BONSAI KITTEN: Interview mit Tiger Lilly und Wally

30.08.2024 | 21:37

Hier explodiert es! Die Musiker von BONSAI KITTEN sind für ihre energischen Live-Shows sowie den zeitlosen und über den Tellerrand hinausschauenden Rock in all seinen Facetten bekannt. Und nun steht mit "Let It Burn" jenes Album in den Startlöchern, das sich wie ein Flächenbrand ausbreiten könnte. Wir fühlten Frontfrau Marleen und Gitarrist Wally ein wenig auf den Zahn und führten ein tollen Interview mit beiden, in dem sie auch über die hiesigen Einflüsse des Metals gesprochen haben.

Ihr Lieben, ihr seid nach "Love And Let Die" wieder am Start – Marleen, du hast vor einigen Jahren mit Schlagzeuger Marc Reign, ehemals DESTRUCTION / MORGOTH, Gitarrist Wally (PSYCHOPUNCH) und Langzeit-Mitglied Spoxx die Band neu aufgestellt. Wieso ist dieser Schritt zustande gekommen?

Tiger Lilly Marleen: Wenn eine Band schon eine Weile existiert, dann gibt es manchmal Prioritätenverschiebungen, Geschmacksänderungen oder Zeitprobleme innerhalb des Band-Line-Ups, die nicht alle mitziehen lässt. Und als ich dann Wally eines nachts vorm Berliner Wild at Heart kennengelernt habe, hat sich die neue Formation schnell gefunden.

Wally: Ich glaub, das war irgendwie Schicksal. Ich war in Berlin wegen einer Musikproduktion und bin spät abends noch ins Heart gegangen auf ein Feierabendbierchen. Dort habe ich Marleen kennengelernt. Marc und ich wollten sowieso schon immer mal was zusammen machen. So kam eins zum anderen.

Und wie hat sich dadurch der Stil von BONSAI KITTEN über die Vorgänger-Alben wie zum Beispiel den Punk-A-Billy Alben von vor 10 Jahren wie "Done With Hell" und "Occupy Yourself" bis zum aktuellen Album "Let It Burn" verändert?

Tiger Lilly Marleen: "Love And Let Die" von 2020 markiert sozusagen den Wendepunkt und der Stil hat sich zu den Vorgänge-Alben nochmal sehr stark verändert. Das hat mit den neuen Einflüssen und Fähigkeiten zu tun, die Wally und Marc Reign durch ihre Blues-, und Metal-Sozialisierungen eingebracht haben. Es beginnt seit 2019 sozusagen eine ganz neue Zeitrechnung für BONSAI KITTEN, als wir angefangen haben, zusammen Musik zu machen. Das zeigt sich auch vor allem in Live-Shows. Außerdem sind es sehr virtuose Musiker, was dem Songwriting und der Produktion auch eine ganz andere Qualität gibt.

Wally: Es gab auch die Diskussion, ob man die Band umbenennen soll. Auf dem "Mindcraft"-Album klingt BONSAI KITTEN für mich ein wenig so, als hätten sie sich selbst verloren. Mit Marcs und meinem Background war klar, dass die ganze Sache noch verwirrender werden wird. Aber wir hatten und haben da einfach Bock drauf die Kreativität mal laufen zu lassen ohne sich ständig überlegen zu müssen, ob es einen super-duper-Markt mit hohen Absatzmöglichkeiten für uns gibt. Wir hören viele verschiedene Arten von Musik gern, also warum sollte sich das nicht in unserem eigenen Schaffen widerspiegeln?

Ihr konntet schon immer eine sehr eigene Note miteinbringen – irgendwo zwischen Punkabilly und Blues Rock hat sich auch eine kräftige Metal-Nuance miteingeschlichen. Stillstand ist des Künstlers Tod, doch wie würdet ihr nun euren Stil selbst bezeichnen? Und wird, eurer Meinung nach der Metal-Einschlag auf dem neuen Album noch deutlicher?

