt du schon, mit welchen Bands ihr im Oktober und November durch die Lande zieht?

Mit einigen Bands haben wir schon gesprochen, aber die meisten Manager schauen primär darauf, mit welchen Konstellationen man das meiste herausholen kann. So entscheide ich mich lieber für eine kleine, aber wirklich gute Band, die mir persönlich gefällt und jene wähle ich dann. Lasst euch überraschen.

 

Es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Thrash-Metal-Band, oder? Wie denkst du eigentlich über das hiesige Thrash-Metal-Revival der letzten Jahre? Hast du von all den Emporkömmlingen eigentlich einen Favoriten?

Ja, EVILE finde ich ziemlich gut. Die haben ein wenig ANNIHILATOR und EXODUS in ihrem Sound, eine echt coole Band. Ihre neue Platte gefällt mir auch ziemlich gut. Das Revival ist eine gute Sache, da all diese Kids zurückschauen und alte TESTAMENT, EXODUS und OVERKILL hören und nicht auf die Megastars der Musikszene gucken. Das ist auch für ANNIHILATOR gut, da wir so ein wenig Promotion und Werbung bekommen.

Solange du guten Thrash Metal spielst, ist es unwichtig, woher du den hast, Hauptsache du spielst ihn gut. Das ist gut für die Bands, für die Musiker und für die gesamte Szene. Und die oben genannten Thrash-Bands gehören auch zu meinen Lieblingen. Von OVERKILL beispielsweise liebe ich den alten Kram, finde aber auch "Ironbound" ziemlich geil.

 

Das neue Album dürfte dir auch gefallen. "The Electric Age" ist ein ziemlich cooles Riffgewitter geworden.

Wirklich? Ich hab noch nicht reingehört. Das sollte ich mal nachholen. Ich mag zwar das alte Thrash-Zeug, was um "Alice In Hell" so erschienen ist, aber man kann ja nicht immer "Screaming For Vengeance" von JUDAS PRIEST und "Number Of The Beast" von IRON MAIDEN hören, weißt du? Haha.

Eben. So feiern "Alice In Hell" und "Never Neverland" in den nächsten Jahren ihren 25. Geburtstag. Hast du irgendetwas Spezielles zu diesem Anlass geplant?

Eigentlich nicht, da wir zu ihrem 20. Geburtstag auch nichts Besonderes gemacht haben. Aber in den vergangenen Jahren sind seit den beiden Alben so viele neue, gute Songs hinzugekommen, sodass wir nie wirklich darüber nachgedacht haben, beispielsweise nur diese beiden Alben zu spielen. Vielleicht kommt die Idee noch einmal auf, wenn wir alt und abgebrannt sind und uns niemand mehr sehen will, aber solange es noch bestens läuft, sehe ich dafür keinen Anlass, weißt du.

Kommen wir einmal zu meiner letzten Frage. Intern kam in den vergangenen Wochen die Diskussion über den Unterschied zwischen Speed- und Thrash-Metal auf. Was sind, deiner subjektiven Meinung nach, die Hauptunterschiede zwischen diesen beiden Subgenres?

Meiner Ansicht nach hat das immer etwas mit dem jeweiligen Land und Kontinent zu tun, da man, in welchem Land man auch aufwächst, stets andere Definitionen dieser Sparten und Bedeutungen hat. Nun, das ist eine schwierige Frage. Was wäre dann SLAYER? Sie sind schnell, aber sie sind Thrash Metal, weißt du? Oder beispielsweise KREATOR. Die spielen so dermaßen und verdammt schnelles Zeug, sind jedoch auch Thrash. Viele Bands, wie auch OVERKILL oder EXODUS sind eher Thrash-Metal-Bands, obwohl sie auch viel Schnelles an sich haben. Das ist ein ziemlich schwieriges Thema, da auch jeder seinen eigenen Favoriten hat, ob nun schnell oder langsam, thrashig oder melodisch.

 

Sodann wäre ich mit meinen Fragen auch am Ende und möchte mich vielmals für deine Geduld und Zeit bedanken, Jeff. Viel Erfolg mit "Feast" und Spaß bei den anstehenden Live-Terminen. Die letzten Worte an unsere Leser und alle ANNIHILATOR-Fans gebühren selbstverständlich dir.

Ja, vielen Dank auch dir. Hört euch das neue Album an. Ich hoffe, die Stücke werden euch gefallen und macht euch in der kommenden Zeit einen eigenen Eindruck von "Feast". See you soon!

 

Redakteur:
Marcel Rapp

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