BABY GRACE: Interview mit Florian Deutsch

01.01.1970 | 01:00

BABY GRACE haben mit "The Divine Principle Of Dancecore" eine sehr interessante und abwechslungsreiche Platte veröffentlicht, die mehrere Genres in sich vereint. Grund genug, Drummer und Bandkopf Florian ein paar Fragen zu stellen...

Martin:
Stelle doch bitte eingangs eure Band und die Musik, die ihr spielt, kurz vor.

Florian:
Wir sind vier Musiker und ein Texter, die durch jahrelange Berufserfahrung in der Musikbranche einen eigenen Stil in Komposition, Arrangement und Text entwickelt haben. Wir nennen ihn Dancecore.

Martin:
Wie habt ihr euch als Band gefunden?

Florian:
BABY GRACE war Anfangs ein Studioprojekt von mir. Ich komponierte vor einigen Jahren mehrere Songs für eine kanadische Sängerin, LESLEY GOUNT, und suchte Musiker für die Einspielungen. Ich kannte durch meine Arbeit als Toningenieur einen sehr guten Bassisten: Wilhelm Tümmers. Lesley ihrerseits kannte einen Gitarristen namens Karsten Nordhausen. Mit diesen Musikern spielte ich die Songs für Lesley ein. Das bei den Aufnahmen nicht verwendete, übrig gebliebene Material bildete die ersten Ideen für mein Projekt. Wilhelm suchte zeitgleich einen Gitarristen für ein Projekt mit Schlagzeuger Stefan Schwartz und fragte Karsten. Die Drei gründeten die Band FRENCH POLISH, die ich wiederum 1998 bis 1999 als Produzent, Toningenieur und Plattenlabel begleitete. Danach verloren wir uns etwas aus den Augen. Ich arbeitete an meinem Projekt BABY GRACE weiter und holte mir den Gitarristen Georg Palm, den ich mit seiner damaligen Band SEVEN SINS bei einer Tonträgerproduktion kennen lernte, zum Einspielen der ersten BABY GRACE-Platte in mein Studio und arbeite seitdem mit ihm zusammen. Für die zweite Platte "The Divine Principle Of Dancecore", die kein reines Studioprojekt mehr sein sollte, brauchte ich einen Bassisten und eine Sängerin. Es war für mich klar, Wilhelm an den Bass zu bitten. Für den Gesang gab es nur Julita Elmas aus den Niederlanden, die für mich in Frage kam. Ich lernte sie bei mehreren Gigs einer Gala- und Begleitband kennen, die ich für die Dauer eines Jahres live als Toningenieur betreute. Die Band spielte übrigens für Musicalstar Anna Maria Kaufmann und einige andere nicht unwichtige Stars.

Martin:
Wie kam es zu der ungewöhnlichen Situation, mit Thomas Schwabe einen Texter zu haben, der gar nicht im herkömmlichen Sinne Bandmitglied ist bzw. mit euch auf der Bühne steht? Im Bereich der anspruchsvollen Rock- und Popmusik zeichnen sich doch normalerweise die beteiligten Musiker auch für textliche Konzepte und die Texte selbst verantwortlich?

Florian:
Ein Lied ist für mich ein Gesamtwerk, bestehend aus Melodie, Harmonie und Text. Der Text hat daher den selben Stellenwert wie die Musik. Selten habe ich selbst ausgezeichnete Komponisten gute Texte schreiben sehen. Ich wollte daher eine Aufteilung der Aufgaben. Lass den Schriftsteller texten und den Komponisten und Musiker komponieren. Ich bat Thomas Schwabe, den ich während der Aufnahmen mit einer anderen Band, für die er damals
Texte schrieb, kennen gelernt hatte, die Texte für das zweite BABY GRACE-Album zu schreiben. Nachdem ich ihm von meiner Vorstellung von BABY GRACE und der Grundidee zu einem Song erzählte und ihm ein Playback vorgespielt hatte, erstellte er das Textkonzept zu "The Divine Principle Of Dancecore" und schrieb die Liedertexte. Durch seine Arbeit gehört er natürlich fest zu BABY GRACE, genauso wie unsere Managerin und Designerin Arantza Moral, deren Arbeit den gleichen Stellenwert hat, um die Band nach vorne zu bringen.

Martin:
Ist die Tatsache, dass ihr im Prinzip mehrere Musikstile (Rock, Pop, Funk etc.) in eurem (recht einzigartigen) Sound vereint, ein Vorteil oder eher ein Nachtteil, weil ihr dadurch nicht eine bestimmte "Zielgruppe" ansprecht, sondern "auf mehreren Hochzeiten tanzt"?

