BETONTOD: Interview mit Frank Vohwinkel
01.04.2015 | 23:49Was sind die passenden Worte, um ein Interview mit einer Band zu beginnen, die man schon sehr, sehr lange für das verehrt, was sie macht? Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger fällt mir ein ... dabei ist es eigentlich doch so einfach! Es ist schön wenn Träume in Erfüllung gehen - für mich geht mit diesem Interview ein kleiner Traum in Erfüllung, während BETONTOD mit dem neuen Album "Traum von Freiheit" eben von selbiger noch träumt. Unter Garantie aber muss das Pott-Quintett auf eine bestimmte Sache nicht hoffen - diese ist in jedem Fall so sicher, wie das Amen in der Kirche! Was mag das wohl sein? Erfolg! Es ist geradezu beängstigend, wie zielsicher man mit allen 12 neuen Stücken einen Volltreffer nach dem Anderen landet. Alle Zeichen stehen also im Hause BETONTOD auf Sturm. 2015 werden keine Gefangenen gemacht! Ob das die Band ähnlich sieht, warum die Herrn in Grün plötzlich alle blau sind und BETONTOD auf Songs übers Blausein plötzlich verzichten, verrät uns der Ober-Betonmischer-Fahrer und Bandsprachrohr Frank (Vohwinkel, Gitarre).
Frank, gleich zu Anfang - Glückwunsch zum neuen Album! Schon als ich das Video zum Titelstück im Vorfeld gesehen habe, war mir klar, dass da ein Überhammer an den Start kommt. Hat sich letztlich bewahrheitet. Respekt!
Danke. Wir freuen uns wenn es gefällt.
Ihr habt euch im letzten Jahr extrem rar gemacht und auch etliche Live-Geschichten abgesagt (auch richtig große Sachen), weil ihr euch voll und ganz auf das neuen Album konzentrieren wolltet, da "Traum von Freiheit" ein besonderes Album werden sollte. Hat sich die Zeit aus eurer Sicht gelohnt – ist das Album etwas Besonderes geworden?
Im Endeffekt ist für uns jedes Album etwas Besonderes, auch wenn sich das abgedroschen anhört, aber in jedes Album investiert man eine Menge Zeit und was noch viel wichtiger ist, eine Menge an Herzblut.
Wenn's genehm ist, würde ich ganz gerne ein paar Zitate aus eurem Label-/Bandinfo abklappern und hören, was du so dazu sagst bzw. denkst.
"BETONTOD sind bereit, 2015 könnte ihr Jahr werden."
"Könnte" klingt in dem Zusammenhang irgendwie pessimistisch. Glaubt ihr oder euer Label nicht an euch? Warum nur "könnte" und nicht "wird"? Anders gefragt, was müsste denn passieren, dass 2015 nicht euer Jahr wird? Ein Weltuntergang? Mit dem Album im Gepäck kann doch eigentlich überhaupt nichts schiefgehen.
Das ist eine Frage, die man dem Label stellen muss. Für uns wird es ganz bestimmt ein sehr gutes Jahr, weil wir endlich wieder auf Tour gehen und dort viele alte Bekannte treffen werden und dass die Tour voll wird, zeichnet sich schon seit ein paar Wochen ab. Das ist für uns das Wichtigste. Chart-Positionen sind nur was für's eigene Ego. Zuschauer vor der Bühne sind der Lohn für unsere Arbeit!
"Denn wer in Eigenregie über 1000 Konzerte organisiert, sieben Studio- und drei Live-Alben veröffentlich hat, der macht viel richtig."
Was genau ist euch denn aus eurer Sicht bisher gut gelungen und was ist der kleine Rest, den ihr falsch gemacht habt?
Unsere Entwicklung geht seit ein paar Jahren stetig nach oben. Das wird schon seine Gründe haben. Ich denke, dass wir halt eine authentische Band zum Anfassen sind, "Antirockstars" eben. Falsch gemacht haben wir mit Sicherheit einiges, aber das ist auch gut so, weil wir nur an den Sachen, die nicht so laufen, sehen, wo wir uns selbst noch verbessern können.
"Wer als Punkband zweimal auf dem größten Metal-Festival der Welt in Wacken gespielt hat, der hat genug Selbstbewusstsein, um den Nachfolger eines Top 10-Albums anzugehen und den nächsten Schritt zu tun."
