CASANOVA: Interview mit Michael Voss

01.01.1970 | 01:00

Michael Voss (Sänger und Gitarrist, ehemals BONFIRE, DEMON DRIVE und MAD MAX), Michael Eurich (Originaldrummer von WARLOCK) und ihre Mitstreiter Jürgen Attig (Bass) und Stephan Neumeier (Gitarre) veröffentlichten Anfang der Neunziger unter dem Namen CASANOVA ein viel beachtetes und mit Lorbeeren überschüttetes Debütalbum, welches noch heute in Hard-Rock-Kreisen als Klassiker gehandelt wird. Mehr als überraschend tauchen eben diese Herrschaften anno 2004 wieder auf der Bildfläche auf und schließen mit ihrem aktuellen Werk "All Beauty Must Die" fast nahtlos daran an. Da musste ich nachhaken, zumal meine journalistische Laufbahn mit einem Interview eben mit Michael Voss begann. Damals...

Chris:
Für viele dürfte euer aktuelles Album das erste Lebenszeichen von CASANOVA sein. Gib uns doch einfach mal einen kurzen Abriss der letzten 15 Jahre...

Michael:
Puh. Es begann alles Ende der Achtziger Jahre. Während ich noch bei BONFIRE spielte, bekam ich von einem Produzenten das Angebot, an einem Soloprojekt zu arbeiten. Aus diesem Ding ist dann quasi CASANOVA mit Michael Eurich (Drums, ex-WARLOCK) entstanden. Wir waren dann bei unserem Produzenten Henry Staroste im Studio und haben dort ein paar Demos gemacht, die wiederum der WEA so gut gefielen, dass sie uns unter Vertrag genommen haben. Wir veröffentlichten dann jedes Jahr eine Scheibe, bis der Vertrag mit der WEA 1993 auslief. Im Zuge der Grungewelle haben wir uns dann einfach aufgelöst bzw. sind auseinander gezogen. Wir haben sonst immer alle im Zentrum Düsseldorf / Köln gewohnt, so waren wir immer nah beieinander. Ich bin dann aber zurück in meine Heimatstadt Münster gezogen und habe für zwei Jahre Bass in der Band von Andreas Bruhn (ex-SISTERS OF MERCY) gespielt. Ende des letzten Jahrhunderts bekamen wir dann ein Angebot aus Japan, denn sie wollten noch gerne eine Platte von uns haben. 1998 wurde sie aufgenommen, 1999 kam sie heraus ("Heroes"). So war das.

Chris:
Ganz so einfach war das aber wohl doch nicht, denn ihr habt euch doch nach dieser Platte für die Japaner wieder aufgelöst, oder?

Michael:
Diesmal haben wir uns richtig in die Haare bekommen. Beim ersten Mal ist das einfach so verlaufen, und beim zweiten Mal ging es dann eher in den persönlichen Bereich, über das ich aber auch nicht weiter sprechen möchte. Wir mussten da einfach persönlichen Hoheitsrechten und Egos Tribut zollen, woraufhin ich sagte: "Ach komm, ihr könnt mich mal. Ich höre auf." Das war so vor drei Jahren, aber nichtsdestotrotz haben wir uns im letzten Jahr freundschaftlich wieder zusammen gefunden. Ohne Hintergedanken, wie Plattenvertrag, Plattenfirma und hast du nicht gesehen, haben wir uns hingesetzt und Demos gemacht. Vom Resultat waren wir ziemlich begeistert.

Chris:
Was hat sich denn im Laufe der Jahre alles so verändert? Wie siehst du das Musikbusiness heute?

Michael:
Früher waren die Produktionen viel teurer und dadurch qualitativ auch hochwertiger, während heute viele Produktionen mit wenig Budget auf den Markt kommen und diesen komplett überfluten. Allein auf Grund der Technik ist heutzutage jeder ein Produzent. Wenn ich mir da ansehe, was es heute alles für "Plugs" gibt, wie zum Beispiel "Virtual Guitarplayer" und was weiß ich. Früher mussten wir uns alles handwerklich Stein für Stein hart erarbeiten. Ich war auch mehr unterwegs, also "on the road". Da konntest du auch mal irgendwo spielen, ohne gleich einen riesigen "buy-on" zahlen zu müssen. Man konnte seine Platte tatsächlich noch live promoten ohne direkt von der Bank einen Totenkopfbrief zu bekommen. Das ist ja heute gar nicht mehr machbar. An der Musik und den Künstlern und deren Fähigkeiten als Songwriter und der Performance hat sich nicht viel verändert.

