ANSUR: Interview mit Torstein J. Nipe

25.09.2006 | 13:30

Wenn man sich bei einer Band, deren Mitglieder allesamt noch keine zwanzig Jahre alt sind, schon schwer tut, passende Vergleiche zu finden, geschweige denn sie in eine Schublade zu pressen, dann will das schon was heißen. Umso mehr, wenn sich die Truppe innerhalb der drei Jahre ihres Bestehens von einer ganz normalen Black-Metal-Kombo zu einer Gruppe entwickelt hat, die auf völlig unkonventionelle Art versucht, sich neue Ebenen metallischer Klangkunst zu erschließen. So war es Ehrensache, dass ich Kontakt mit der jungen Band aus dem südnorwegischen Drammen aufnahm, um sie zu den Gründen dieser atemberaubenden Entwicklung zu befragen. Gitarrist Torstein J. Nipe stand mir am Tag der Veröffentlichung des Debütalbums "Axiom" Rede und Antwort...

Rüdiger:
Hi Torstein, wie läuft's so in Drammen? Ich hoffe die Spirale steht noch. Ernsthaft, wie ist das Gefühl innerhalb der Band momentan und welche Reaktionen erwartet ihr von den Leuten, wenn sie "Axiom" zum ersten Mal hören? Die Presse scheint die Scheibe ja gut aufzunehmen, wie sieht's bei den Fans aus?

Torstein:
Alles bestens in Drammen, die Spirale steht noch (obwohl ich eigentlich allergisch auf lange Wanderungen und Touristen bin). Die Bandsituation ist besser als je zuvor und wir produzieren derzeit sehr viel neues Material. Das Presse-Feedback war in der Tat ziemlich gut, so dass ich hoffe, dass die Leute positiv überrascht werden, wenn sie's hören. Ich bin mir aber bewusst, dass das Album einige Durchläufe zum Kennenlernen der Songs benötigt. Von den Fans erwarten wir nichts anderes als totale Anbetung! Haha, ich schätze wir müssen abwarten. Das Album kommt ja erst heute raus.

Rüdiger:
Im Vergleich zu eurem 2004er Demo habt ihr euren Stil ganz schön umgekrempelt. Ihr seid heute vielseitiger und einzigartiger. Was waren die Gründe für die enorme Entwicklung?

Torstein:
Die Entwicklung fing an, als unser erster Bassist die Band verließ. Wir wollten etwas charakteristischeres als das allzu anonyme "Carved In Flesh". Wir wollten klingen wie niemand sonst, und das ist immer noch unser Ziel. Das wird das nächste Album noch deutlicher machen.

Rüdiger:
Eure Einflüsse klingen sehr vielseitig. Da gibt's die Black-Metal-Wurzeln, aber auch Industrial, Prog, Psychedelic Rock, abgespacete Sachen... Ist ANSUR aus eurer Sicht noch eine Black-Metal-Band, oder in welche Schublade würdet ihr euch selbst packen? Gibt's überhaupt eine, die passen würde?

Torstein:
Es ist schwer, "Axiom" auf diese Weise einzuordnen. Unsere offizielle Selbstbezeichnung ist bisher "Progressive Extreme Metal".

Rüdiger:
Welche Bands und Künstler haben euch in der letzten Zeit musikalisch beeinflusst? Bei 'The Axiom Depicted' musste ich zum Beispiel ein wenig an CIVIL DEFIANCE denken. Kennst du die?

Torstein:
Solche Fragen konnt ich noch nie beantworten, aber ich schätze, dass ein Teil der Inspiration von Bands wie DEATH, CYNIC, PINK FLOYD, YES etc. kommt. Besonders der akustische Teil von 'The Axiom Depicted' erinnert mich sehr an YES. CIVIL DEFIANCE hab ich noch nicht angehört, aber ich werd sie mal antesten!

Rüdiger:
Euer Stil und die Komplexität eures Songwritings ist sehr eindrucksvoll für eine Band, die es erst seit drei Jahren gibt. Wart ihr vor ANSUR schon musikalisch aktiv oder sind eure Fertigkeiten hauptsächlich das Ergebnis der harten Arbeit der letzten paar Jahre?

Torstein:
Wir spielten in einigen unterschiedlichen Bands (manche von uns immer noch), aber davon war nichts so wichtig wie ANSUR. Man könnte also sagen, dass unsere Karrieren erst mit diesem Album richtig beginnen. Über die drei Jahre haben wir sehr viel mit der Band gearbeitet. Obwohl man sagen könnte, dass wir eine junge Band sind (ich bin 17, Stian 18, Glenn 19 und Espen 18), investieren wir sehr viel in die Arbeit und die Kompositionen und Arrangements, die sehr viel Planung erfordern.

Rüdiger:
Ihr legt sehr viel Gewicht auf die akustischen Gitarren - weit mehr als so ziemlich alle anderen extremen Metalbands, an die ich mich gerade erinnern kann. Wie seht ihr die Rolle der akustischen Gitarre in den ANSUR-Arrangements?

