AT THE GATES: Interview mit Tomas Lindberg

09.07.2021 | 14:53

Wir schreiben das Jahr 2021 und blicken auf die letzten Monate zurück, in denen man sich vor sehr guten Veröffentlichungen kaum retten konnte. Mit "The Nightmare Of Being" bleibt hierbei vor allem ein in sich ungemein stimmiges, ausgefeiltes und wuchtiges Album im Gedächtnis, welches das dritte AT THE GATES-Werk nach dem Comeback 2011 markiert. Vor allem 'The Paradox' als erster Album-Appetizer ging durch Mark und Bein und zeigte das schwedische Abrisskommando in beeindruckender Form. Aus diesem Grund schnappten wir uns Frontmann, Urgestein und Aushängeschild Tomas Lindberg zum kurzen Plausch, dem die gute Laune von Beginn an anzumerken war.

"Uns geht es richtig gut und wir haben eine gute Zeit. Wir haben mit der aktuellen Scheibe ein für AT THE GATES bahnbrechendes Album veröffentlicht, bekommen von vielen Seiten gute Kritiken, alles wunderbar also." Alles im Lot also im Hause AT THE GATES, an denen der Kelch des Corona-Virus' leider auch nicht vorbeiging. "Mit dem letzten Album tourten wir mehr denn je, hatten viele Shows in den unterschiedlichsten Ländern. Und inmitten unserer Schreibphase schlug die weltweite Pandemie zu. Wir hatten allerdings schon vorher den einen oder anderen Song fertig oder zumindest die Ansätze, haben allerdings erst Anfang des letzten Jahres den Fokus auf das Songwriting gesetzt."

Doch nun steht mit "The Nightmare Of Being" ein Album in den Regalen, auf dem AT THE GATES die ungemeine Durchschlagskraft des melodisch angehauchten Death'n'Thrashs mit düsteren und progressiveren Nuancen verbindet und damit eine Kraft ihresgleichen entfacht. Woran liegt es, Tomas? "Ich denke, dass wir als Band an einem Punkt waren, den nächsten Schritt zu gehen, endlich alles in die Waagschale zu werfen, die unterschiedlichsten Einflüsse aufzunehmen und diese dann in den AT THE GATES-Sound einfließen zu lassen. Wir sind jetzt in einer Position, in der wir dies tun können, ohne die wesentlichen Elemente unseres Sounds dabei zu verlieren. Dadurch blieben wir uns selbst treu und konnten uns gänzlich der Platte hingeben."

Diese klingt bedrohlicher und wuchtiger als der Vorgänger "To Drink From The Night Itself". Wir fragten uns, ob es eventuell an der thematischen Ausrichtung des Albums liegt. "Alle Lieder basieren lose auf meinen Lesarten von pessimistischen Philosophen und Denkern. Ich habe unterwegs ein paar coole Sachen mitgenommen und es war eine lange Reise. Und genau das wollte ich nun mit unseren Fans teilen. Es ist allerdings kein negatives Album, nicht falsch verstehen! Es mag zwar düster sein, vermittelt dennoch sehr viel Hoffnung, was das Album zu einem sehr wichtigen Werk in unserem Backkatalog macht. Was das Album vom Vorgänger unterscheidet, ist in erster Linie der Fokus. Das ist eine unheimlich engagierte Platte. Wir haben beim Schreiben und den Aufnahmen zu "To Drink From The Night Itself" sehr viel über uns gelernt und können nun viel mehr von diesen Ideen einbringen, allerdings in einem wesentlich größeren Umfang. Natürlich gibt es Ähnlichkeiten zwischen beiden Alben, aber die aktuelle Scheibe ist filmischer, detallierter und sogar etwas strukturierter."

Sprechen wir kurz über den 'The Paradox'-Fiebertraum als wunderbaren Appetizer einer in sich hochspannenden Scheibe. Wir fragten den Frontmann, ob dieser Track die komplette Power und Eingängigkeit des Album repräsentiert. "Nun, das ist schwierig zu sagen. Tatsächlich war es einer der ersten Songs, an denen wir für das neue Album gearbeitet haben, er entwickelte sich aber erst mit zunehmender Dauer zu diesem Biest, auf das ich unheimlich stolz bin. Einen Song wie 'The Paradox' hätten wir in dieser Form in den 1990er Jahren niemals schreiben können, denn trotz der vielen Details und Strukturen, die für die Band neu sind, hat der Track eine unheimliche Power."

Und für den visuellen Reiz in Form des äußerst geschmackvollen und zur Scheibe passenden Artworks sorgte Eva Nahon. Auch dazu hatte der AT THE GATES-Sänger etwas zu sagen. "Es ist immer sehr lohnenswert mit einer Künstlerin ihres Kalibers zusammenzuarbeiten. Ich habe ihr lediglich ein paar Gedanken zum Grundkonzept gegeben, auch schon früh alle Texte und ihr gesagt, sie soll ihren Eindrücken von unserer Kunst freien Ausdruck verleihen. Am Ende war es super cool, das fertige Artwork zu sehen. Sie ist eine großartige Künstlerin und ich würde gerne wieder mit ihr arbeiten."

Zum Schluss fragten wir ihn noch nach seinen generellen Gedanken über die Melodic-Death-Metal-Szene heutzutage in Schweden und stellten ihn damit auf eine kleine Probe. "Eine schwierige Frage. Ich sehe uns eigentlich als Death-Metal-Band, vielleicht mit progressiveren Elementen. Von daher weiß ich nicht, ob es tatsächlich eine Melodic-Death-Metal-Szene gibt. Es gibt derzeit aber einige wirklich coole Bands aus Schweden, die man auf dem Zettel haben sollte. SWEVEN ist beispielsweise ziemlich toll, mir gefällt aber auch SPEGLAS." Die Namen sollte man sich notieren als Freund deftiger Klänge. Und als ob diese Frage nicht schon schwierig genug war zu beantworten, blieb im Hinblick auf den Titel des neuen Albums die Frage nach seinen persönlichen Albträumen noch offen. Auch hierauf gab es eine offene Antwort. "Ich denke, die Bedeutung des Titels ist eine Zusammenfassung dessen, was wir mit dem Album zu sagen versuchen. Es ist in Ordnung, sich nicht zu 100% gut zu fühlen, es ist in Ordnung, depressiv zu sein, das Leben IST ein Kampf und es wird Schmerzen und Leiden geben. Es ist die Angst vor diesen Dingen, die uns am meisten schmerzt. Lebe dein Leben voll und ganz und umarme deine Ängste." Ein wunderbarer Schlusssatz eines Gesprächs, bei dem selbstverständlich unser Gast das letzte Wort hat. "Hey allerseits, danke, dass ihr immer da seid und für die tolle Anerkennung des neuen Albums. Ich kann es kaum erwarten, euch alle bald wieder live zu sehen!"

"The Nightmare Of Being" ist seit dem 2. Juli überall erhältlich und erschien über Century Media.

Redakteur:
Marcel Rapp

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