Chris:
Glaubst du, Newcomer haben es heutzutage schwerer? Oder einfacher im Zuge der Online-Möglichkeiten?

Michael:
Heutzutage verschwimmen die Grenzen. Bei den Majorfirmen brauchst du heute gar nicht mehr ankommen. Es sei denn, du sagst, ich kaufe 50.000 Platten selbst. (lacht) Wenn man diese Art von Musik macht, ist es natürlich in der heutigen Zeit schon schwer sich eine Fanbase zu erspielen. Schau dir nur mal so gestandene Rockmusiker wie BRUCE SPRINGSTEEN oder BRYAN ADAMS an. Die haben sich so eine Fanbase erspielt, die gibt es aber halt auch schon seit 20 Jahren. In Deutschland sind es Leute wie LINDENBERG oder MAFFAY, die jetzt nicht unbedingt etwas mit unserer Musik zu tun haben, die aber trotzdem raus auf die Straße gehen, sich präsentieren und sich den Arsch aufreißen. Die erspielen sich noch eine Fanbase und das sind dann genau die Leute, die in den Laden gehen und die Platte kaufen. Das ist der Hammer!
Wir hatten vor kurzem eine Band im Studio, die früher auch komplett negiert wurde, jetzt aber ihren Weg gemacht haben. ROSENSTOLZ - man kann über sie sagen was man will, aber die haben sich eine riesige Fangemeinde über die Jahre hinweg aufgebaut. Ich habe das letztens wieder bei einer Produktion hier mitbekommen. Da meinte die Band: "Wir brauchen "namedropping"! Da habe ich gesagt: "Kinder, irgendwann muss damit doch auch mal Schluss sein. Es müssen doch auch mal wieder neue Sänger nachkommen. Es kann doch nicht sein, dass auf allen Platten immer nur die 20 gleichen Sänger singen." Es muss doch auch mal einer Band mit guter Musik und Produktion möglich sein, auf dem Markt mitzumischen.

Chris:
Du scheinst ja mit dem Business heute nicht mehr viel anfangen zu können. Kann es sein, dass du einfach nur enttäuscht bist, weil du früher bei der WEA die Hallen gefüllt hast, während es heute eher magerer aussieht?

Michael:
Michael (Eurich) hat ja vor kurzem noch diesen Wacken-Gig mit WARLOCK vor 35.000 Zuschauern gespielt. Das ist natürlich Bundesliga. Er fand es natürlich ganz gut. (lacht) Ich weiß, wie es ist, auf großen Bühnen zu stehen. Auf der anderen Seite habe ich aber auch keine Berührungsängste, zum Beispiel mit GARY BARDEN ein Akustikkonzert in einer Kneipe zu spielen. Für mich zählt nur die Musik. Heutzutage ist es für junge Bands natürlich unglaublich schwer, wenn sie versuchen, immer wieder präsent zu sein. Das ist ein Teufelskreis und ich lehne die Sache mit dem "buy-on" komplett ab. Ich werde nicht auf die Bühne gehen und keiner Band der Welt dafür Geld bezahlen. Wir haben einen Ruf in Deutschland und bringen noch ungefähr 150 Tickets mit. Für die Leute, die uns sehen wollen, ist das etwas Exklusives. Die bekommen keinen Cent von mir. Natürlich promotest du mit Liveshows deine Platte, aber es ist auch eine Leistung, die du da erbringst. Ich bin doch kein Newcomer mehr und muss für meine Shows noch bezahlen.

Chris:
Das ist eine sehr gute Einstellung, nur leider wirst du damit die ganz großen Dinger nie mehr spielen.

