BACKYARD TIRE FIRE: Interview mit Tim Kramp, Ed Anderson

15.04.2007 | 18:59

BACKYARD TIRE FIRE touren sich in den Staaten mächtig den Arsch ab - zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man sich den meilenlangen Terminkalender sowie das liebevoll geführte Tour-Tagebuch auf ihrer Homepage zu Gemüte führt. Ich sehe die Brüder Ed (Gesang, Gitarre) und Matt Andersen (Bass) sowie Tim Kramp (Schlagzeug) förmlich vor mir, wie sie in einem klapprigen Van jedes noch so verschlafene Nest ansteuern, so lange man ihnen eine Bühne, ein Bett und ein paar Bier bietet.

Den Fans in der Alten Welt bleibt derweil nur das aktuelle Album "Vagabonds And Hooligans", ein wunderbar entspanntes musikalisches Roadmovie zwischen Country, Rock und Blues. Von irgendwo unterwegs melden sich jedoch Tim und Ed mit der Überzeugung zu Wort, bald auch die europäischen Fans live von sich einnehmen zu können.

Elke:
Ihr scheint in den Staaten nahezu permanent auf Tour zu sein, aber hier in Europa kennt man euch bisher kaum. Erzähl mir daher bitte zunächst etwas über euch.

Tim:
Das stimmt, in Europa sind wir vermutlich noch ziemlich unbekannt, aber wir brennen darauf, das zu ändern. Die Jungs in der Band hatten alle bereits verschiedene Jobs und spielten in den unterschiedlichsten Bands, bevor wir uns als BACKYARD TIRE FIRE zusammenfanden. Unser Ziel ist es, unsere Musik einem größtmöglichen Publikum zu präsentieren.

Elke:
Ich kam vor drei Jahren bereits in den Genuss des Vorgängers, "Bar Room Semantics", habe seitdem aber überhaupt nichts von euch gehört. Hat man es als Band mit einem doch recht amerikanischen Musikstil schwer, sich in Europa zu behaupten?

Tim:
Wir waren ehrlich gesagt positiv überrascht, als wir herausfanden, dass bereits so viele Menschen in Europa unsere Musik für sich entdeckt haben. In den Staaten konnten wir das Album auf hunderten von Konzerten bewerben, und auch die hiesige Presse mochte es sehr. Aber zu diesem Zeitpunkt hatten wir leider noch nicht die Möglichkeit, in Europa zu touren. Jetzt mit "Vagabonds And Hooligans" sieht die Sache schon etwas besser aus. Wir alle freuen uns, so schnell wie möglich zu euch rüber zu kommen.

Elke:
Ich kenne mich ehrlich gesagt im Country/Roots-Rock/Blues-Genre, dem viele Kritiker euch zuordnen, überhaupt nicht aus. Kannst du noch ein paar andere Bands empfehlen?

Tim:
Oh ja, es gibt derzeit viele tolle Bands. Checkt man MALCOLM HOLCOMBE (http://www.malcolmholcombe.com ) an. Wir haben auch schon etliche Shows mit einem Typen namens WILLIAM ELLIOT WHITMORE (http://www.williamelliottwhitmore.com ) gespielt, der echt klasse ist. Auch LUCERO (http://luceromusic.com ) und THE BOTTLE ROCKETS (http://www.bottlerocketsmusic.com ) sind beide großartig und ständig auf Tour. Sie alle sind sehr gute Songwriter.

Elke:
Danke für die Tipps - werde ich mal antesten. Aber auch eure aktuelle Platte bekam überall gute bis sehr gute Reviews. Gerade in der Metalszene wird diese sehr entspannte Rock-Musik als willkommene Abwechslung zu all den lauten und harten CDs, die man normalerweise zu hören bekommt, empfunden.

Tim:
Oh, unsere Shows können aber ziemlich heavy sein. Wir sind demnächst mit einer Band namens CLUTCH (http://www.pro-rock.com ) auf Tour, und ich bin gespannt, wie deren Fans auf uns reagieren. Unsere Alben unterscheiden sich nämlich stark von unseren Live-Gigs, die denke ich viel dynamischer sind.

Elke:
Obwohl eure Songstrukturen auf den ersten Blick ziemlich simpel erscheinen, gibt es viele kleine Details, die sich erst nach und nach erschließen. Dadurch findet man schnell Zugang zur Musik, hat aber auch langfristig Spaß daran. Wie lange arbeitet ihr normalerweise an einem neuen Song?

Ed:
Jetzt übernehme ich mal das Antworten. Wie lange es dauert, ist ganz unterschiedlich. Manchmal schreibe ich einen kompletten Song innerhalb von wenigen Minuten, ein anderes Mal dauert es einen ganzen Monat, bevor er richtig fertig ist. Das Wichtigste für mich ist, dass man nichts zu erzwingen versucht. In der Regel skizziere ich zunächst ein neues Stück, bis ich das richtige Gefühl dafür entwickle und mir die passenden Worte in den Sinn kommen.