Florian:
Es gibt meiner Meinung nach keinen Vor- oder Nachteil in der Tatsache, dass wir mehrere Musikstile vermischen. Eine Mischung ist sowieso vorprogrammiert. Wir sind unterschiedliche Individuen, aus unterschiedlichen Lebensräumen und Kulturen. Ich z.B. bin ein waschechter Wiener, Julita ist eine indonesische Niederländerin. Das Einordnen von Musik in irgendwelche Schubladen, um darüber eine - wie auch immer geartete - Zielgruppe zu erreichen, war noch nie etwas für mich. Musik steckt in jedem Lebewesen. Musik ist Ausdruck unserer Kultur. Alles weitere wird von persönlichen Vorlieben geregelt, ist also Geschmackssache. Man könnte nun zwar einwenden, dass wir uns keinen Markt erschließen, indem wir keine 'Spartenmusik' machen. Dem können wir jedoch genauso gut entgegenhalten, dass wir uns keinem Bereich verschließen...

Martin:
Was sind eure größten (musikalischen) Einflüsse? Bei einer x-beliebigen Power-Metal- oder Speed-Metal-Band sind die Antworten auf diese Frage meist wenig überraschend. Bei euch ist die Antwort schwer vorauszusehen...

Florian:
Unsere musikalischen Einflüsse sind auch für mich etwas überraschend, zumindest was die Antworten meiner Kollegen betrifft. Ich fange mit der Band an:

Julitas Einflüsse sind die Bands SHAKA KAHN und MOTHERS FINEST. Sie lernte und sang seit ihrer frühsten Kindheit die Musicals "Hair" und "Jesus Christ Superstar". Wenn man Wilhelms Basslinien hört, erkennt man sofort den Einfluss von THE CURE, DAVID BOWIE und PINK FLOYD. Georg fährt total auf MEGADETH und CORONER ab und ich selbst wuchs mit Oper und absoluter Musik auf. 1978 schaffte ich es dann endlich, heimlich Radio zu hören und entdeckte die spanische Band BACCARA. Kurz darauf kamen dann die BEATLES dran, um dann letztendlich bei YES, SAGA, THE ALAN PARSONS PROJEKT und DEEP PURPLE anzulangen. Mein Vater nannte das alles leicht abfällig kurz und bündig Jazzmusik und ich ärgerte mich, denn er selbst ist Dirigent und war zuletzt stellvertretender Direktor der Wiener Staatsoper. Mein Klassikhören blieb trotzdem und meine Lieblingsopern sind "Die Frau ohne Schatten" von Richard Strauss, "La Traviata" von Giuseppe Verdi und "Tosca" von Giacomo Puccini. Thomas hört sowohl die SCHWEISSER als auch THRESHOLD und MIKE NESS. Unsere Designerin Arantza steht auf THE CURE, SUPERTRAMP, DIRE STRAITS, THE ALAN PARSONS PROJEKT und das Musical "Fame". Du siehst, auch hier sind wir 'schwierig'.

Martin:
Wie genau schreibt ihr Songs? In eurer Presse-Info habe ich gelesen, dass ihr ein festes Schema habt, nach dem in einer genauen Reihenfolge jeder nach dem anderen seinen Teil arrangiert/einspielt? Geht auf diese Art und Weise nicht das Bandfeeling ein wenig unter?

Florian:
Bis jetzt entstanden unsere Stücke auf eine außergewöhnliche Art und Weise. Ich trommelte die Lieder ein, nachdem ich sie zuvor im Kopf arrangiert hatte. Dann spielte Georg die Rhythmusgitarren ein. Manchmal hatte ich schon Harmonien mit Synthesizern zuvor gemacht, bei anderen Liedern übernahm Georg diese Aufgabe. Ich musste zum Glück nichts im Arrangement ändern, weshalb es auch keine Schnitte in den Playbacks gibt. Wilhelm hörte dann sich unser Werk an und spielte seine Basslinien. Ich arbeitete an den Synthesizern und an der Orchestrierung und mischte die Playbacks. In der Zwischenzeit schrieb Thomas die Texte in Form von Kurzgeschichten unter Berücksichtigung von Sprachrhythmik, jedoch ohne die sonst übliche Strophe-Refrain-Struktur. Zuletzt erarbeitete ich mit Julita die Melodien mit Thomas Texten. Danach machte ich die Mischung für das Mastering fertig. Dann gingen wir in meinen Proberaum und spielten zum ersten Mal in unserem Leben zusammen! War das ein tolles Gefühl! Es war unglaublich, denn das Harmonieren im Bereich der Komposition bedeutet noch lange kein gutes Feeling beim Zusammenspielen der komponierten Songs. Bei uns klappte glücklicherweise beides, so dass wir nach drei Proben unseren ersten Gig spielten. Es ist schön zu merken, dass wir als Team bei der Arbeit, wie auch in der Freizeit so gut zueinander passen, dass wir auch die logischerweise auch bei BABY GRACE auftretenden Höhen und Tiefen durchstehen können. Aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft, die aufgrund der besonderen Fähigkeiten der einzelnen Personen entstand, ist eine Band mit Zusammenhalt geworden.