Michael:
Ich habe sie ja schon gespielt, daher ist es mir auch egal. Ein Produkt wie CASANOVA ist sehr fragil. Hier heißt es, gewisse Regeln einzuhalten, weil jeder der Vier ein Charakterkopf und alles sehr schwierig ist. Da muss man ganz vorsichtig mit umgehen und das setze ich nicht aufs Spiel, um mich in Schulden zu stürzen und einen Kredit über 20.000 Euro aufzunehmen. Es gibt genug Leute, die uns gerne sehen würden. Es gibt die Möglichkeit, dass TYKETTO eventuell für ein paar Shows nach Deutschland kommen, wo wir eventuell ein paar Co-Headlinershows spielen könnten. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann ist das fein. Eher gehe ich sogar dahin, dass ich sage, wenn ihr wollt, dass wir spielen, dann müsst ihr auch mal Geld bezahlen. Früher hatten wir mit MAD MAX eine Booking-Agency, die auch mal den Kopf für uns hingehalten hat. Das wurde zwar alles nachher verrechnet, handelte sich aber nie um Unsummen. Ich habe beispielsweise auch gehört, was da für Summen geflossen sind als meine lieben Kollegen von JADED HEART mit GOTTHARD gespielt haben. Das möchte man manchmal gar nicht wissen. Es gibt schon genügend Leute, die uns auch in dieser Hinsicht unterstützen würden, dafür müssen wir aber erst einmal ein paar Platten verkaufen. Um Platten zu verkaufen, musst du aber gleichzeitig wieder präsent sein, denn ansonsten bekommst du eine Plattenbesprechung und eventuell ein Interview und bist dann weg vom Fenster. Du musst es irgendwie schaffen, ein halbes Jahr in der Presse zu sein. So war es früher zumindest immer. Das ist heute aber gar nicht mehr möglich. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Produkte ihr monatlich in die Redaktion bekommt von Popelrecords hier und Popelrecords da und dann noch was aus Schweden und so weiter. Da kann man gar nicht mehr den Überblick behalten.

Chris:
Da beißt sich die Katze in den Schwanz, denn du drehst dich selbst irgendwie im Kreis. Was ist denn dann überhaupt noch deine Motivation Musik zu machen?

Michael:
Es ist natürlich noch etwas Besonderes. Ich glaube auch, dass es den Leuten da draußen gefällt. Wir machen handgemachte, ehrliche Musik mit schönen Melodien. Zusätzlich haben wir uns diesmal noch ein paar Songschreiber dazu geholt. Wir wollten schauen, was für Ideen im Jahre 2004 da sind und was ich noch dazu schreiben muss. Trotzdem wollten wir uns auch die Option offen halten, mit tollen Musikern und Songschreibern ein Team zu bilden. Das hat uns sehr gut getan. Es ist ja bezeichnend, dass man mit CASANOVA in Deutschland keinen Deal bekommt. Das musst du dir mal reinziehen, das ist ein Witz. Ich habe im Gefühl, dass wir gute Einheiten verkaufen werden. Alleine aus Bestrafung für alle, die uns in Deutschland nicht gesigned haben. Das ist immer so im Leben. Meine Motivation ist einfach Rockmusik zu spielen. Ich sitze hier wie ein kleines Kind, wenn ich beispielsweise jetzt eine unbekannte Band produziere, die einen tollen, fairen Plattenvertrag in Schweden unterschrieben haben, wo der Plattenboss wirklich hinter der Musik steht. Das ist sehr spannend. Oder ob wir das neue Projekt des ex-LYNCH MOB-Sängers Oni Logan machen, die Musik macht einfach Spaß. Das ist es, was mich antreibt. Natürlich muss man auch ein bisschen Kohle verdienen, aber der Antrieb muss aus dir selbst kommen.

Chris:
Ihr wusstet bei der letzten Platte "Heroes", dass sie nur in Japan veröffentlicht werden würde. Mit "All Beauty Must Die" seit ihr wieder europaweit am Start. Geht man da anders an die Sache heran?