Elke:
Gutes Stichwort. Ich finde eure Texte nämlich sehr hübsch. Sie erzählen kleine, meist traurige Geschichten, in die sich jeder hineindenken kann. Verwendest du viel Zeit darauf?

Ed:
Die Texte sind mir sehr wichtig, weswegen ich manchmal Tage oder Wochen damit verbringen, einer Strophe oder einem Refrain den letzten Schliff zu verpassen.

Elke:
Das Artwork von "Vagabonds And Hooligans" spiegelt die Musik wunderbar wider. Von wem stammt es?

Ed:
Der Name der Künstlerin ist Anna Kipervaiser. Wir sind alle sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Sie zeichnete sich übrigens bereits für das Cover von unserer letzten EP "Skin & Bones" verantwortlich. Auf dem Bild sieht es genau so aus wie in der Ecke, wo wir leben, im Flachland des mittleren Westens Amerikas. Und die schemenhaften Menschen passen gut zum Konzept des Albumtitels. Sie ist eine echte Künstlerin!

Elke:
Eingespielt habt ihr das Album im Oxide Lounge Recording Studio in Bloomington, das stolz ist auf seine analoge Aufnahmetechnik. Wie groß war der Einfluss dieses speziellen Studios auf eure Musik?

Ed:
Sehr groß, den sie würde anders klingen, wenn wir sie in einem modernen Studio aufgenommen hätten. Das beste Medium ist und bleibt für mich das Tonband. Das ist ein komplexer Prozess, den viele Leute angesichts der heutigen modernen Technik als nicht mehr notwenig erachten. Aber das Ergebnis klingt einfach besser, man bekommt einen sehr organischen Klang. Ich vermute, unsere Leistung als Musiker wäre auf einem Pro-Tools-Album, um ein anderes Beispiel zu nennen, die gleiche - aber der Sound wäre völlig anders.

Elke:
Es waren viele Gastmusiker an dem Album beteiligt, auf der Bühne seid ihr allerdings nur ein Trio. Inwieweit unterscheiden sich die Live-Versionen von den Album-Versionen?

Ed:
Wenn wir ein Album aufnehmen, versuchen wir die Musik so zu gestalten, dass sie dem Song dienlich ist. Manchmal beinhaltet dies nur Gesang und Klavier, manchmal braucht man einen ganzen Raum voller Gastsänger. Aber das Gefühl, das die Songs vermitteln, ist live das selbe.

Elke:
Wie darf man sich ein BACKYARD TIRE FIRE-Konzert vorstellen? Eine Hand voll Leute, die an der Bar mit einem Whiskey-Glas in der Hand über ihr Leben sinnieren, oder doch eher ein durchgedrehtes Rock'n'Roll-Publikum?

Ed:
Wir sind definitiv eine Rock'n'Roll-Band, die mit ihrem Publikum zusammen eine gute Zeit haben will. Aber wenn wir das Gefühl haben, dass die Leute darauf anspringen, spielen wir auch ein paar Akustik-Stücke. Wir legen die Setlist niemals vorher fest, sondern machen sie davon abhängig, wie wir uns gerade fühlen und wie die Menschen auf uns reagieren.

Elke:
Das klingt spannend! Wann können wir das hier in Europa erleben?

Ed:
Bald!

Elke:
Klare Ansage. Eine Geschichte in eurem Tourtagebuch erzählt von einem Tag, an dem offenbar alles schief ging. Zunächst sprang das Auto nicht an und ihr musstet stundenlang in eisiger Kälte (und natürlich ohne Standheizung) auf den ADAC warten. Die Polizei, die zufällig vorbei kam, hielt euch für Autodiebe und hätte euch fast festgenommen usw. Fragt man sich in solchen Momenten, warum man sich das Leben "on the road" überhaupt antut, statt sich jeden Tag für acht Stunden in einem gemütlichen Büro zu vergraben und abends in ein warmes Bett zu fallen?

Ed:
Überhaupt nicht! Es ist manchmal ein hartes Leben, aber wir lieben es. Keine Ahnung, was ich machen würde, wenn ich nicht die Gelegenheit hätte, einfach rauszugehen und zu spielen, so wie wir es tun. Autopannen sind ja nur ein kleiner Teil eines sehr großen Bildes. Wir sind hier, um Musik zu machen!

Elke:
Anfang des Jahres habt ihr es als "das offizielle Jahr von BACKYARD TIRE FIRE" ausgerufen. Was habt ihr für Pläne?

Ed:
Wir hoffen auf eine Europa-Tour irgendwann dieses Jahr und natürlich viele viele Gigs hier in den Staaten. Außerdem haben wir etliche Stücke in petto, die wir gerne aufnehmen würden, sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt. Behaltet einfach unsere Webseite im Auge, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Redakteur:
Elke Huber

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