ASINHELL: Interview mit Marc Grewe

22.10.2023 | 20:42

Als bekannt wurde, dass VOLBEAT-Frontmann Michael Poulsen zusammen mit Marc Grewe am Mikro eine Death-Metal-Band startet, war beim Verfasser dieses Reviews eine ausgewogene Mischung aus Skepsis und Freude zu spüren. Während man auf der einen Seite in der jüngsten Vergangenheit genügend Beweise erhielt, dass der ehemalige MORGOTH-Fronter es noch immer drauf hat, wusste man andererseits nicht wirklich, wie sich Herr Poulsen in diesem Metier heutzutage schlagen würde, sind doch die Tage seiner ehemaligen Death-Metal-Band DOMINUS (aus der seine jetzige Hauptband hervorging) doch bereits seit einiger Zeit vorbei. Dann aber kam "Impii Hora", wischte alle Bedenken mit der Wucht einer Abrissbirne weg und katapultierte sich aus dem Stand auf die Spitzenposition in meinem Jahresranking. Nun denn, ich habe Fragen...

Hallo Marc! Erst einmal Glückwunsch zu meinem bisherigen Death-Metal-Highlight dieses Jahres. Die Platte kam für mich gefühlt aus dem Nichts und hat mich völlig geplättet. Ich gehe mal davon aus, du bist mit "Impii Hora" ebenfalls glücklich. Oder gibt es etwas, das man im Nachhinein deiner Meinung nach hätte besser machen können?

Oh, das freut mich sehr, dass du das so siehst, vielen Dank dafür. In der Tat ist es so, dass ich absolut zufrieden mit dem Album bin. Es ist bei mir eher selten der Fall, dass ich nicht im Nachhinein diverse Kleinigkeiten hätte besser machen wollen, aber das ist bei "Impii Hora" nicht der Fall. Ich kann mir das Album tatsächlich immer noch gut anhören. Normalerweise ist alles mit Erhalt des fertigen Produktes bei mir abgeschlossen, und ich höre mir die Platte dann auch in der Regel nicht mehr an, sondern konzentriere mich auf neue Dinge. Aber diese Platte höre ich tatsächlich noch recht häufig.

Du bist ja in viele Projekte/Bands involviert. Wie aber kam eine Zusammenarbeit mit Michael Poulsen zu Stande? Dass Michael eigentlich aus dem Death-Metal-Genre kommt und mit dem VOLBEAT-Vorläufer DOMINUS bereits in den Neunzigern in dieser Richtung (man höre das starke Debüt "View To The Dim") unterwegs war, dürfte einige Fans seiner Hauptband überraschen. War es für ihn die Sehnsucht, nochmals zu den Anfängen zu gehen? Auch gerade im Hinblick darauf, dass euch ein Werk gelungen ist, das vom Songwriting her doch sehr traditionell ausfällt.

Michael und ich kennen uns schon sehr lange, und wir sind gut befreundet. Das reicht noch zu Konzerten in den Neunzigern zurück, die ich mit MORGOTH öfter mal zusammen mit DOMINUS in Dänemark bestritten habe. Nachdem Michael mit VOLBEAT durchgestartet ist, haben wir uns ein wenig aus den Augen verloren, aber er schrieb mich vor etwa 15 Jahren an und gratulierte mir zum Debüt-Album, das ich seinerzeit mit INSIDIOUS DISEASE veröffentlicht hatte. Seitdem sind wir wieder in engem Kontakt, und Michael war sogar mein Trauzeuge, als ich 2015 in Dänemark meine jetzige Frau geheiratet habe. Es ist also eine langwährende und vertrauensvolle Freundschaft, die wir pflegen, und das ist wohl auch der Schlüssel zu dem, was wir jetzt musikalisch durchleben. Wir sind beide im traditionellen Death Metal der späten Achtziger und frühen Neunzigern verwurzelt. Fans von VOLBEAT, die Michaels Vorgeschichte nicht kennen, dürften sicherlich von dieser Platte verwundert und schockiert sein (lacht), aber er war auch nach dem Erfolg seiner Band immer ein absoluter Death-Metal-Nerd, und wir schicken uns noch heute regelmäßig Songs und Links zu coolen Underground-Bands hin und her. Für einige Leute wird das alles etwas überraschend sein, für mich aber absolut nicht.

Ich kann mir auch vorstellen, dass es gerade für euch beide zeitlich verdammt aufwändig sein muss. Mit VOLBEAT dürfte es immer etwas zu tun geben, und auch du bist in zahlreichen Bands und Projekten aktiv. Seht ihr ASINHELL als Projekt, oder wird es auch mal die Möglichkeit geben, euch auf einer Bühne zu sehen?

Zuerst hatten wir nur angedacht, diese Death-Metal-Band zu gründen, um einmal zusammen ein Album zu machen. Aber mittlerweile ist der Spaß daran einfach so groß, dass wir auch beschlossen haben, live zu spielen. Es sind auf jeden Fall für 2024 Gigs in Planung.

