AT THE GATES: Persönlicher Nachruf auf Tomas "Tompa" Lindberg
23.12.2025 | 21:00Tompa at the gates.
Es war in nicht allzu leichten Zeiten Ende des letzten Jahrtausends: Da bestellte ich bei Nuclear Blast CDs nach Covermotiv und Intuition. Die erste Bestellung bei NB mischte munter Melodic Death und Black Metal, nachdem mir CHILDREN OF BODOM, IN FLAMES, DARK TRANQUILLITY und AMORPHIS einen feinen Sommer beschert hatten und ich plötzlich mit Growls und Screams klarkam.
Mit dabei bei dieser ersten legendären Bestellung: DISSECTION: "Storm Of The Light's Bane", DARKWOODS MY BETROTHED: "Witch Hunt", WINDIR: "Arntor", GRIEF OF EMERALD: "Nightspawn", SACRILEGE (da spielte Tompa auch mal mit): "The Fifth Season" und eben AT THE GATES. "Slaughter Of The Soul" nannte sich deren Album und es sägte alles weg, was ich bisher kannte.
Weniger episch als all die anderen wunderbaren, unfassbar guten Alben der ersten NB-Bestellung (die heute noch in Dauerschleife gehört werden,
wie kreativ die damals alle waren) holzte es qualitativ hochwertig durch den Forst, nahm Feld, Wiesen und Fliegerhorst gleich mit, um Richtung Dorf zu schreddern: Lämmer und Dorfgemeinschaft waren ganz froh, denn Wölfe nahmen ebenso Reißaus wie Steuereintreiber und die Schergen des Grafen.
Tomas "Tompa" Lindberg schrie, growlte und giftete finster gelaunt, das beste "Goooo" der Metal-History inklusive. Magische, typische Schweden-Melodien gab es obendrauf. Den ganzen Herbst hindurch hörte ich die erworbenen Alben unentwegt, auch AT THE GATES. Ich machte damals ein Praktikum bei einem studentischen Verlag in Köln und wartete nur auf den Feierabend, um endlich daheim diese geniale Musik zu hören: eine echte Offenbarung.
Tompa wurde 1972 in Göteborg geboren. Der mehrfache Vater war Lehrer für Geographie, Gemeinschaftskunde, Geschichte, Religion und Politik und sozial engagiert. Seine Musikkarriere startete er mit GROTESQUE und gründete in den Neunzigern die später zur Legende werdenden AT THE GATES.
Leider war nach dem Album "Slaughter Of The Soul" Schicht im Schacht, und das, obwohl viele Death-Metal-Fans sehnsüchtig weitere Veröffentlichungen erwarteten. Stattdessen wirkte er bei diversen Bands mit: Seine Stimme veredelte unter anderem THE CROWN, DISFEAR, LOCK UP, THE GREAT DECEIVER, NIGHTRAGE und noch einige mehr.
Eine nette Anekdote: Tompa entwarf mit Drummer Fenriz den berühmten krakelig-zerfließenden DARKTHRONE-Schriftzug. Der umtriebige Musiker beeinflusste Melodic Death ebenso wie Crust, Punk und Hardcore. Neuere Metalcore-Bands beziehen sich oft auf AT THE GATES und Tompas Gesangstechnik, aber auch auf deren Songstrukturen.
AT THE GATES waren die Härtesten, es dauerte bis 2014 und somit 15 Jahre, bis ich das nächste (neue) Album in Händen halten sollte. Die Band feierte Mitte der Zehnerjahre ein grandioses Comeback. Ich sah sie auf dem Summer Breeze 2018 in großartiger Form. Sie wurde vielseitiger, komplexer, auf dem letzten Album "The Nightmare Of Being" tauchten Streicher auf, ein Saxophon, atmosphärische Momente; einfach superb, diese Entwicklung. Dass die Band mal so gekloppt hatte - obwohl, zur Sache ging es immer noch.
Ich wartete zuletzt sehnsüchtig auf ein neues Opus mit der heiseren Stimme und viel versteckter und offen ausgelebter Kreativität. Leider wurde nichts daraus: Tompa Lindberg starb am 16. September 2025 im Alter von nur 52 Jahren an den Folgen von Krebs. Seine Musik wird weiterleben, seine markant-heisere Stimme, die auch flüstern und klar singen konnte, verleiht in diesem Moment, während ich den Text verfasse, dem großartigen Song 'Garden Of Cyrus' die typisch dunkle Atmosphäre. Tomas Tompa Lindberg is knocking at the gates. R.I.P.!
Fotocredits: Livefotos AT THE GATES von Felicitas Päbst (Wacken Open Air 2015, Fotos ganz oben und ganz unten) und von Stefan Schumann (Party.San 2016, zweites Foto von oben).
- Redakteur:
- Matthias Ehlert