Michael:
Nein, eigentlich nicht. Für die neue Platte war es ein Kopplungsdeal gewesen. Wir haben erst den Deal mit England gehabt, dann hat der Plattenboss die Scheibe nach Japan geschickt, weil wir da immer sehr gut verkauft haben. Drei bis vier Labels hatten spontan Interesse. Die haben zwar einen Bonussong bekommen, aber die Platte haben wir für uns gemacht. Es wurde intern abgestimmt, welche Songs auf die Platte kommen und welche nicht. Das soll jetzt nicht despektierlich klingen, denn die "Heroes" war mit den Songs und Cover sehr schön, aber die neue CASANOVA ist definitiv eine Bandplatte, wo jeder seine Parts auch gespielt hat, wo jeder im Studio anwesend war, wo man sich gezofft hat. Das macht man nicht nur für Japan, sondern das macht man für sich. Das ist ein riesengroßer Unterschied.

Chris:
Kann man eure Platten, die ihr für Japan aufgenommen habt, noch irgendwo offiziell kaufen?

Michael:
(lacht) Ich glaube nicht. Wir bekommen zwar ab und zu noch ein paar Abrechnungen, aber die Platte ist so weit weg für mich. Damals haben wir eine Scheibe und eine Maxi gemacht. Jeder Fan, der sich beide zugelegt hat, bekam noch die Single hinterhergeschickt. Das war eine süße Idee. Da waren auch noch Sachen drauf, die ich mit Stefan Kaufmann so in den Jahren 1994 bis 1996 produziert hatte. Das waren also Outtakes, ein wildes Durcheinander an Songs. Auf der neuen Platte ist es jedenfalls so, dass wir alle Songs, egal wann sie entstanden sind, noch einmal im Studio aufgenommen und ihnen den Geist von 2004 eingehaucht haben.

Chris:
Du scheinst ja nicht gerade begeistert von "Heroes" zu sein...

Michael:
Nein, nicht falsch verstehen. Es ist damals nur alles anders gelaufen. Wir haben einen Haufen an Demos mit fast 40 Songs nach Japan geschickt; quasi Demosongs. Davon haben sie sich etwas herausgesucht. Wir hätten eigentlich eine Doppel-CD veröffentlichen können. Wir wollten zwar noch ein paar Songs dazu aufnehmen, aber da hatte ich noch nicht diese Aufnahmemöglichkeiten wie heute. Da habe ich noch in meinem Kinderzimmer-Studio gesessen. Mit den eigenen "Barfly-Studios" haben wir jetzt natürlich ganz andere Möglichkeiten. Deshalb bin ich auch so stolz auf diese Platte, weil wir alles mal wieder in Handarbeit eingespielt haben. So richtig mit Blut und Fleiß.

Chris:
Könntest du dir vorstellen, die japanischen Scheiben als "Re-Release" auch in Deutschland zu veröffentlichen?

Michael:
Ich weiß nicht. Vielleicht, aber das ist auf jeden Fall eine Gruppendiskussion. Darüber muss ich erst mit den Jungs sprechen. Wir haben da sicherlich noch Material, so dass wir locker eine Doppel-CD daraus machen könnten. Das wäre schön. Einfach den Leuten sagen, kommt, lasst uns eine kleine Auflage von 1.000 Stück machen und als "Thank You" verkaufen. Vielleicht auch nur exklusiv über das Internet, wäre auch noch okay. Die Rechte liegen generell bei uns. Vielleicht finde ich ja jemanden, der daran Interesse hat. Erster Ansprechpartner ist natürlich unser derzeitiges Label, aber ich werde mir mal Gedanken machen. Danke für die Anregung.

Chris:
Gern geschehen. Zur neuen Scheibe: Ihr habt eure Scheibe in den "Barfly-Studios" aufgenommen. Gehört dir das Studio oder bist du dort angestellt?

Michael:
Nein, wir haben das Studio von Stefan Stefanie, dem Bassisten von Udo Lindenberg, übernommen. Die Räumlichkeiten standen eine Zeitlang leer, ohne dass sie genutzt wurden. So haben wir sie jetzt zu unserem eigenen Studio umgebaut. Die Platte wurde komplett hier in den "Barfly-Studios" aufgenommen und quasi von der gesamten Band produziert. Zwar unter meiner Federführung, aber ein paar Feineinstellungen haben wir dann zusammen vorgenommen.

