ARCH/MATHEOS: Interview mit John Arch

29.08.2011 | 07:35

Die Herren ARCH/MATHEOS haben mit "Sympathetic Resonance" das erhoffte Meisterwerk vorgelegt, welches alle Fans von alten und neuen FATES WARNING glücklich machen sollte. Wir sprachen mit John Arch über die Gegenwart, die Zukunft und die Vergangenheit.

Acht lange Jahre nach der 2003er EP "A Twist Of Fate" hat es gedauert, bis es endlich mal wieder ein Lebenszeichen von John Arch gab. Dass es dazu kam, haben die Fans auch ein wenig FATES WARNING zu verdanken. "Ein Großteil der Songs auf "Sympathetic Resonance" hat Jim (Matheos - PK) eigentlich für FATES WARNING geschrieben. Aber irgendwie ging es da nicht voran und so hat Jim eines Tages angerufen und mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte mit ihm Musik zu machen. Als ich die Songs das erste Mal gehört habe, wusste ich, dass das anständige Songs sind und so habe ich zugesagt, es erst mal mit einem Song zu versuchen. Wir haben dann einen Song nach dem anderen gemacht und plötzlich hatten wir 55 Minuten Musik in sechs langen Songs." Trotz der erneut langen Pause klingt John auch auf "Sympathetic Resonance" wieder absolut unverwechselbar. Dass das der Fall ist, musste sich John hart erarbeiten: "Ich war wirklich nervös, als ich das erste Mal ins Studio ging. Ich hatte ja in der ganzen Zeit nicht mehr gesungen und so war meine Stimme auch überhaupt nicht mehr in Form. Das Stimmgefühl, das Vibrato, das war alles weg und ich musste alles wieder neu lernen. Aber mit der Zeit klangen die Melodien, die ich gesungen habe; wieder ungefähr wie die, die ich im Kopf hatte. Irgendwann war ich dann wieder in dieser Welt, die ich brauche, um auch Texte und Melodien schreiben zu können. Aber das war verdammt harte Arbeit und funktioniert nur, wenn man täglich übt. Und jetzt, wo ich das Endprodukt gehört habe, bin ich auch ziemlich zufrieden damit."

Dazu hat er auch allen Grund. Natürlich fragen sich viele Fans, warum "Sympathetic Resonance" nicht unter dem Namen FATES WARNING erschienen ist, wo doch die komplette FATES WARNING-Band mit ihrem Original-Sänger ein Album einspielt. Wollte man falsche Erwartungen abwenden oder war das Respekt vor Ray Alder? "Schön, dass du das fragst. Im Grunde triffst du den Nagel schon auf dem Kopf mit beiden Annahmen.", beginnt John. "Fans haben die Eigenschaft aus vielen Dingen schnell ein Drama zu machen und trotz "A Twist Of Fate" hätte ein Album unter dem Namen FATES WARNING, das ich einsinge, wohl dafür gesorgt, dass man Ray als Sänger in Frage gestellt hätte und das jeder etwas wie "Awaken The Guardian" erwartet hätte. Von daher war ich sehr erleichtert, als entschieden wurde, dieses Album nicht unter dem Banner FATES WARNING zu veröffentlichen. Zum einen, weil Ray nun mal seit mehr als 20 Jahren der Sänger von FATES WARNING ist und es keinen Zweifel daran gibt, dass er es auch bleibt. Zum anderen, weil die Musik eben auch nicht nach "The Spectre Within" oder "Awaken The Guardian" klingt.", erklärt John und fügt an: "Das soll aber nicht heißen, dass wir nicht als Band gesehen werden wollen. Es gibt durchaus Pläne, dass Jim und ich auch in der Zukunft wieder zusammenarbeiten und wir arbeiten auch daran, ein paar Shows in Amerika und Europa zu spielen." Der langjährige Traum aller "Keep It True"-Besucher wurde mit der Verpflichtung von ARCH/MATHEOS als Headliner mittlerweile auch schon wahr.


Und auch wenn der Auftritt beim "Keep It True" zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht bestätigt war, ist sich John auch da schon bewusst, dass es für viele Metaller ein ganz großer Traum ist, ihn live auf der Bühne zu sehen. "Wann immer ich bei Facebook unterwegs bin, poppt Oli (Weinsheimer - Organisator des KIT) auf und auch sonst bekomme ich mit, wie viel es vielen Fans bedeutet, wenn wir live spielen und das weiß ich auch sehr zu schätzen und bin dafür außerordentlich dankbar. Früher habe ich nicht verstanden, warum doch so viele Menschen unsere frühen Alben und meinen Gesang so verehren, weil ich nur gesehen habe, was ich noch alles hätte besser machen können. Doch ich habe gelernt, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Wahrscheinlich haben Leute wie du, die mit "Awaken The Guardian" oder "The Spectre Within" aufgewachsen sind, eine ähnliche Beziehung wie ich sie zu "The Number Of The Beast" habe. Nicht, dass ich meine Musik damit auf eine Stufe stellen möchte, aber dieses Gefühl etwas ganz Besonderes für sich entdeckt zu haben, wird wohl ähnlich sein. Und ich bin jetzt auch zufrieden mit dem Großteil der ersten Alben. Es gibt immer noch ein paar Parts, die ich nicht sonderlich mag, aber insgesamt haben wir da eine gute Arbeit abgeliefert."