Wie kann man sich bei euch das Songwriting vorstellen? Du wohnst meines Wissens nach in Berlin, und bis Dänemark ist die Strecke nicht allzu kurz, so dass wöchentliche Proben wohl eher nicht hinhauen dürften.

Michael und unser Drummer Morten [Toft Hansen, Drummer bei RAUNCHY - Anm. d. Verf.] leben nur zehn Minuten voneinander entfernt, und ihre beiden Töchter gehen zusammen in den Kindergarten. So kam es zustande, dass die beiden immer freitags für mehrere Stunden in Mortens Garage und unter recht simplen Umständen mit nur einem Schlagzeug und einem alten Amp aus den Neunzigern zusammen an Songs rumlärmten. Es ist also auch eher der simple Geist der Anfangstage des Death Metals, den die zwei hier schon zelebrierten und mir die Ergebnisse davon als Handyaufnahmen schickten. Ich fand das super, denn genau so haben wir das mit MORGOTH früher ebenfalls gehandhabt, halt nur mit einem alten Kassettenrecorder. Ich liebe dieses Proberaumfeeling ohne großartigen Schnickschnack! In Berlin habe ich dann mit Marc Wüstenhagen aus dem Dailyhero Studio, einem befreundeten Engineer, die Vocals rudimentär eingesungen, und wir schickten uns die Ergebnisse dann hin und her. Michael sang seine Ideen für Vocallines einfach in sein Iphone...also wirklich sehr simpel, aber effektiv.

Ich gehe davon aus, dass du für die Texte zuständig bist. Leider lagen mir die Lyrics bisher nicht vor, so dass ich mir noch keinen Einblick zu den Themen verschaffen konnte. Erklär doch bitte mal jemandem, der in Geographie nicht aufgepasst hat, wo genau die 'Island Of Dead Men' bzw. die 'Desert Of Doom' liegen! Spaß beiseite: Kannst du uns etwas über die Texte berichten? Allen voran 'Fall Of The Loyal Warrior' würde mich interessieren, der ja deiner Aussage nach von Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues" beeinflusst ist.

Bei den Texten habe ich großartige Unterstützung von dem Psychologen Dr. Frank Albers bekommen. Ich habe ihn über meinen Freund Markus Bünnemeier (TEMPLE OF DREAD) kennengelernt, deren Texte er auch verfasst, und von denen ich absolut begeistert war. Markus stellte den Kontakt her, und ich erzählte Frank von unserem Projekt, und er war sofort Feuer und Flamme. Ich selber habe mittlerweile einen Fulltime-Job und eine Familie, und ich weiß, dass ich für das Schreiben der Texte immer absolute Ruhe und Zeit brauche, damit die Texte gut werden. Ich habe mit Frank viele Telefonate geführt, und wir haben uns über die tendenzielle Richtung, in die die Lyrics gehen sollten, unterhalten. Ich finde den psychologischen Ansatz von Horrorgeschichten immer sehr gut, gepaart mit einem ordentlichen Schuss Ironie und Sarkasmus. Frank kann durch seine Arbeit als Psychologe beim Thema "groteske Stories" natürlich aus dem Vollen schöpfen, und so hat er die Worte auf unsere Pilot-Vocals geschmiedet. Auch das war für mich eine neue Erfahrung, aber es hat sich absolut gelohnt.

'Island Of Dead Men' beispielsweise handelt von zwei Personen, die auf einer Insel gestrandet sind und nun vor der Frage stehen, wie sie ohne jegliches Essen überleben. Du kannst dir sicher denken, wie die Geschichte weitergeht!? Inspiriert ist das Ganze in abgewandelter Form vom Film "Alive", in dem die abgestürzten Insassen eines Flugzeugs zu Kannibalen werden um zu überleben. 'Desert Of Doom' ist die Geschichte einer Person, die in der Hitze und Einsamkeit der Wüste anfängt über absurde Dinge nachzudenken; Illusion und Wirklichkeit verschwimmen. 'Fall Of The Loyal Warrior' ist tatsächlich von Remarque inspiriert und handelt von der Sinnlosigkeit eines Krieges, in dem man für falsche Vorbilder kämpft und dies am Ende schmerzlich realisiert.

Auch auffallend ist, dass ihr ein fast schon ikonisches, recht ungewöhnliches Coverartwork gewählt habt, das nur auf den ersten Blick etwas unscheinbar wirkt. Wer war dafür zuständig?

Das Albumcover hat der südkoreanische Illustrator Albert Che entworfen. Durch meine Kumpels von ENDSEEKER bin ich auf den Künstler aufmerksam geworden und habe ihn Michael und dem Management vorgeschlagen. Und alle waren sofort sehr angetan von dem, was er künstlerisch drauf hat. Er hat beispielsweise auch für jeden Song ein entsprechendes Shirt-Motiv gestaltet...einfach abgefahren!