Hättet ihr dort nicht gespielt, wärt ihr die Arbeiten an "Traum von Freiheit" weniger selbstbewusst angegangen? Was hat Wacken in euch bewirkt, welchen Weg aufgezeigt?
Das ist auch so ein Blabla-Satz. Natürlich war Wacken für uns ein wichtiger Schritt, aber Selbstvertrauen haben wir auch so genug an Bord. Dass wir dort gespielt haben, hat uns eines gezeigt, dass die Art von Musik, die wir machen auch den Metalheads gefällt. Das hat uns sehr gefreut, weil wir (zumindest zur Hälfte) auch sehr große Metalfans sind.
"Wir wollen uns nicht in die Grauzone vieler anderer Bands begeben, sondern zeigen, dass man auch auf der richtigen Seite richtige Aussagen machen kann".
Was meint ihr in dem Zusammenhang mit "richtige Aussagen"? Richtig im Sinne von "Ich stehe auf dieser Seite, also mache ich meiner Seite entsprechend die richtige Aussage" oder aber "Ich stehe zwar auf dieser Seite, aber hier ist mein klares Statement, egal ob's dir passt oder nicht"? Sind eurer Meinung nach wirklich so viele Bands Grauzone?
Es ist wichtig, sich jederzeit zu seiner politischen Einstellung äußern zu können. Ohne Ausreden, gerade heraus. Das hat nichts damit zu tun, was wir als Band machen. Wir sind mit Sicherheit keine Politpunkband, aber wir haben eine klare Haltung zu diversen Dingen. Diese Meinung ist definitiv links und nicht rechts. Dass uns einige in diese Grauzone schieben wollen, nehmen wir zu Kenntnis und wahrscheinlich passt es diesen Leuten ganz gut, uns mit Schmutz zu bewerfen. Sie werden uns aber nicht treffen. Wir stehen auf der richtigen Seite.
So, lassen wir die Zitate mal hinter uns und unterhalten uns direkt über's neue Album.
"Entschuldigung für Nichts" landete 2012 auf Platz 10 in den Charts. Setzt einen das unter Druck beim nächsten Mal ein noch höhere Platzierung erzielen zu müssen oder ist eine Chartplatzierung nur ein angenehmer Nebeneffekt neben der Tatsache, dass man selbst mit dem Album zufrieden ist?
Dass man selbst mit dem Album zufrieden ist, ist die Voraussetzung, dass man die Scheibe rausbringt. Wenn man das nicht ist, sollte man es bleiben lassen. In erster Linie ist diese Chart-Platzierung nur wichtig für euch Schreiberlinge. Wenn man da vorne stattfindet, erwähnt ihr das. Und man steht im Fokus. Es wäre viel schöner für die Bands, wenn das nicht so eine große Rolle bei euch spielen würde. Uns ist das nicht egal, aber nicht so wichtig, dass wir davon irgendetwas abhängig machen.
Stimmt schon. Je höher die Platzierung, desto mehr Presse stürzt sich auf eine Band. Mir persönlich ist das aber ziemlich egal. Ich mache es nicht von Chartplatzierungen abhängig, ob ich eine Band gut finde oder ein Interview mit selbiger führe. Aber gut, lassen wir das.
Habt ihr das Gefühl Gefangene zu sein oder warum träumt ihr von Freiheit? Was genau verbirgt sich hinter dem Albumtitel? "Ich bereue nichts" wäre doch auch ein markiger Albumtitel geworden...
In diesen Zeiten geben wir immer mehr Freiheit für Sicherheit auf. Das geht uns tierisch auf den Senkel und unsere Politik wird auch immer butterweicher. Da ist es schon wichtig, auch mal ein politisches Statement abzugeben. Und die wichtigste Message in diesem Song ist, dass es nur gemeinsam gehen wird. Wir sind alle vom gleichen Blut. Es nützt nichts, wenn geistig minderbemittelte Unterschichten sich gegen Asylanten stellen und dort ihr Feindbild finden. Die Feinde sitzen ganz woanders...