Torstein:
Die akustischen Gitarren dienen vor allem dazu, etwas Klarheit in die akkordgeprägten Gitarrenriffs zu bringen. Es hat sich im Endeffekt so ergeben, dass sie einen wichtigen Teil der Mischung ausmachen. Sie erzeugen einen sehr speziellen Sound, sind aber nicht so wesentlich für die Songs, dass wir sie live benutzen müssten.

Rüdiger:
Wer spielt die akustischen Parts? Du oder Stian, oder ihr beide zusammen? Wie läuft eure Arbeitsteilung generell?

Torstein:
Die akustischen Passagen haben wir beide eingespielt und ziemlich gleichmäßig aufgeteilt. Wir machen auch den Großteil des Songwritings und arrangieren auch oft die Stücke während der Vorproduktion. Rhythmus- und Leadgitarre sind auch mehr oder weniger gleich aufgeteilt. Ich hab allerdings die Mehrzahl der Soli auf "Axiom" gespielt, während Stian auf dem nächsten Album viel mehr übernehmen wird.

Rüdiger:
Du bist auch für die elektronischen Sounds und Effekte zuständig. Was nutzt ihr so alles, um diese charakteristische Atmosphäre von ANSUR zu erzeugen?

Torstein:
Die Effekte kommen entweder von Soft-Synths oder sie werden von Hand erschaffen. Zum Beispiel das kurze Ambient-Intro zu "Post-Apocalyptic Wastelands" wurde mit einer ausgestöpselten Klinke und einem Tremolopedal erzeugt. Ich glaub aber nicht, dass diese synthetischen Sounds ANSUR charakterisieren, es ist eher die Würze die einige Stellen ausfüllt.

Rüdiger:
In meiner Rezension hab ich geschrieben, dass ihr zwar einzigartig und sehr individuell klingt, aber dass man doch irgendwie sofort merkt, dass ihr aus Norwegen kommt. Siehst du das auch so, und falls ja, was ist das Spezielle am norwegischen Sound?

Torstein:
Ich geb dir recht, dass gewisse norwegische Bands sehr spezielle Qualitäten haben, die du nicht so leicht anderswo finden kannst. Ich glaube aber nicht, dass der Unterschied so groß ist. Eine Band muss ihren Sound nach ihren Vorstellungen erschaffen. Aber ich denke nicht, dass es einen Sound gibt, der norwegische Bands über Gruppen aus z.B. Deutschland oder Asien erheben würde. Die speziellen Qualitäten kann ich aber wirklich nicht beschreiben...

Rüdiger:
In der Info heißt es, dass hinter "Axiom" ein Konzept steht. Da ich keine Texte habe, würd mich interessieren, womit ihr euch auf dem Album textlich befasst.

Torstein:
Es handelt sich im Grunde genommen um eine chronologische Geschichte, die in einem postapokalyptischen Szenario stattfindet. Jeder Song ist ein Kapitel und die Moral wird im letzten Stück offenbart. Die ganze Story wird aber nicht verraten, hehe. Kauft das Album!

Rüdiger:
Was steht im Hause ANSUR als nächstes an? Werdet ihr "Axiom" live promoten?

Torstein:
Einige Shows sind geplant, darunter die Release-Party am 30. September. Wir hoffen, dass sich Tourmöglichkeiten ergeben, vielleicht als Support-Slot oder etwas in der Art. Es ist in jedem Fall toll, live zu spielen.

Rüdiger:
Und wohin geht die musikalische Reise? Wisst ihr schon, wie sich ANSUR in Zukunft entwickeln wird?

Torstein:
Weit über das nächste Album hinaus kann ich das noch nicht absehen. Wir haben aber auf jeden Fall eine Menge Ideen. Viele der extremen Metal-Elemente des nächsten Albums werden weniger Black/Death-Einflüsse haben und dafür durch sehr einzigartige Riff-Arbeit ersetzt werden. Wir haben in die Standards und Vorlagen fürs nächste Album viel Zeit investiert. Das Genre und der Stil werden sich natürlich verändern, aber wir werden noch mehr nach uns selbst klingen als je zuvor.

Rüdiger:
Zwei Fragen etwas abseits der Band: Welche extremen Metalbands hältst du für die innovativsten und wegweisendsten unserer Zeit?

Torstein:
Das ist eine schwere Frage. Meine Lieblingsbands im extremen Metal sind DEATH und BAL-SAGOTH. DEATH waren natürlich wegweisend, vor allem ihr letztes Album war total perfekt. BAL-SAGOTH sind atemberaubend, einfach weil sie BAL-SAGOTH sind. Sie sind sicher eine der charakteristischsten extremen Metal-Bands aller Zeiten.

Rüdiger:
Und was ist bisher dein Lieblingsalbum aus dem Jahr 2006?

Torstein:
Das ist definitiv BAL-SAGOTHs "The Chthonic Chronicles". David Gilmours Soloalbum kommt ganz knapp dahinter und die neue KEEP OF KALESSIN war auch nicht schlecht. Außerdem warte ich noch immer auf die neue SYMPHONY X.

Rüdiger:
So, das war's. Danke, dass du dir für uns Zeit genommen hast.

Torstein:
Danke für das Interview! Das waren definitiv die interessantesten Fragen, die ich bisher für ein Interview beantwortet habe. Vielleicht kommst du ja mal wieder nach Drammen...

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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