ASRAI: Interview mit Asrai

01.01.1970 | 01:00

Klaus:
"Touch In The Dark" ist euer zweites Album, und seit dem Erstling "As Voices Speak" sind sechs Jahre vergangen, was habt ihr in der Zwischenzeit gemacht?

Asrai:
Wir waren auf der Bühne und haben Pläne für eine neue CD gemacht. Und nachdem uns unser Gitarrist verlassen hat, haben wir die richtigen Musiker gesucht. Jetzt hat die Band eine solide Basis und eine kreative Chemie. Aber es hat länger gedauert, als wir gedacht haben. Aber jetzt sind wir auch in der Lage, mehr mit Keyboards und Samples zu experimentieren. Die Verzögerung der CD wurde auch durch einen Brand in der Fabrik verzögert.

Klaus:
Ihr seid ja schon acht Jahre aktiv gewesen und hattet einen Deal an Land gezogen und habt dann großes Pech gehabt, als eure Plattenfirma kurz nach der Veröffentlichung bankrott gegangen ist. Ich kann mir vorstellen, dass einen das die Freude am Musikgeschäft vermiest, frustriert und verzweifeln lässt. Wie seid ihr da durchgekommen und was hat euch weitermachen lassen?

Asrai:
Natürlich gab es Zeiten, in denen wir des Musikgeschäfts einfach müde waren. Aber wir hatten nie Nase von der Musik voll. Besonders enttäuscht waren wir eigentlich, als sich unser Gitarrist nach dem POISON IVY-Desaster (Anm.: erste Plattenfirma von ASRAI) entschlossen hat, die Band zu verlassen. Aber Karin und Margriet hatten wirklich ein sehr starkes Verlangen, mit der Musik weiterzumachen und besonders mit ASRAI. Wir wollten erst dann ein neues Album aufnehmen, wenn wir ein stabiles Line-up haben, mit Musikern, die dahinter stehen und für das musikalische Abenteuer ASRAI bereit sind.

Klaus:
Wie wichtig ist Mode und Styling im Gothic für euch? Warum ist es eurer Meinung nach, dass Gothic Rock und Gothic Metal Bands mehr Wert auf eine stilvolle Erscheinung legen als Bands in anderen Rock und Metal Bereichen?

Asrai:
Jede Szene hat ihren eigenen Stil und 'Dresscode', auch der 'sleazy greasy nonsense'-Look im Rock und Metal ist ein Stil. Es scheint einfach zu viel zu sein, wenn du dich in diesen Szenen zu sorgsam kleidest. Das finden wir auch an der Gothic-Szene so anziehend, es ist ein sehr femininer Stil. Jeder kann sich aufwändig kleiden und stylen und zeigen, was er ist. Du kannst ein Vamp sein, ohne unbedingt wie ein Tramp aussehen zu müssen. Wie jede andere Szene auch, ist es mehr eine Lebensart. Die exhibitionistische, extravagante und kreative Gothic-Mode spricht uns an. Aber das Auftreten ist nicht das Wichtigste. Wichtig ist der Raum, den du zur Verfügung hast, um dich so auszudrücken und darzustellen, wie du bist. Gothic-Publikum will von dunklen, romantischen, schockierenden und wunderschönen Dingen stimuliert werden. Und das macht es umgekehrt auch für die Band sehr stimulierend, sich in einer aufregenden Art dem Publikum zu präsentieren.

Klaus:
Ich vermute, dass ihr von der Musik nicht leben könnt. Habt ihr reguläre Jobs?

Asrai:
Wir haben alle reguläre Jobs, die wir mögen und die uns wichtig sind. Es gibt nur wenige, die wirklich von der Musik leben können. Wir sind da auch realistisch genug um zu wissen, dass wir wohl nicht von unserer Musik werden leben können. Jedenfalls nicht jetzt. Wir versuchen, das richtige Gleichgewicht zwischen unseren Jobs, der Musik und unseren Familien und unserem privaten Leben zu finden.

Klaus:
Wie sieht dann die Reaktion auf euer Styling und eure Kleidung im Alltagsleben aus? So liberal Holland auch ist, kann ich mir doch Gelegenheiten vorstellen, bei denen da die Nase gerümpft wird.

Asrai:
Wir sind, was wir sind. Akzeptiert es oder lasst es bleiben. Wir werden uns nicht ändern, nur weil andere das wollen, noch nicht einmal für unsere Jobs. Wenn andere den Menschen hinter der Mode nicht sehen können, dann ist das deren Problem und nicht unseres. Und wir haben davon einiges erlebt.

Klaus:
Gothicbands, oder zumindest solche aus dem weiteren musikalischen Umfeld, bekommen im Moment ja einiges an breitem Zuspruch, wenn man sich zum Beispiel mal WITHIN TEMPTATION und NIGHTWISH anschaut. Mal abgesehen von guter Promotion durch die Labels, was glaubt ihr, wieso diese Musikrichtung momentan mehr und mehr Mainstream-Publikum anzuziehen scheint?

Asrai:
Klar ist eine gute Promotion nötig, um eine Band einem breiten Publikum vorzustellen. In den Achtzigern waren die verschiedenen Musikstile nicht so voneinander abgekapselt, wie z.B. Punk, Wave, Disco u.s.w. Als House Music aufkam, hat sie viele verschiedene Stile miteinander kombiniert. Nach den Achtziger-Revivals ist das Publikum einfach offener geworden für diese Art von Musik. Die Leute haben einfach keine Angst mehr, über ihren eigenen musikalischen Stil hinauszublicken.