Martin:
Das Booklet der neuen CD "The Divine Principle Of Dancecore" ist graphisch recht aufwendig gehalten und die Illustrationen beziehen sich augenscheinlich auf die Texte eurer Songs. Wie wichtig ist diese graphische Untermalung der Texte? Und wer hat die Illustrationen eigentlich gezeichnet?

Florian:
Bei einer Veröffentlichung eines Tonträgers ist mir als Produzent und Labelbesitzer wichtig, dass keiner der einzelnen Bereiche des 'Produkts' CD (Musik, Text, Design) hinter dem anderen her hinkt. Eben auch wieder die Idee des Gesamtkunstwerks. Was ist eine tolle Musik mit prima Texten, die in einer CD steckt, welche man am liebsten im Wäscheschrank versteckt? Arantza hat bereits bei der ersten CD mitgearbeitet. Von ihr ist die Idee, das gesamte Booklet als Comic zu gestalten, sie schlug vor, die Bilder von einem Kind zeichnen zu lassen. Nachdem die 12-jährige Naomi, der Julita und Arantza die Geschichten der einzelnen Songs erzählt hatten, die Bleistiftzeichnungen fertig hatte, wurden diese von Arantza am PC bearbeitet und koloriert. Das Bandlogo wurde ebenfalls von ihr entworfen und hat bisher eine durchweg positive Resonanz gehabt. Die Nachfrage nach den Shirts mit Bandlogo ist enorm!

Martin:
Was ist euer größter Traum in Bezug auf BABY GRACE?

Florian:
Schön wäre natürlich, die oft zitierte Welttournee finanziert zu bekommen. Georg ruft gerade, dass er MEGADETH im Vorprogramm auch nicht schlecht fände. Thomas befürwortet Backstagepässe in Buchform, Arantza giftgrüne Plüschsofas, Wilhelm eine Person, die von morgens bis abends seinen Bass poliert und Julita möchte gerne mal Herrn Versace die Tür vor der Nase zuschlagen. Und ich? Eine Tournee in Deutschland, mehr Sonne und ROBBIE WILLIAMS als Studiomusiker in der Ecke sitzen zu haben.

Martin:
Wie ist eure Haltung gegenüber dem Internet? Welche Aspekte stehen für euch im Vordergrund? Die positiven Aspekte wie die Möglichkeit der fast zeitnahen Informationsübermittlung und schier unbegrenzten Archivfunktion oder die negativen Aspekte wie illegale Musikkopiererei, Internetkriminalität etc.?

Florian:
Das ist auch so eine Geschichte, die sich nicht so einfach darstellen lässt. Wir nutzen das Internet natürlich für uns. Das Kommunikationspotenzial dieser Einrichtung ist unglaublich. Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Raubkopiererei ist nur eine negative Begleiterscheinung des Internets. Das Problem ist, dass die Entwicklung der Technik viel schneller voranschreitet als die Entwicklung der nötigen Kontrollgremien. Da muss eben permanent dran gearbeitet werden. Sicher werden immer irgendwo neue Sicherheitslücken und neue unschöne Möglichkeiten entdeckt werden, aber deshalb das Internet verfluchen? Wir schneiden doch auch jeden Morgen unser Brot mit einem Brotmesser, obwohl sich jeder von schon einmal geschnitten hat.

Martin:
Wie und wo kann man euch live erleben?

Florian:
Zunächst spielen wir noch die beiden großen lokalen Rockereignisse, das Frankenberger Open-Air in Aachen am 14. August und die Aachener Rocknacht im Herbst. Ab Anfang Oktober sind wir dann erst mal mehrere Wochen in Spanien auf Tour. Belgien und Niederlande sind in Planung. Alles weitere auf unserer Homepage www.babygrace.de.

Martin:
Zum Schluss noch vielen Dank für das Interview, und gibt es noch etwas, das ihr in Richtung der Leser von POWERMETAL.de loswerden möchtet?

Florian:
Wir würden uns freuen, euch alle auf den nächsten Gigs zu sehen. Vielleicht habt ihr ja gerade nichts vor und Lust, mal eben auf eine Cerveza in Spanien vorbeizuschauen? Ansonsten besucht unsere Homepage, bombardiert uns mit Fragen, schickt Julita Liebesbriefe und lasst euch Nacktfotos unseres Gitarristen schicken! Und wenn Ihr dann schon mal auf unserer Homepage seid, dann habt ihr selbstverständlich auch die Möglichkeit, unsere CDs zu
bestellen und damit die neidvollen Blicke eurer Freunde auf euch zu ziehen.

Redakteur:
Martin Stark

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