BLACK SABBATH: "Sabotage"-Deluxe unter die Lupe genommen

10.06.2021 | 12:49

Schon erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht. Am 28. Juli 1975 veröffentlichte BLACK SABBATH das bereits sechste Studioalbum... und sollte auch mit "Sabotage" neue Maßstäbe in der gitarrenorientierten Musik setzen. Was in diesem, aber auch im vorangegangenen Zeitraum aus den Herren Osbourne, Butler, Iommi und Ward heraussprudelte, sollte auch Dekaden später noch enormen Einfluss haben. Und das bezeugen nicht nur bockstarke 'Symptom Of The Universe'-Coverversionen von CANDLEMASS, SEPULTURA oder auch HELMET.

Wie dem auch sei, "Sabotage" gehört nach wie vor zum guten Ton des Heavy Metals und wird stolze 46 Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen seitens BMG in einer Deluxe-Box wiederveröffentlicht.

Im Februar 1975 begaben sich die Schwermetallmagier aus Birmingham in die Londoner Morgan Studios, um dem 14 Monate zuvor veröffentlichten Vorgänger "Sabbath Bloody Sabbath" einen kongenialen Nachfolger zu präsentieren. Als Reaktion auf die gefühlte Sabotage seitens ihres damaligen Managements fanden sie recht schnell einen passenden Albumtitel. Auch wenn "Sabotage" darüber hinaus nicht das schönste Artwork der BLACK SABBATH-Historie innehat, kann jedoch retrospektiv musikalisch von einem ihrer besten Alben gesprochen werden. Ob es an den negativen Vibes aufgrund der einzelnen Egokämpfe, den Alkohol- und Drogenexzessen oder eben jenem Ärger mit Patrick Meehan, ihrem ehemaligen Manager, lag, weiß man nicht. Wer weiß, wie das Sechstwerk sonst geklungen hätte. Eventuell haben all jene Strapazen die Engländer zu diesen Höchstleistungen angetrieben.

Blicken wir, bevor wir uns den einzelnen Songs widmen, einmal in die Hardcover-Box der Super-Deluxe-Edition und schwelgen in wohligen Erinnerungen. Zunächst fällt uns das 60-seitige Buch auf, das mit weitaus mehr als schlichten Fotos und Liner-Notes daherkommt: Während die Musiker selbst einige Worte über das Album und dessen Entstehungsgeschichte verlieren, sorgen Zeitungsausschnitte für eine illustre Zeitreise. Konzertplakate aus Japan, dem U.K. und von Übersee sind ebenso fester Bestandteil dieses hochwertigen Büchleins wie verschiedene Abbildungen der ausgekoppelten Singles, Albumversionen und Schlagzeilen einschlägiger Zeitschriften. Hier wurde mit sehr viel Liebe für Authentizität gearbeitet.

Wer wollte schon immer Herrn Iommi ohne Schnauzbart und in Ritterrüstung sehen? Ist Ozzy sattelfest? Macht Bill Ward im Zug eine ähnlich gute Figur wie hinter der Schießbude? Kann Geezer Butler auch inmitten viel Gestrüpps die Saiten zupfen? (Skurrile) Fragen über Fragen, die uns diese Box auch zu beantworten weiß. Am Mittwoch, den 3. Dezember 1975, spielten die vier Herrschaften im New Yorker Madison Square Garden und gaben ein Konzertbuch heraus, dessen Replika wir in den Händen halten. Die Fotos regen zum Schmunzeln an. Und wenn dazu, wie im vorliegenden Fall, noch ein farbiges "Sabotage"-Tourposter dazukommt, werden zumindest optisch sämtliche Register gezogen.

Doch auch musikalisch hat diese Box einiges zu bieten, wurde für diesen Anlass das "Sabotage"-Album komplett remastert. Zusammen mit Mike Butcher produzierte BLACK SABBATH jene Songs, die auch fast 50 Jahre später noch immer zeitlos erscheinen. Den Anfang macht mit 'Hole In The Sky' ein Stück, bei dem der starke LED ZEPPELIN-Einfluss spürbar war. Das Riffing, die teils verstörenden Bilder des Kopfkinos, diese düstere Aura – repräsentativer hätte "Sabotage" nicht beginnen können. Und gemeinsam mit dem kurzen 'Don't Start (Too Late)'-Intermezzo wird deutlich, dass wir es wieder mit klassischem BLACK SABBATH-Spirit zu tun haben, denn danach folgt mit 'Symptom Of The Universe' das "Sabotage"-Herzstück, das nicht nur viele Neuinterpretationen fand, sondern speziell aufgrund der dunkel-magischen Mischung aus Blues, Jazz und Heavy Metal zurecht als Klassiker gilt. Es geht weiter mit einem 10-minütigen Drogen- und Fiebertraum ('Megalomania'), einem unheilvollen Doomer, wie ihn nur SABBATH fabrizieren kann ('Thrill Of It All'), inklusive superbem Solo sowie einem kolossalen Düster-Dämonen vorm Herrn (der Finsternis, 'Supertzar'). Und wer psychedelisch bisher noch nicht ausgelastet wurde, wird abschließend mit 'Am I Going Insane (Radio)' sowie 'The Writ' mit nicht ganz so schönen Grüßen an Herrn Meehan in den wohlverdienten Feierabend entlassen. Die Erfolge des Albums sprechen eine deutliche Sprache, gab es in der britischen Heimat sowie in den Vereinigten Staaten doch Edelmetall für "Sabotage". Und seien wir ehrlich, speziell in der remasterten Version sind die acht Stücke des Albums zeitlos und entführen früher wie heute den Zuhörer in eine komplett andere Welt.

Weiter im (Super Deluxe Editions-)Text geht es mit einer mitgeschnittenen US-Live-Show von 1975, bei der BLACK SABBATH immerhin vier "Sabotage"-Stücke zum Besten gab. Zugegeben, der Sound ist nicht ganz so kraftvoll, doch die Energie, die in Kombination mit Songs wie 'Snowblind', 'War Pigs', 'Iron Man', 'Children Of The Grave' und selbstverständlich 'Paranoid' freigesetzt wurde, lässt mich auch heute noch meinen imaginären Hut ziehen. Inklusive eines Drum- und zweier Gitarrensolos spielen sich die vier Birminghamer Burschen in einen absoluten Rausch, der mich fast schon hypnotisch in den Bann zieht.

Und wäre das noch nicht genug hält die Box noch die rare Japan-Ausgabe der 'Am I Going Insane (Radio)'-Single parat, auf deren Rückseite noch einmal die Lyrics abgebildet sind. Zwar ist es nicht der stärkste Track auf "Sabotage", doch wir merken, dass wir auch hier einen Hauch von Magie in den Händen halten.

Diese Deluxe-Edition der neu gemasterten Originalaufnahmen, der kompletten 1975er Live-Show sowie der Single lassen auch musikalisch keine Wünsche offen. Und nachdem diese Box schon visuell einiges auf dem Kasten hat, bietet sie auch mit dem musikalischen Inhalt die perfekte Gelegenheit, in die 1970er Jahre einzutauchen, sich vom Geist und der Energie BLACK SABBATHs berieseln und verzaubern zu lassen. Ob es die fast schon gequälten Vocals Ozzys, diese Jahrhundertriffs Iommis, der pumpende Bass Butlers oder das superbe Schlagzeugspiel Wards sind, "Sabotage" zeigt BLACK SABBATH in Hochleistung, die die vier Musiker – zumindest in dieser Konstellation – viele Jahre danach nicht mehr erreichen konnte.

Redakteur:
Marcel Rapp

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