Wally: Wir wollten bewusst dem Metal auf der neuen Scheibe ein bisschen mehr Platz lassen. Der bluesige Anteil sollte aber gleichziehen. Marc ist ein unglaublicher Drummer, der gewiss durch sein Können und seinen Background im Metal zuhause ist. Das ist also eine Stärke der Band, die sollte man nutzen. Ich selbst bin mit Metal und Punk aufgewachsen, kam aber mit den Jahren immer mehr zum Blues. Entsprechend hat sich auch mein Gitarrenspiel dahingehend entwickelt. Plus das, was Marleen und Spoxx noch einbringen und zack, da hast du den aktuellen Bonsai Kitten-Stil. Ich finde, wir machen relativ moderne Rockmusik und wir lieben das, was wir machen. Mehr würde ich darüber gar nicht philosophieren.

"Let It Burn" heißt die neue Scheibe und auf der zündet ihr ein amtliches Rock-Feuerwerk verschiedenster Facetten. Mit welcher Zielsetzung seid ihr an die Arbeiten herangetreten und verfolgt die Platte ein bestimmtes Thema, einen konzeptionellen roten Faden, der sich durch die einzelnen Songs schlängelt?

Wally: Ich versuche bei einer Produktion immer die Gesamtheit im Auge zu behalten. Ich mache mir ständig Gedanken über den möglichen Ablauf der kommenden Platte. Wie klingt der erste Song? Wo sind die Höhepunkte? Wenn die ersten Ideen kommen, sortiere ich alles ständig im Kopf. Ich leg mich abends ins Bett und höre das Album in Gedanken durch, obwohl wir vielleicht noch nicht eine gemeinsame Note gespielt oder aufgenommen haben. Das klingt vielleicht größenwahnsinnig und völlig behämmert, aber ich will unbedingt ein Meisterwerk abliefern. Ein Album, das den Leuten und uns selbst Spaß bereitet und unterhält. Im Idealfall beeindruckt es auch und löst beim Hören das eine oder andere Gefühl aus. Dann kann man stolz wie Bolle sein.

Tiger Lilly Marleen: Das Thema ist auf jeden Fall dystopisch, experimentell und lyrisch wie musikalisch ein Tanz auf dem Vulkan. Es geht um den Schein des Seins, Opfergaben, Liebe und dass der Tod durch Zerstörung der Erde nicht das Ende für alle bedeutet, wenngleich doch für die Menschheit.

Gleich zu Beginn überzeugt das dynamisch flotte 'Lose Your Illusion' – bestimmt kein Gegenstück zu GUNS N' ROSES' Doppelalbum oder? Euer Statement, der Realität ins Auge zu blicken und sich keinen Illusionen mehr hinzugeben?

Tiger Lilly Marleen: Absolut, und nein, mit GUNS N' ROSES hat es nichts zu tun. Die Realität ist ja eine Illusion, bzw. das, was wir für die Realität halten. Als ob der ganze Zirkus, den wir hier in egozentrischer und kapitalistischer Manier vollführen, wie uns gegenseitig niederzumachen und zu töten anstatt zusammenzuarbeiten, sich über andere zu stellen oder die Ressourcen unwiederbringlich aufzubrauchen, ohne an Morgen zu denken, auch nur eine Bedeutung hätte... Alles Schall und Rauch, Smoke And Mirrors, im Vergleich zu, was wir haben könnten.

Überrascht hat mich auch das über achtminütige 'Smoke And Mirrors' – das sehr warme, entspannte Herzstück der Platte? Vor allem Marleens Stimme kommt so gut zur Geltung. Worum geht es in dem Stück?

Tiger Lilly Marleen: Danke! Das ist ein Stück darüber, der eben erwähnten Illusion ins Auge zu blicken und sich gegenseitig aufzubauen. Der Charakter im Song reicht den Zuhörer:innen die Hand und sagt: "Hey, ich sehe Dich/ich bin für Dich da /ich höre Dir zu und Du musst niemand anderes sein, als Du selbst". Sowas hören wir ja relativ selten in unserer Gesellschaft. Der Song erlaubt, auch mal schwach zu sein, um daraus Stärke und Resilienz zu schöpfen.