Chris:
Meiner Meinung nach habt ihr ein wenig eure Lockerheit und Unbekümmertheit verloren, die für eine gewisse Frische und Partylaune auf eurem Debüt gesorgt hat. Manche würden sagen, ihr seid erwachsener geworden. Was für eine Stimmung hat denn bei den Aufnahmen geherrscht?

Michael:
Ich habe zwei neue Songs geschrieben und auch viele aus dem Archiv verwendet. Jeder hat einen Songkatalog bekommen und hat angekreuzt, welche er gerne machen möchte. Als wir die Pre-Productions hier gemacht haben, war die Grundstimmung eigentlich sehr lustig. Wir hatten eine Menge Spaß. Das bedeutet aber alles gar nichts. Damals standen wir eigentlich immer unter der Fuchtel der WEA, um dem Produzenten oder der WEA gerecht zu werden. Unbeschwert war das eigentlich nicht. Da könnte ich dir einige Geschichten erzählen. Das war manchmal schon bis ans Limit arbeiten und nicht so locker, wie das vielleicht rüberkommt. Das war eher bei dieser Produktion so. Da war weniger Druck von Seiten der Plattenfirma da, die meint, wir müssen unbedingt in die Charts.

Chris:
Ist es dann vielleicht für euch nicht mehr ganz so wichtig den besten Rocksong aller Zeiten zu schreiben, sondern einfach (nur) ein stimmiges Lied mit schöner Melodie? Immerhin verwendet ihr im ersten Drittel der Scheibe kaum Soli oder gar Breaks?

Michael:
Das waren einfach die Kompositionen, denn da passte nix hin. Da war einfach kein Platz, speziell für Soli. Wenn wir Songs schreiben, dann nehmen wir immer die, die uns liegen und die wir lieben. Für mich ist 'On My Love' einfach ein Hit. Sonst hätten wir ihn ja auch gar nicht genommen und ausgesucht. 'Happy' ist eine Rocknummer. Okay, "Not Over You" ist eher modern gehalten, geht so in Richtung VERTICAL HORIZON. Hier arbeiten wir ein wenig mit Loops. Stimmt, erst bei 'Lying' kommt so ein sehr melodisches DEF LEPPARD-Solo. Das ist eher die moderne Art des Komponierens, ohne die Roots zu verlieren.

Chris:
Es ist aber doch unbestritten ein ziemlich schmaler Grat zwischen einem guten Hard-Rock-Song und belanglosem Mainstream. Wie kontrollierst du dich selbst oder gibt es eine Art Lektor oder Lektorin für deine Melodien?

Michael:
Nein, wenn ich die Songs verschicke, kann sich jeder dazu seine Meinung bilden und das passt dann. Über einen Song wie beispielsweise 'Would I' müssen wir nicht diskutieren, denn den hat Russ Ballard geschrieben, der sich wohl nicht mehr beweisen muss. Er hat einfach einen schönen Song für unsere Platte geschrieben. 'Last Of The Runaways' ist eher so eine Singer/Songwriter-Geschichte, die meinen Gefühlszustand zu jenem Zeitpunkt beschreibt. Da habe ich mich mit meiner Wandergitarre hingesetzt und den Song eingespielt. Ich gehe also nicht mehr mit dem Ehrgeiz heran, jetzt 'Music Was My First Love' oder 'We Will Rock You' schreiben zu müssen. Das Rad der Zeit muss ich nicht neu erfinden. Ich will nur qualitativ schöne Melodien abliefern. Bei CASANOVA besteht immer die Gefahr, dass es etwas "too cheesy" klingen könnte; alleine schon wegen meiner Stimme. Wenn da jemand wie Joe Lynn Turner oder Glenn Hughes singen würde, dann hätte das alles ein ganz anderes Volumen. Ich habe aber nun mal diese Stimme und wenn du dann noch in die Schublade greifst und sie mit der einen oder anderen Zutat vermischst, kann es schon passieren, dass es dem einen oder anderen vielleicht manchmal etwas "too much" ist. Das geht mir ja auch nicht anders. Es gibt auch Platten, die ich erst fünf-, sechsmal hören muss. Die neue Scheibe ist typisch amerikanischer Stil, so wie früher beispielsweise Bands wie CINDERELLA, die einfach eine Grundstimmung genommen und den ganzen Song durchgezogen haben. Das ist typisch amerikanisch, aber finde ich okay.