Die Zusammenarbeit von Jim Matheos und John Arch lief im Großen und Ganzen nach dem bewährten Prinzip. "Ja, im Grunde wissen wir sehr genau, wie wir zusammenarbeiten. Jim hat die meisten Songs geschrieben und ich habe die Lyrics und Vocallines ausgearbeitet. Die einzige Ausnahme ist der letzte Track 'Incense & Myrrh', an dem ich schon eine lange Weile gearbeitet habe. Aber ich habe die Angewohnheit, Dinge nicht zu Ende zu bringen. Jim dagegen ist sehr strukturiert und hat genau dafür ein sehr gutes Händchen. Deshalb ist das der einzige Song, wo die Credits nicht Matheos/Arch sondern Arch/Matheos sind."

Gewohnt lesenswert sind die sehr vielschichtigen Lyrics, die John wie folgt zusammenfasst: "Es ist nicht wirklich ein Tagebuch meiner Gedanken, aber es geht durchaus in diese Richtung. Jede Zeile hat eine bestimmte Bedeutung für mich, auch wenn die Texte insgesamt sehr offen für Interpretationen gehalten sind. Wahrscheinlich verstehe nur ich die Texte so, wie ich sie meine, aber ich hoffe, dass sich viele Leute die Zeit nehmen, die Texte zu lesen und ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Ich habe einfach in den letzten fünf Jahren so viel erlebt und habe viele Kämpfe mit mir selbst ausgefochten und all das ist Teil der Texte. Es beginnt mit meiner Kindheit, mit dem Einfluss von Prozac bis hin zu Selbstmordgedanken, die in 'Incense & Myrrh' eine tragende Rolle spielen." Die Musik also als Katharsis? "Ja, das kann man so sagen. Für mich war das sehr therapeutisch. Ich habe Dinge erlebt, wo ich mich Frage, wie andere Menschen sie überleben und wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. Aber dann habe ich weitergemacht, habe an diesen Songs gearbeitet und sehe jetzt auch selbst wieder dieses Licht. Ich weiß, dass ich nicht der einzige Mensch bin, der negative Dinge erlebt und ich hoffe sehr, dass es Menschen gibt, für die die Texte wichtig werden. Denn ich denke, dass wir Menschen uns untereinander brauchen, denn wir alle erleben einmal schlechte Zeiten und wenn man schwach ist, braucht man andere Menschen, an denen man sich anlehnen kann, so wie man für andere Menschen da sein sollte, wenn man stark ist."


Wenn man dies so hört, wundert man sich fast, dass John die Musik und die Kreativität nicht häufiger als Katalysator nutzt. "Ich habe Musik sehr vermisst. Aber weißt du, Peter, ich bin da auch ein bisschen seltsam. Man muss mich quasi ins Studio zerren, denn ich bin mein größter Kritiker und denke immer, dass ich versage. Ich habe da diese Stimmen im Kopf, die mir sagen, dass ich scheitere und die können sehr laut sein. Aber wenn ich es schaffe, das abzustellen, so wie ich es für diese Scheibe geschafft habe, dann kommt eigentlich immer etwas heraus, was ziemlich gut ist. Es war immer eine positive Erfahrung und hinterher habe ich keine Erklärung mehr dafür, wovor ich Angst hatte." Dennoch spiegelt diese Aussage deutlich wider, warum John Arch nach "Awaken The Guardian" bei FATES WARNING ausgestiegen ist. Es fehlte das Vertrauen in sich selbst. "Ja, das hast du gut erkannt. Wenn ich mir die Musikindustrie heute ansehe, hat sich zwar technisch viel verändert, aber die Probleme sind immer noch die gleichen wie vor 25 Jahren. Man muss immer noch an einem gewissen Punkt angekommen sein, um von der Musik zu leben und dann muss man diesen Status mit harter Arbeit auch erhalten. Um das zu tun, muss man sich selbst einen großen Vertrauensvorschuß geben und das ist etwas, wozu ich damals einfach nicht bereit war. Andere Menschen haben da offensichtlich mehr Vertrauen in mich als ich es selbst je haben werde, aber unter diesem Druck hätte ich nicht mehr kreativ sein können. Dazu kommt, dass ich zwar gerne singe, aber es nicht besonders mag vor großen Menschenmassen aufzutreten. Ich habe mich nie wohl und sicher genug gefühlt auf der Bühne.", gewährt John wiederholt tiefe Einblicke. Von einem künstlerichen Standpunkt betrachtet, ist John damit heute sehr viel freier: "Genau. Dieses Album ist entstanden, weil wir es machen wollten und wir inspiriert waren. Ich habe meinen Vollzeitjob, der meine Familie und mich absichert und ich bin nicht darauf angewiesen, mit der Musik Geld zu verdienen, sondern habe es gemacht, weil es sich gut und richtig angefühlt hat. Das sind die Begleitumstände, die ich benötige, um kreativ zu sein." Also hat der Mensch John Arch die richtigen Entscheidungen getroffen? "Das kann man nicht sagen, denn wer weiß schon, wie sich FATES WARNING entwickelt hätten, wer weiß, ob ich heute noch so singen könnte, wer weiß, ob ich überhaupt noch hier wäre? Vielleicht hätte es bessere Entscheidungen gegeben, aber meine war sicher nicht falsch."

Redakteur:
Peter Kubaschk

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