ARTIFACT: Interview mit Pål, Bjørnar, Svein
03.09.2008 | 13:38ARTIFACT aus Norwegen haben uns kürzlich ein hübsches Scheibchen vorgelegt, das in der Schnittmenge aus Gothic, Elektro und Metal das Potential hat, ein bisschen Staub aufzuwirbeln. Da das Album "The Only Salvation" ein Debüt-Werk ist, wollen wir die Band einmal vorstellen und haben die Herren Pål (Gitarre und Programmierung), Bjørnar (Gitarre) und Svein (Drums) zum Gespräch gebeten.
Frank:
Euer Erstling "The Only Salvation" war eine unerwartete Wohltat für meinen CD-Spieler. Ich muss zugeben, dass ich ARTIFACT vorher überhaupt nicht kannte, und ich denke, das geht den meisten unserer Leser so. Also, erzählt bitte mal, wie die Band zusammenkam.
Pål:
Als ich im Jahr 2000 von meinem Militärdienst zurückkehrte, waren die beiden anderen Mitglieder meiner damaligen Band in andere Regionen des Landes gezogen. Ich habe dann weiter Lieder geschrieben und nach etwa einem oder zwei Jahren ein paar davon ins Internet gestellt. So kam ich in Kontakt mit Kjetil Stensen, unserem ersten Sänger. Ich hatte auch noch einen Freund, der Drums spielen konnte. Unglücklicherweise war keiner der beiden der Richtige für die Band, aber Kjetil brachte mich in Kontakt mit Bjørnar, so dass die Band für einige Jahre aus Bjørnar und mir bestand. Während dieser Zeit suchten wir intensiv nach einem Sänger, bis Bjørnar im Jahr 2004 dann Tor Arne fand.
Frank:
Änderungen im Line-up sind bei neuen Bands ja nicht ungewöhnlich, es überrascht daher nicht, dass ihr davon nicht verschont wart. Wie habt ihr Tor Arne aber genau gefunden, und wie habt ihr ihn überzeugt, bei ARTIFACT einzusteigen?
Bjørnar:
Als ich eine Aufnahme von Tor Arnes damaliger Band hörte, wusste ich, dass seine Stimme zu ARTIFACT passen würde wie eine Hand in einen Handschuh. Damals übten wir im gleichen Gebäude und hatten viele gemeinsame Bekannte, es war also ganz einfach, mit ihm in Kontakt zu kommen. Ich gab ihm dann ein paar unserer Demo-Songs, und er war gleich davon überzeugt.
Frank:
Nach nur einer selbst produzierten Demo-EP wurde euch gleich von Spiralchords ein Deal angeboten. Wie haben die euch entdeckt?
Pål:
Ich glaube, die haben uns auf MySpace gefunden.
Frank:
Es gibt so unglaublich viele Bands aus Skandinavien. In wie vielen Bands spielt eigentlich der durchschnittliche Norweger?
Bjørnar:
Viele Leute, die ich kenne, spielen in mehr als einer Band. Ich war mal zeitgleich in vier verschiedenen Bands aktiv. Ich denke, im Durchschnitt werden das wohl zwei bis drei sein.
Frank:
Bjørnar, du hast bis vor kurzem noch bei SIRENIA Gitarre gespielt, die immerhin bei Nuclear Blast unter Vertrag stehen. Warum bist du da ausgestiegen?
Bjørnar:
Ich habe einfach meine Prioritäten anders gesetzt, aber ich hatte eine tolle Zeit und viel Spaß mit SIRENIA.
Frank:
Das deutsche Musikmagazin Zillo hat euer Album im April zum 'Album des Monats' gekürt. Wart ihr von diesem Erfolg überrascht?
Pål:
Ja. Wir wissen, dass wir ein gutes Album produziert haben, aber wir hatten keine Ahnung, wie die Presse es aufnehmen würde. Bis jetzt sind wir sehr glücklich über das Feedback, besonders von der deutschen Presse.
Frank:
Der deutsche Markt scheint für euch ganz gut zu sein. Was denkt ihr, ist das der wichtigste Markt für eure Art von Musik?