Chris:
Wie alt sind denn die Songs auf "All Beauty Must Die"?

Michael:
'Lying' ist eigentlich aus dem Jahre 1994 und sollte ursprünglich auf die dritte Scheibe für die WEA kommen. Den habe ich mit unserem damaligen Keyboarder zusammen geschrieben. 'Last Of The Runaways' ist neu; 'Not Over You' ist ungefähr eineinhalb Jahre alt. Das Paket 'After The Love Goes', 'On My Love' und 'Happy' ist im Sommer mit Bertram Engel, dem VOODOO-Schlagzeuger aus Deutschland, auf Mallorca entstanden. 'Psycho Lisa' ist von 1997 und entstand mit einem Freund von mir. 'The Guitar Man' ist eine Coverversion. 'Would I' ist von Russ Ballard, weiß aber nicht, wann er diesen geschrieben hat. 'Dreamer' ist neu. Da hatten wir einen Refrain und Stephan (Neumeier - Gitarre) kam mit einem Lick an, woraus wir dann Vers und Intro gebastelt haben. 'Under My Skin' ist auch von 1994. Aus einer Zeit, wo wir in Hamburg noch mit Kalle Trapp Demos aufgenommen haben. Den haben wir noch einmal neu aufgenommen und er sollte so in Richtung TEARS FOR FEARS gehen.

Chris:
Für das neue Album konntet ihr auch wieder auf euren Originalbassisten Jürgen Attig, der nach dem Debüt ausgestiegen ist, zurückgreifen. Es überrascht ein wenig, da du mit seinem Nachfolger Jochen Mayer bei CASANOVA und auch in anderen Projekten noch zusammen gearbeitet hast. Wie wichtig ist denn Jürgen Attig für den Bandsound beziehungsweise überhaupt für die Band?

Michael:
Jürgen ist ein fantastischer Bassist, aber kein Songwriter. Er ist ein lustiger Mensch und ein sehr guter Künstler. Wir haben uns überlegt, wenn wir zurückkommen, dann in Originalbesetzung. Jochen Mayer hatte zu dieser Zeit auch viel mit seinen Bands BOYSVOICE und DOMAIN zu tun, so dass sich eigentlich die Wege ganz locker trennten.

Chris:
Auf der neuen Scheibe sind einige moderne Soundspielereien drauf, die mir sehr gut gefallen. War das beabsichtigt?

Michael:
Manche Songs brauchen das, manche eher weniger. 'Last Of The Runaways' ist zum Beispiel traditionell hoch zwölf, da eben nicht. Aber so ein Song wie 'Not Over You' braucht das. Da haben wir so einen Loop eingebaut, damit alles etwas düsterer klingt und dann das Ganze im Chorus explodiert. So finde ich das ganz spannend. Es ist song- und auch stimmungsabhängig, ob man so etwas macht.

Chris:
Experiment gelungen, denn ausgerechnet meine beiden Lieblingssongs 'Lying' und 'Psycho Lisa' strotzen nur so vor modernen Elementen. Was ist das eigentlich für ein Instrument am Anfang von 'Psycho Lisa'?