In 'I Love That You Hate Me' geht es um Selbstliebe und Selbstannahme und sich eventuellem Gegenwind entgegenzustellen. Ist es deiner  Meinung nach heutzutage schwieriger, sich selbst zu lieben und zu akzeptieren?

Tiger Lilly Marleen: Ich denke, dass es einem durch die sozialen Medien jedenfalls nicht leichter gemacht wird, sich selbst zu akzeptieren, oder mit anderen besser klarzukommen. Aber in dem kapitalistischen System, in dem wir uns bewegen, welches Profit aus unseren Unsicherheiten schlägt, ist Selbstannahme ein Akt der Rebellion. Es lohnt sich also, rebellisch zu sein und wie im Song 'I Love That You Hate Me' den "Hass" als Überbegriff für Entwertung, Herabstufung oder Zurückweisung zu "reframen". Es geht darum, aus der Umkehr die Stärke zu generieren bei sich selbst zu bleiben. Sich also nicht drum zu kümmern, was andere über einen sagen.

Mein heimlicher Favorit ist 'Way Back Home'. Was macht für dich "Zu Hause" aus? Home Is Where Your Heart Is?

Tiger Lilly Marleen: Wenn du in dir selbst eine Heimat hast, kannst du überall zuhause sein, ja.

Mich hat vor allem euer Promo-Foto sehr fasziniert, auf dem ihr durch Spiegel mehrmals zu sehen seid. Welche Idee steckt dahinter?Tiger Lilly Marleen: Cool, danke! Ja, das Foto ist zum Videodreh von 'I Love That You Hate Me' entstanden. Es ist ein bezeichnendes Motiv für das Album und auch die lyrischen Aussagen darin, da es viel um Ansichten, Projektionen, Reflektionen und der Annahme dessen, was man sieht, geht. It's just Smoke & Mirrors, hehe.

Ihr seid im Spätsommer und Herbst in Deutschland unterwegs. Ich persönlich habe euch noch nie live gesehen, habe dies aber definitiv vor. Was macht eure Live-Shows aus, was dürfen Fans erwarten?

Tiger Lilly Marleen: Wir haben einfach Freude am Musizieren und am Live-spielen. Die Jungs geben sich gerne langen ausufernden Live-Jams hin und zelebrieren dadurch die Musik an sich und ich liebe es, auszurasten bis der Schweiß über meine Haut rinnt. Außerdem nehmen wir uns, das Publikum und überhaupt alles mit einer großen Portion Humor.

Ihr habt Anfang vergangenen Jahres 'War Pigs' von BLACK SABBATH gecovert und der Nummer eine sehr schöne, eigene Note gegeben. Welchen Einfluss hatten Ozzy und Co. auf euch und wie steht ihr zum Thema Coverversionen im Allgemeinen? Habt ihr Lieblings-Cover?

Wally: Vielen Dank erstmal für dieses tolle Kompliment! Wenn wir covern dann wollen wir dem jeweiligen Song auch möglichst unsere eigene Note verpassen. Ich war schon von Kindesbeinen Fan von OZZY. Gerade auch natürlich wegen Randy Rhoads und dann später Zakk Wylde. Die haben mich beide schon sehr geprägt in meiner Jugend. Außerdem hat der Mann einen beachtlichen Teil Musikgeschichte mitgeprägt. Solchen Tatsachen gebührt schon aus Selbstverständlichkeit Respekt. Mit einem Cover wie z. B. von BLACK SABBATH, CREAM oder aber auch von NEIL YOUNG wollen wir uns auf eine gewisse Art verneigen. Eine Art "Danke" für all das, was die guten Leute uns da geschenkt haben.

Ihr Lieben, vielen Dank, dass ihr meinen Fragen Rede und Antwort standet. Ich wünsche euch mit "Let It Burn" alles erdenklich Gute!

Tiger Lilly Marleen: & Wally: DANKE

Fotocredits: Band PR

I Want Your Love

https://www.youtube.com/watch?v=ip6cYAwqLo4

Redakteur:
Marcel Rapp
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