Unschwer zu erkennen ist, dass "Traum von Freiheit" eine ordentliche Metal-Schlagseite hat - wieder mehr als zuletzt in der Vergangenheit. 'Ihr könnt mich' z.B. ist das volle Brett und auch 'Flügel aus Stahl' haut in eine ähnliche Kerbe bzw. erinnert irgendwie an MAIDEN. Wie kommt's? Haben die Shows in Wacken ihre Spuren hinterlassen?
Wir sind halt große MAIDEN-Fans. Dass sich das auch in unseren Liedern wiederfindet, ist ganz normal und finden wir daher eher gut. Wir möchten unsere Musik ja auch selbst hören und so eine Art Mix aus Metal und Punk ist doch genial.
'Für immer' hat ja schon regelrecht Klassik-Anwandlungen. Gibt’s bei euch jemanden in der Band, der eine Klassik-Affinität an den Tag legt?
Nein, das wäre mir neu, wäre aber auch nicht schlimm. Wir haben da keine Berührungsängste, was verschiedene Stilrichtungen angeht. Eventuell zum Schlager, aber das wäre ja auch gerechtfertigt... (Wirklich? Warum nur? :-) - Anm. d. Verfassers).
Wie schwer ist es eigentlich in jedem Song einen Hammer-Refrain an den Start zu bringen, der sich schon beim ersten Hören voll ins Gehör fräst? Gibt's dafür ein Patentrezept? Ihr habt das ja ziemlich gut drauf...
Das muss aus dem Bauch kommen. Da gibt es kein Rezept für!
Und wie ist das mit den Texten? Wie lange arbeitet ihr an den Texten zu einem Album? Ich finde, da hat bei euch alles Hand und Fuß, viel Pathos ohne je kitschig zu wirken - einfach gut durchdachte Texte mit viel Tiefgang. Die schüttelt man doch sicher nicht mal eben so aus dem Ärmel, oder?
Das war bei diesem Album die größte Baustelle. Wir haben uns jeden Text und darin jede Zeile angeschaut und jede Zeile musste über eine Hürde. Wenn sie nicht drüber gekommen ist, ist sie rausgeflogen. Nach diesem Album war ich, was Texte angeht, vollkommen ausgelaugt. Aber ich denke man wird merken, dass wir uns hier viel mehr Arbeit gemacht haben.
Allerdings merkt man das - keine Diskussion. Ein weiteres Highlight ist auch das Cover zum neuen Album "Traum von Freiheit". Ich persönlich finde es extrem gut gelungen.
Wie ist der Traum von Freiheit jetzt zu realisieren - mit der Faust oder doch friedlich? Beides ist ja symbolisch durch die Friedenstaube und die Faust angedeutet. Haltet ihr euch ein Bekenntnis hierzu mit dem Cover offen?
Genau das hat uns auch geflasht bei diesem Symbol. Das halt beides enthalten ist, was es derzeit braucht. Den stetigen Kampf für Freiheit und den Frieden, den eigentlich jeder möchte. Unsere Regierungen schaffen es aber trotzdem, dass wir unsere Brüder ermorden und bekriegen. Das ist für uns absolut absurd, aber irgendwie schaffen die es. Wahrscheinlich eine Mischung aus Dummheit und Angst!
Gab's eigentlich für "Glaube, Liebe, Hoffnung" und "Antirockstars" wegen der vielen nackten Haut auf dem jeweiligen Cover aus dem Punk-Lager von wegen "Sexismus" kritische Worte? Da braucht es teilweise ja schon viel weniger, um etwaige Szenewächter auf den Plan zu rufen.
Nein und das wäre auch, ähnlich wie eine Grauzonendiskussion, absoluter Schwachsinn. Für uns ist jeder Mensch gleich - egal welche Hautfarbe, Mann, Frau, homo oder hetero...
Wenn ich richtig hingehört habe, fehlt auf dieser Scheibe der obligatorische, offensichtliche Song über euren alten Freund/Feind Alkohol. Wie kommt's? Das Ende einer Ära?
Ja, wir sind ja keine Partyband. Uns war es wichtig, auf diesem Album einmal darauf zu verzichten. Auch wenn wir gerne die alten Songs live spielen, weil sie einfach eine gute Stimmung erzeugen. Und das ist live mit das Wichtigste, dass alle einen guten Abend verbringen.
