BRILEY, MARTIN: Interview mit Martin Briley
29.12.2006 | 13:01Einer der ganz Großen in der anglo-amerikanischen Songwriter-Szene, aber gleichzeitig bei uns zu Lande so gut wie unbekannt ist der gebürtige Engländer Martin Briley. Das neue Solo-Album des Wahl-New Yorkers und ehemaligen MEAT LOAF-Gitarristen war Anlass, ihn einmal jenseits des großen Teiches zu kontaktieren und ihn auch unseren Lesern etwas näher zu bringen. Was er dabei von Celine Dion, Barbie, dem Disney-Konzern, alten Rock-Gefährten und rückwärts gespielten Gitarren zu berichten wusste, geriet dabei genauso informativ wie unterhaltsam.
Martin:
Hi Martin! Dein neues Album "It Comes In Waves" ist jetzt ein paar Wochen auf dem Markt und die Print- und Online-Medien in Deutschland sind mehr als positiv eingestellt – jeder scheint das Album zu lieben. Meinen Glückwunsch!
Martin Briley:
Danke dir!
Martin:
Hast du mit einer solchen Welle von guten Resonanzen gerechnet als der Release anstand?
Martin Briley:
Ja und nein. Ich hatte schon immer eine wirklich gute Presse in der Vergangenheit. Aber da das Release auf MTM erfolgen sollte, musste ich natürlich erwarten von der einschlägigen Heavy-Metal-Presse beurteilt zu werden, die vielleicht etwas enttäuscht wäre, da ich nicht wirklich ein "Metaller" bin.
Martin:
Wie war die Resonanz im Rest der Welt, speziell in Großbritannien und den U.S.A.?
Martin Briley:
Nun, um dies zu beantworten, ist es noch etwas früh. So habe ich in den Vereinigten Staaten zum Beispiel bisher nur von Fans Feedback bekommen, die allerdings SEHR enthusiastisch und aufmunternd waren.
Martin:
Bevor wir detailliert in "It Comes In Waves" einsteigen, lass uns mal über den Künstler Martin Briley reden. Obwohl du mehr als zwei Dekaden im Rock-Business tätig bist, dürfte den Solo-Künstler Martin Briley nicht jeder POWERMETAL.de-Leser kennen. Kannst du uns mal einen kurzen Überblick über deine durchaus interessante Karriere geben?
Martin Briley:
Meine erste Band MANDRAKE (vorher PADDLE STEAMER) bekam einen Vertrag mit EMI/Parlophone, während ich noch auf der Kunstschule in London war. Wir nahmen unsere erste (und einzige ;-)) Single in den Abbey Road Studios auf. Dann war ich eine Zeit lang bei Georg Martin unter Vertrag...
Dann kam GREENSLADE und danach ging ich in die U.S.A., wo ich mit Ian Hunter und Mick Ronson arbeitete. Dem folgte meine Solo-Zeit bei Polygram, für die ich drei Alben veröffentlichte, während ich schwer damit beschäftigt war für andere Künstler Songs zu schreiben.
Seitdem bin ich auch dabei geblieben, für andere zu schreiben.
Martin:
Martin, auf der einen Seite bist du ein richtig hart rockender Gitarrist, der schon bei Leuten wie Meat Loaf, Ian Hunter oder Mick Ronson in die Saiten griff, auf der anderen Seite bist du ein sehr sensibler Songwriter, der für balladeske Künstler wie Celine Dion oder Barry Manilow arbeitet. Bist du so eine Art "Dr. Jekkyl und Mr. Hyde" oder wie kommt es, dass man derartig unterschiedliche Musik von dir bekommt?
Martin Briley:
Tatsächlich sind es Dr. Jekkyl und Mr. Hyde ... und noch einige andere Charaktere dazu! Als ich in London aufwuchs, stellte ich fest, dass die BEATLES von Presse und Gesellschaft sehr ernst genommen wurden, weil sie für andere Künstler schrieben und daher als vollendete Musiker galten. Das war einer der Gründe, warum ich auch für andere schreiben wollte. Der andere Grund war, dass ich fest davon ausging, die Umstände wären alle DAGEGEN (!), dass ich mal ein erfolgreicher Solokünstler werden würde, und das Komponieren für Andere würde mir einfach ein bisschen die notwendige Sicherheit bringen.
Barry Manilow und Celine Dion sind dermaßen weit entfernt von Martin Briley, wie es nur geht! Das ist definitiv nicht die Art von Musik, die ich mir normalerweise anhöre, aber gerade das ist es, was die Herausforderung ausmacht. Es ist eine Frage der Trennung von Handwerk und Inspiration. Außerdem hat es darüber hinaus meinen Horizont erweitert: Wenn du gezwungen bist, deine Finger tief in die Musik eines anderen hinein zu stecken, dann musst du zwangsläufig etwas dabei lernen! Was eine Band wie QUEEN z.B. so erfolgreich gemacht hat, war ihr außergewöhnlich breiter Musikgeschmack. Sie waren eine Rockband. Aber statt, dass sie herumgesessen und nur ANDERE Rockbands gehört haben, haben sie die Chansons von Edith Piaf und die Klassik von Igor Stravinsky in ihre Musik einfließen lassen.
Martin:
Lass uns zurückkommen zu "It Comes In Waves". Die Songs haben nichts mit dem oben bereits erwähnten Pop-Zeugs zu tun. Andererseits sind sie auch nicht gerade eine Sammlung dreckiger und rauer Rock 'n' Roller. Wie würdest du den Stil auf "It Comes In Waves" beschreiben?