Apropos ikonisch: Deinen Gesang hört man aus tausend Stimmen jederzeit heraus, eine Charakteristik, die vielen heutigen Death-Metal-Sängern leider ziemlich abgeht. Auch hat deine Stimme nach all den Jahren nichts von ihrer Brachialität und Brutalität verloren. Gibts da ein Geheimrezept?

Nein, eigentlich nicht. Ich bin tonal nicht ganz so tief wie einige andere Shouter und glaube, das macht einen großen Unterschied. Außerdem achte ich sehr darauf, dass man jedes einzelne Wort möglichst versteht, ohne aber an Aggression und Brutalität einzubüßen.

Du dürftest als einer der ersten deutschen Death-Metal-Sänger gelten und hattest mit MORGOTH eine der ersten oder sogar die erste Band dieses Genres in Deutschland am Start. Welche Bands haben dich damals inspiriert, diesen Weg zu gehen? Ich könnte mir vorstellen, dass DEATH bzw. der Vorläufer MANTAS eine große Rolle gespielt haben könnte.

Es sind in der Tat beide dieser von dir genannten Bands. Ich bin ganz gut mit Kam Lee befreundet und denke, dass er und Chuck Schuldiner schon in gewisser Weise die ersten waren, die diesen Stil hervorbrachten. Tatsächlich ist das erste MANTAS-Demo ein gewisser Gamechanger gewesen, aber insgesamt tat sich dann damals, als wir mit "Pits Of Utumno" unser erstes eigenes Demo herausbrachten, endlich die Möglichkeit auf, noch mehr Tapetrading zu betreiben als zuvor. Über viele der Underground-Bands habe ich damals im legendären Slayer Mag aus Norwegen gelesen, und viele Kontakte, die ich noch bis heute habe, rühren aus dieser Zeit. Zeitgleich hatten wir in unserer kleinen Mescheder Gemeinde einige Punks, die mir auch die alten EARACHE-Sachen wie HERESY, CONCRETE SOX und auch NAPALM DEATH auf Tape aufnahmen. Auch das hatte wohl einen nicht unerheblichen Einfluss auf mich. Für mich war früher die Symbiose aus Punk und Metal das, was die Entstehung des damaligen Death Metal ausmachte.

Wenn man deine Projekte/Bands und auch deine Gastbeiträge (u.a. TEMPLE OF DREAD) auf anderen Alben betrachtet, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass du auch heute noch tief in der Materie steckst und dich für neue Bands interessierst. Welche neueren Acts konnten dich denn in letzter Zeit begeistern?

In der Tat finde ich es gerade sehr spannend, dass sich viele neuere Bands auf die Ursprünge des Death Metal berufen. TEMPLE OF DREAD ist momentan einer meiner absoluten Faves. Es ist unglaublich, dass sie innerhalb von vier Jahren vier Alben herausgebracht haben, die allesamt richtig, richtig gut sind. Weitere Bands, die ich gerade gut finde, sind PHOBOPHILIC, PHARMACIST und PARASITARIO, meist Sachen, die nicht besonders bekannt sind, deren Stil aber eher traditionell gehalten ist. Aber ich höre auch wirklich sehr viel anderes Zeug; generell alles, was gut ist und mir gefällt, das kann dann auch durchaus aus völlig anderen Genres kommen.

Hat ein Marc Grewe neben der Musik eigentlich noch Zeit für andere Dinge? Ich habe mitbekommen, dass du einen vierjährigen Sohn hast, der hoffentlich einmal dein Erbe fortführen wird. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer leicht ist, die eine Leidenschaft (Musik) mit der anderen (Familie) unter einen Hut zu bringen.

Ja, das ist in der Tat nicht immer ganz einfach. Ich habe eine Familie mit zwei relativ jungen Kindern, die natürlich meine absolute Priorität sind. Und natürlich kann ich nicht allein von der Musik leben, sondern arbeite ansonsten im sozialen Bereich. Also alles anspruchsvolle Aufgaben, die ebenfalls Hingabe erfordern. Es ist manchmal nicht ganz einfach, alles unter einen Hut zu bekommen, und ich muss aufpassen, dass ich mich in meinem fortgeschrittenen Alter nicht zu sehr übernehme (lacht).

Marc, ich danke dir für dieses angenehme Gespräch und hoffe, dass wir uns bald auf Tour sehen. Die letzten Worte gehören dir!

Ich danke dir und den Lesern für das Interesse und den Support, den ich über die vielen Jahre von den Fans erfahren durfte. Das ist nach wie vor ein großes Privileg, das ich sehr zu schätzen weiß!

 

Fotocredit: Alle Bandfotos von Brittany Bowman.

Redakteur:
Michael Meyer

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