Pål:
Ja, auf jeden Fall. Im Gegensatz zu Norwegen und Großbritannien hat Deutschland eine starke Industrial-Szene. Hier in Norwegen ist Indie-Pop und –Rock momentan das einzige, was im Radio gespielt wird, es existiert praktisch kein Markt für Industrial-Musik.
Bjørnar:
Deutschland ist für unseren Stil mit Abstand der wichtigste Markt. Ihr habt einfach einen guten Musikgeschmack.
Svein:
Außerdem ist es nicht weit weg, wir können schnell rüberkommen. :-)
Frank:
Unter den musikalischen Inspirationen der Bandmitglieder finden sich zahlreiche Goth- und Elektro-Bands. Mit einer Ausnahme: Svein scheint da nicht so ganz hineinzupassen, denn er hat seine Liste voll mit Power-Metal- und Prog-Metal-Bands. Wie kommt es denn, dass du jetzt einen derart anderen Stil verfolgst als deine Lieblingsmusik zu sein scheint?
Svein:
Ja, ich höre viel andere Musik, und es stimmt schon, Prog und Power Metal ist mein favorisierter Stil. Aber als ich die Musik von ARTIFACT hörte, habe ich mich einfach "verliebt". Ich denke, ich bringe ein paar Einflüsse von 'meiner' Musik mit in den Sound von ARTIFACT.
Frank:
Euer Computer ist als Bandmitglied aufgeführt und heißt "The Dictator". Wer bestimmt denn hier eigentlich die musikalische Richtung, Mensch oder Maschine?
Pål:
Manchmal macht unsere Maschine ein paar unvorhergesehene, coole Geräusche, aber am Ende gewinnt doch immer noch der Mensch über die Maschine.
Frank:
Das Bild auf eurer Webseite vom "Dictator", wo habt ihr denn das her?
Pål:
Das ist aus einem IBM-Katalog aus den fünfziger Jahren. Wenn ich mich recht erinnere, zeigt es eine Vision der IBM-Forscher, wie der Personal Computer in der Zukunft aussehen würde. Es ist ein bisschen größer als der Laptop, der unser wirklicher "Dictator" ist.
Frank:
Euer erster verfügbarer Download-Song ist eine Coverversion von DEPECHE MODE. Ihr seid wohl alle Fans der 80er und 90er, was?
Pål:
Ich höre sehr selten Musik, die vor 1980 produziert worden ist und die meisten Alben in meiner Sammlung sind aus den 80ern und 90ern. In den 80ern gab es wirklich großartige Goth- und Synth-Bands wie THE SISTERS OF MERCY, DEPECHE MODE und THE CURE. Ich weiß, dass Tor Arne noch mehr auf diese Zeit steht, wahrscheinlich weil er mit dieser Zeit aufgewachsen ist. Für mich waren die 90er die goldenen Jahre, als sich die Alternative Szene in Richtung Mainstream entwickelt hat und Klassiker hervorbrachte wie NINE INCH NAILS, PJ HARVEY, ALICE IN CHAINS und MARILYN MANSON. Ich habe aber nicht 1999 aufgehört, Scheiben zu kaufen, es werden auch heute noch eine Menge guter Sachen veröffentlicht.
Bjørnar:
Wir hören alle eine Menge dieser Sachen, aber Tor Arne ist bei uns der Metal-Experte.
Frank:
Und wie sieht es mit einer Tour aus? Kommt ihr irgendwann auch mal nach Deutschland?
Svein:
Im Augenblick haben wir keine Tourpläne. Wir spielen ein paar Gigs in Norwegen, und wir hoffen natürlich, auch nach Deutschland zu kommen, aber das wird die Zeit erweisen. Aber da wir sehr glücklich darüber sind, wie sehr die Deutschen unsere Musik mögen, würden wir natürlich auch gerne kommen und für euch spielen!
Dann hoffen wir mal, dass das bald der Fall sein wird. Ich bin jedenfalls sicher, dass die schnellen, tanzbaren Stücke speziell in kleineren Clubs eine gute Figur machen würden. In diesem Sinne: Kopf hoch, tanzen!
- Redakteur:
- Frank Jaeger