Klaus:
Wenn ich Margriets Stimme und Gesangstil höre, fühle ich mich and Acts wie TOYAH, HAZEL O'CONNOR, SIOUXSIE & THE BANSHEES und andere Sängerinnen des Punk und Wave der frühen Achtziger erinnert. Liege ich da vollkommen falsch oder hat sie bzw. habt ihr Wurzeln in dieser Zeit und Musik?

Asrai:
Ja, da hast du Recht. Unsere Wurzeln liegen in diesem Zeitraum. Für mich ist Singen ein Weg, Gefühle auszudrücken. Gefühle sind nicht glatt und polier, sondern roh und ehrlich. Für mich ist jede Stimme einzigartig. Es ist sehr schwer, die richtige Balance zwischen den Gefühlen und dem technischen Aspekt des Singens zu finden. Mit Gesangstraining denkst du an den technischen Aspekt und daran, wie du deine Stimme kontrollierst. Aber das kann auch bedeuten, dass du deine eigene Identität und die Spontaneität deines Gesangs verlierst. Ich empfinde es als Kompliment, mit solchen Sängerinnen verglichen zu werden, weil ich deren Gesang mag und weil mich ihre Stimmen an diese Zeit erinnern. Heutzutage ist der opernartige Gesang sehr populär. Das ist ein sehr technischer and antrainierter Gesang, besonders live sehr schwer zu singen, wenn du müde von der Anfahrt bist und in einem heißen, verrauchten Club auftrittst. Das ist sehr schwer für deine Stimme. Ich habe mich für den gefühlsbetonten Gesang entschieden. Das bin ich.

Klaus:
Karin und Margriet sind Zwillinge, richtig?

Asrai:
Ja, stimmt.

Klaus:
Dann müsst ihr mit der Musik schon angefangen haben, als ihr noch sehr jung wart. War es euch beiden schon immer klar, dass es das ist, was ihr machen wollt?

Asrai:
Als Zwillinge waren wir schon so lange zusammen, aber es kommt immer eine Zeit, in der du dich entscheidest, deinen eigenen Weg zu gehen. Wir wollten etwas Gemeinsames machen, um unsere Verbundenheit und Zusammengehörigkeit auszudrücken. Wir drei, die Zwillinge und unser älterer Bruder, waren auf unsere Art schon immer an Musik interessiert. Wir hatten nie großes Interesse an Mainstream-Musik und als wir mit der Alternative-Szene in Berührung kamen, war es, als ob wir nach Hause kommen würden. Unser Bruder Henk war einmal Roadie bei einer Hardrock-Band und kurz danach gründete er seine eigene Punkband. Wir fanden das so toll und wollten das unbedingt auch haben. Also haben wir unsere eigene Band gegründet. Damals waren so viel weniger Frauen als heute in der Szene aktiv. Von dem Moment an wurde es ein wichtiger Teil unseres Lebens. Etwas, das wir nicht vermissen wollen.

Klaus:
Habt ihr dann auch die gleichen Tattoos?

Asrai:
Unsere ersten Tattoos haben wir tatsächlich zusammen bekommen, Henk war auch dabei. Margriet und Karin haben ein ähnliches Motiv, mit einem kleinem Unterschied zwischen den beiden, genau so, wie es auch zwischen Zwillingen ist. Nach einem Tattoo wirst du süchtig, aus einem wurden mehrere. Eine lustige Sache mit alten Bandphotos ist nicht nur, dass du dich selbst wachsen siehst, sondern auch deine Tattoos. Und die Geschichte geht weiter...

Klaus:
Mir gefallen die melodischen, aber rockigen Klänge auf "Touch In The Dark" sehr gut. Ist das Ergebnis so, wie ihr es euch zu Beginn der Aufnahmen vorgestellt habt?

Asrai:
Das hat sich beim Aufnehmen entwickelt. Sascha hat da die richtigen Akzente gesetzt.

Klaus:
Die Texte erscheinen mir sehr emotional und persönlich, weit entfernt von dem üblichen 'Wild-Roses-growing-in-Enchanted-Forest-Bla-Bla'-Zeug. Wer schreibt die Texte?

Asrai:
Die meisten Texte schreibt Margriet, einige werden von Rik geschrieben, zum Beispiel 'Pale Light', einige aber auch von Karin und von Serge, unserem ex-Gitarristen. Wir schreiben keine Liebesgedichtpoesie, sondern mehr über das Leben als solches und die Art und Weise, wie wir es erleben.

Klaus:
Und wer schreibt die Musik? Ist die Band da komplett beteiligt?

Asrai:
Ja, da ist die Band vollständig beteiligt, die meisten Stücke entstehen beim Jammen. Jeder leistet seinen eigenen Beitrag zu der Entwicklung der Songs, das ist für uns ein sehr wichtiger Faktor. Wir haben keinen Bandleader, dafür haben wir alle viel zu starke Charaktere. Beim Jammen hört man sich gegenseitig und dem Beitrag von jedem zu. Das ist sehr wichtig, um unsere Gefühle auszudrücken, als Einzelperson oder als eine Band.

Klaus:
Welche Auftritte habt ihr in naher Zukunft denn geplant, nach der Festivalsaison? Können wir darauf hoffen, euch demnächst in Deutschland zu sehen?

Asrai:
Ihr könnt uns in der nächsten Konzertsaison live sehen und hoffentlich können wir auch in Deutschland spielen. Wir hatten einige positive Reaktionen aus Deutschland und wir mögen die Loyalität des deutschen Publikums, das ist sehr inspirierend für eine Band. Wir hoffen, ein paar schöne Konzerte spielen zu können.

Klaus:
Ich wünsche euch alles Glück mit "Touch In The Dark" und den Erfolg, den die Scheibe verdient. Danke, macht's gut.

Asrai:
Danke dir, alles Gute.

Redakteur:
Klaus Coltrane

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