CANNIBAL CORPSE: Interview mit Paul Mazurkiewicz

29.01.2007 | 16:09

Als wäre CANNIBAL CORPSE im Death-Metal-Bereich nicht schon DIE Kultband schlechthin, hat ihnen 2006 ein weiteres ereignisreiches Jahr beschert: Das Mörderalbum "Kill" erblickte das Licht der Welt, Alt-Gitarrist Rob Barrett kehrte in die Band zurück, die fünf Amis führten erneut die Festival-Touren "No Mercy" sowie "Sounds Of The Underground" an und tourten auf der anderen Seite des Erdballs durch Australien und Neuseeland. Nun haben die Kannibalen Blut geleckt und werden ihre Bühnepräsenz 2007 noch vermehren: Im Februar und März geht die Reise erst einmal quer durch 20 europäische Länder, von Portugal über Deutschland bis Griechenland, Osteuropa und Skandinavien. Im Mai bricht "Kill!!!" dann über Mexiko und Guatemala herein, ehe dass Quintett im Festival-Sommer wieder einmal das "Wacken Open Air" und das "With Full Force" beehrt. POWERMETAL.de sprach mit Schlagzeuger Paul Mazurkiewicz über das neue Line Up, Wacken und vor allem Zensur, die bei der kannibalischen Musik immer eine Rolle spielt.

Nass geschwitzt sitzt Schlagzeuger Paul Mazurkiewicz im Backstage-Bereich der Frankfurter Batschkapp, die lockigen Haare ins Gesicht hängend, ein Handtuch über die Schultern gelegt. Vor wenigen Minuten saß er noch hinter seinem Schlagzeug und knüppelte den Takt zu 'Hammer Smashed Face' – dem wohl bekanntesten und zugleich umstrittensten Song der Kannibalen. Nicht umsonst war es das erste Mal seit Jahren, dass der Ami-Fünfer den Song überhaupt in Deutschland spielen durfte. Die hierzulande offiziell nicht existierende Zensur lässt grüßen. Warum Paul und Co. ihren Fans nun wieder das geben dürfen, wonach diese immer wieder lautstark verlangen, weiß der Schlagzeuger aber selber nicht so genau. "Unser Label meinte, es sei okay, wenn wir den Song spielen, da haben wir nicht lange gefragt." Und da interessierte sich das Gründungsmitglied auch gar nicht weiter für die Hintergründer der Entscheidung. Auch wenn ihm der Schutz der Jugend nicht unwichtig ist, "aber die Grenze zwischen Zensur und Jugendschutz ist einfach zu dünn." Da greift der Schlagzeuger lieber auf seine eigen Interpretation von Jugendschutz zurück: "Wenn du etwas nicht magst, dann brauchst es dir nicht zu kaufen. Es gibt wirklich Wichtigeres auf dieser Welt, als sich über unsere Songs aufzuregen." Und was eine gewisse deutsche Lehrerin, die sich nicht nur für das Verbot einiger CANNIBAL CORPSE-Songs verantwortlich zeichnet, in viele Erscheinungen des Metal-Genres hinein interpretiert, geht nun wirklich auf keine Kuhhaut. "Das ist genauso wie mit Horrorfilmen und fiktiven Geschichten", fährt der Paul fort, "und wir machen bloß Musik. Wenn dich etwas nicht tangiert, kann es dir doch wirklich egal sein."

Gegen eine andere Form der Zensur hat der CANNIBAL CORPSE-Drummer aber nichts einzuwenden: Diejenige einiger Plattenlabels, die Promo-CDs nur überpiepst, overvoiced, gekürzt, zerhakt oder in sonstiger, fast unhörbarer Form an Magazine versendet. Wie ein solches Machwerk dann vom vorab zum potenziellen Raubkopierer degradierten Journalist bewertet werden soll, ist erstmal zweitrangig. Hauptsache, das Album gelangt nicht vor offiziellem Veröffentlichungsdatum ins Internet. "Es gibt immer ein schwarzes Schaf in der Presse", begibt sich Paul ganz auf Label-Linie. "Und wir sehen keinen Sinn darin, wenn unsere Arbeit schon vorab von jemand anderem veröffentlicht wird." Der Einwand, dass sich derartige schwarze Schafe auch schon in Label-Kreisen herumtrieben, lässt ihn aber doch etwas zurückrudern. Zumal CANNIBAL CORPSE nicht vorhaben, Jahre lang vor Gerichten gegen Napster und Co. zu prozessieren, wie etwa die Kollegen von METALLICA. Obendrein fand die Firma Metal Blade, bei denen die Kannibalen unter Vertrag stehen, einen annehmbaren Kompromiss: Jedes Magazin bekam einen Code, mit dem sich der entsprechende Rezensent dann von einer speziellen Internetseite das komplette Album herunterladen und sich so von der Qualität des neuen Materials überzeugen konnte.

Material, das beim Publikum fast so gut ankam wie mancher Klassiker. Schließlich ist das aktuelle "Kill" in den Augen von Paul nicht nur eines der brutalsten und stärksten CC-Alben, sondern auch eines der schnellsten. Was vor allem daran liegen dürfte, dass Gitarrist Jack Owen aus den Reihen der Kannibalen ausstieg. "Er war meist zuständig für das langsamere Material", gibt Mr. Mazurkiewicz zu Protokoll. Nun stammen die meisten Songs aus der Feder von Bassist Alex, Paul selber steuerte einen Song bei, ebenso wie der neue, alte Gitarrist Rob Barrett. "Wir fanden es richtig, ihn wieder den Fans zu präsentieren", denkt Paul nicht mehr lange über die Entscheidung nach. "Sie kannten ihn schon, und auch wir waren mit ihm vertraut."

Ein weiteres Ex-Mitglied will der Drummer aber keineswegs wieder in der Band sehen: SIX FEET UNDER-Frontman Chris Barnes. Auch wenn Paul einräumt, dass er sich privat nach wie vor gut mit dem früheren Mitstreiter versteht. "Aber wenn beide Bands parallel gut laufen, reicht das doch völlig", fegt Paul ein weiteres Mal Spekulationen über eine mögliche Reunion vom Tisch, die auch zehn Jahre nach Barnes' Ausstieg noch hartnäckig die Runde machen. Was Paul augenscheinlich nervt: "Wir wollen keinen Schritt zurück machen", rollt er die Augen. "Wir waren immer eine Band, die sich über die Jahre hinweg konsequent weiterentwickelt hat." Und so werden CANNIBAL CORPSE garantiert auch auf den nächsten Festivals weiter ihren ureigenen Weg gehen. Zumal sie neben den neuen Granaten ja endlich auf ihr altes Material zurückgreifen dürfen, was Paul sichtlich freut: "Es war immer seltsam, in Wacken zu spielen, wohin Fans aus der ganzen Welt kommen – und wir durften einen unserer bekanntesten Songs nicht spielen. Das war ein komisches Gefühl." Nun können die "Hammer Smashed Face"-Rufe auch hierzulande endlich entsprechend beantwortet werden, was den Drummer freudige Schlussworte finden lässt: "See you all very soon!"

Redakteur:
Carsten Praeg

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