Martin Briley:
Manchmal, wenn ich für andere Künstler schrieb und versucht habe, genau deren Stil zu treffen, war ich mir so sicher: "Jetzt hast du aber einen unglaublich guten Job gemacht!" Und dann hat irgendjemand zu mir gesagt: "Also, DAS klingt dermaßen typisch nach Martin Briley!" ... ich glaube, die Wahrheit ist, dass ich einen Stil habe, der irgendwie in alles einfließt, was ich mache.
Und tatsächlich sind viele dieser Songs für andere Künstler gedacht gewesen, aber ich habe versagt und es sind stattdessen Martin Briley-Songs geworden! ;-)
Die Message der Songs ist über zehn Jahre alt, einige von ihnen vier oder fünf. '...Waves', 'Me and My Invisible Friend' und 'Fake Horizon' sind speziell für dieses Album geschrieben worden.
Eine weibliche Version von 'Invisible' ist übrigens zuerst für einen Barbie-Film (!) aufgenommen worden! Und das, obwohl es an einem bestimmten Punkt der Produktion Panik bei der Spielzeugfirma gab, da dort irgend ein maßgeblicher Schlauberger meinte entdeckt zu haben, der Text beinhalte Anspielungen darauf, man solle seine Klassenkameraden mit einer Uzi niedermähen! Mann, das war echt abgefahren!
Martin:
Einige Kritiker vergleichen dein neues Material mit dem Stil von J.J. Cale oder der relaxten, Blues beeinflussten Musik eines Eric Clapton. Kannst du damit leben?
Martin Briley:
Ja, durchaus. Einige der Songs sind es tatsächlich. Ich wäre in der Tat nicht all zu enttäuscht, wenn Eric Clapton 'I Don't Think She Misses Me At All' aufnehmen wollte.
Martin:
Meine absoluten Favoriten auf dem neuen Album sind der Titeltrack, 'Church Of Disney' und vor allem 'Fake Horizon'. Worum geht es in diesen Liedern und was vor allem ist ein "vorgetäuschter Horizont"?
Martin Briley:
Zuerst einmal muss ich sagen, dass ich es nicht für eine sonderlich gute Idee halte, die "Bedeutung" von Songs zu erklären. Ich bin mit Bob Dylan aufgewachsen, und eben NICHT genau zu verstehen, was er eigentlich sagen wollte, hat meine Phantasie unglaublich beflügelt. Außerdem mag ich es unheimlich gern, wenn Leute MIR sagen, wie SIE meine Songinhalte interpretieren. Das ist für mich jedes Mal wie ein "Augenöffner". So, das musste erstmal gesagt werden!
'It Comes in Waves' ist einer meiner "Regenschirm"-Songs. Er handelt von vielen Dingen unter einem großem "Schirm" ('Underwater' von "Dangerous Moments" ist übrigens auch so ein Song). Es geht hier um meinen Vater, England, den Tod, das Älterwerden und darum, zu realisieren, was das Leben wirklich bedeutet. Also sehr tief greifend und schwer zu erklären...
'Church of Disney' handelt von einem Zustand des totalen Verleugnens, in dem sich eine ganze Menge Leute heutzutage befinden. Es geht darum, dass diese Leute einfach nur noch genervt sind, wenn sie mit den aktuell brennenden Problemen der Welt konfrontiert werden. Es ist auch ein etwas dreister, frecher Titel. Ich habe mal ein paar kleine Sachen für Disney gemacht und die haben mir tatsächlich einen Vertrag geschickt, der in einem Umschlag steckte, der in Mickey Mouse's "echter" Handschrift beschriftet war - welch ein Wahnsinn!
'Fake Horizon' könnte einfach über eine Beziehung sein, aber es handelt tatsächlich von diesen Cowboys im Weißen Haus. Ich stellte mir vor, wir alle wären Cowboys, denen man im Filmstudio anordnete in den wunderschönen, aber nur an die Studiowand gemalten "vorgetäuschten" Horizont zu reiten. Irgendwann ist da dann sehr abrupt Schluss!
Martin:
Welches ist dein persönlicher Favorit auf dem Album? Gibt es da vielleicht einen ganz besonderen Titel mit einer Botschaft an die Hörer, der dir besonderes am Herzen liegt?
Martin Briley:
Ich denke, mein Favorit ist 'It Comes in Waves'. Ich hatte einen solchen Spaß ihn zu schaffen! Er war der erste Titel, den ich schrieb, als ich wusste, dass ich dieses Album für ATM machen würde und es kostete mich einen geschlagenen Monat ihn zu komponieren und aufzunehmen! Das Gitarrensolo allein verschlang einen ganzen Tag. Ich denke, jeder enttäuschte Metal-Fan wird die extrem exotische Gitarrenarbeit auf den ersten Blick übersehen: Ein Gitarrensolo digital komplett RÜCKWÄRTS aufzunehmen, war schon ein ganz neues Spielfeld... ;-)
Martin:
Wie sind deine Pläne für die nähere Zukunft? Wirst du wieder mit anderen namhaften Künstlern auf Tour gehen, stellst du eine eigene Band zusammen, um "It Comes In Waves" live vorzustellen? Was kommt als Nächstes?
Martin Briley:
Nun, das Nächste wird erst einmal sein, ein Label für die U.S.A. zu finden. Ich weiß allerdings nicht, wie wichtig das wirklich ist, denn ich habe noch niemanden getroffen, der ein Problem damit hatte, die CD online zu bestellen.
Tourpläne gibt es noch gar keine, obwohl in New York City natürlich ständig irgendwas am Kochen ist.
Martin:
Martin, vielen Dank für das Interview und alles Gute für dich, deine Familie und deine neuen Projekte!
Martin Briley:
Danke ebenfalls, es war mir eine Freude!
- Redakteur:
- Martin Rudolph