Was hat euch dazu bewogen, mit BETONTOD noch ein paar Schritte weiter zu gehen (neues Management, neues Label etc.)? Seid ihr mit euren Mitteln an die Grenzen des Machbaren gestoßen oder wollt ihr einfach sehen, wie weit es für euch noch gehen kann?
Der Grund ist, dass wir an unsere zeitlichen Grenzen gestoßen sind. Wir sind ja nur einmal da und wenn wir mehr Zeit für die Produktion verwenden müssten, hätten wir weniger Zeit für die Musik und da war es für uns eine leichte Entscheidung für die Musik.
Wie oft hat man euch aktuell schon vorgeworfen eure DIY-Punkrock-Wurzeln verraten zu haben? Ich kann mir vorstellen, dass einige Helden euch nicht gönnen, dass ihr mit der aktuellen Scheibe noch ein paar Stufen höher hinauf wollt. Meiner Meinung nach völlig zu Recht. Ich bin jedes Mal wieder beeindruckt, wie ihr es schafft von Platte zu Platte noch besser zu werden, ohne auszuwimpen oder hohle Phrasen zu dreschen. Wenn jemand den Erfolg verdient hat, dann wohl ihr!
Danke. Aber der Grund, dass wir lange Jahre alles selbst gemacht haben, kann ja jetzt nicht gegen uns verwendet werden. Da müsste man eher sagen: "Cool, wie weit die es mit eigenen Mitteln gebracht haben." Aber du hast natürlich Recht, diese Fragen kommen. Aber wir haben uns nichts vorzuwerfen!
Warum in dem Statement vom 24.02.2014 auf eurer Homepage noch einmal die Erklärung, dass ihr eine weltoffene Band etc. seid? Ist das bisher noch immer nicht bei allen angekommen? Ich denke, ihr habt euch diesbezüglich doch schon oft genug erklärt.
Genau das sehen wir total entspannt. Wir hören das von vielen Leuten, dass es als Rechtfertigung aufgenommen werden könnte. Wir sehen das so, dass wir uns jederzeit äußern können zu diesem Thema und zwar eindeutig - keine Rumeierei!
Machen wir mal einen kleinen Schritt in die Vergangenheit zu "Stoppt uns wenn ihr könnt". Wie steht ihr heute zu einem Song wie 'Freunde in Grün'? Mit einigen Jahren Abstand, wie würde ein Song über unsere Staatsmacht heute ausfallen?
Sie sind ja nicht mehr grün - von daher eher Freunde in Blau... ;-)
Im Ernst, ich denke wahrscheinlich etwas anders, weil wir der Meinung sind, dass Verallgemeinerung nie etwas bringt. Und wir sind halt auch älter und weiser geworden.
Na da hätten wir dann doch schon die erste Idee für einen Song zum übernächsten Album: 'Freunde in Grün 2 oder meine neuen, blauen Freunde". Nicht vergessen, die Anregung kam von mir...
Bleiben wir in der Vergangenheit. Warum habt ihr bei eurem einzigen Gig 2014 beim Punk Im Pott nur auf ganz altes Material zurückgegriffen (so war es zumindest angekündigt)? Befürchtungen, dass das Punk-Publikum mit neueren, metalischen Songs eher ein Problem haben könnte?
Nein, das war so eine Herzenssache. Wir spielen dort gerne und wir wissen, dass die alten Songs in unserer Setlist immer etwas kurz kommen. Da war es mal an der Zeit nur Altes zu spielen und wo, wenn nicht dort?
Zum Abschluss noch eine vielleicht etwas peinliche Frage: BETONTOD - was steckt eigentlich hinter dem Namen? Das frage ich mich schon sehr lange, war aber bisher auch irgendwie zu faul das nachzurecherchieren.
Dann viel Spaß bei der weiteren Recherche... ;-)
Na herzlichen Dank dafür...
Wir sind am Ende angekommen. Danke für's Interview, auch wenn bei der letzten Frage ganz offensichtlich die Arbeit verweigert wurde. War mir eine Ehre, auf die ich lange warten musste. Macht in jedem Fall unbedingt so weiter! Frank, die letzten Worte gehören dir...
Cheers und Amen!
- Redakteur:
- Oliver Kast