Michael:
Das ist eine Sitar. Die hatte ich irgendwo auf meiner komplexen Sammlung von Sample-CDs. 'Psycho Lisa' ist ja schon ein ziemlich abgedrehter Song und ein abgedrehtes Riff. Es ist ein bisschen anders; etwas "over the top". Ich dachte, da muss noch etwas Beklopptes davor. Eben eine Sitar. 'Lying' ist eigentlich eine Hommage an DEF LEPPARD und wie sie früher komponiert haben. Das ist ein Song, wo wir gesagt haben, den Song müssen wir einfach machen, weil es ein guter Song ist. Vielleicht ist solch ein Song nicht mehr "up to date", aber gerade deshalb sollten wir darüber nachdenken, ihn trotzdem auf die Platte zu nehmen. Das ist vom Riffing her schon typisch DEF LEPPARD... (fängt an, das Riff zu singen) ... dann noch dieser Soloteil - Steve Clark ... Gott habe ihn selig, einer meiner Lieblingsgitarristen und Songschreiber ... (singt wieder) ... was soll ich sagen, einfach eine Hommage.

Chris:
Wenn diese denn immer so ausfallen, dann könnt ihr das gerne öfter machen...

Michael:
(lacht) Mal schauen, was ich noch so in der Schublade habe.

Chris:
Auffällig ist auch, dass es gar keine obligatorische Ballade auf dem neuen Album gibt.

Michael:
Das stimmt (klingt selbst ein wenig erstaunt). Wir hatten einfach keine. Ich meine, langsames Zeug haben wir schon auf der Platte, aber auf der anderen Seite, was ist denn eine Ballade? Sollen wir wieder mit Klavier anfangen und dann kommt das Schlagzeug ... (singt ein Schlagzeugfill) Es war einfach keine da. Es hat sich nicht ergeben.

Chris:
Wird es ein Video von euch geben oder eine Single?

Michael:
Ein Video wird es nicht geben. Single, habe ich gehört, soll man heutzutage auch nicht mehr machen, weil das ganz viel Geld kostet. Man wird nur noch gespielt, wenn man in die Charts geht. Da beißt sich auch wieder die Katze in den Schwanz. Du gibst 3.000 Euro für Promos aus und erreichst die Leute nicht, weil du nicht gespielt wirst. Das ist traurig und sehr bitter. Ein Freund hat uns aber ein Angebot für eine DVD gemacht; vielleicht eine Akustikshow. Ich glaube, er hat so ein Fernsehstudio, wo das dann so MTV-mäßig aufgezeichnet wird. Es werden knapp 100 Leute angekarrt und wir spielen zwei Abende. So haben wir eine wunderschöne Live-Aufnahme davon.

Chris:
Kläre uns doch mal über eure ganzen Nebenprojekte auf. Was ist zum Beispiel mit den immer wieder aufkommenden Gerüchten einer Reunion von WARLOCK?

Michael:
MAD MAX gibt es nicht mehr. DEMON DRIVE haben wir nach der letzten Platte, die vor eineinhalb Jahren erschien, auch zur Ruhe gebettet. Die Platten sind halt nie so richtig gelaufen. Es hieß immer, ist ja ganz nett, was du da machst, mach aber doch lieber mal wieder was mit CASANOVA. Das war irgendwie mit einem Fluch behaftet und so haben wir uns entschlossen, nach vier Alben das Kapitel zu schließen. MAD MAX haben zwar noch einmal eine Platte für Japan gemacht, wo ich mich mit dem Hauptkomponisten und Texter zusammengesetzt habe. Diese Platte haben wir aber wirklich nur speziell für den japanischen Markt gemacht. Da wussten wir, wenn es eine MAD MAX-Platte werden soll, dann müssen wir das und das machen, um dahin zu kommen. Die richtige Metal-Axt eben. Zu WARLOCK kann ich dir nicht viel sagen, weil ich nicht weiß, was DORO da wirklich vor hat.

Chris:
Wusstest du eigentlich, dass Michael Eurich auf den neuen Promofotos wie der kleine Bruder von Antonio Banderas aussieht?

Michael:
Ja, natürlich. Der sieht schon immer so aus. Was meinst du, warum wir CASANOVA heißen? (lacht) Das hat ja auch alles eine Bewandnis. Wir waren früher die größten Schürzenjäger überhaupt. Durch die ganzen Lande sind wir mit PINK CREAM 69 gestromert. Die ganze Langhaarfraktion. Ja, ja, damals.

Chris:
Da gibt es eine Geschichte, die du bitte mal aufklären könntest. Es gab mal einen "Guitarworkshop" von George Lynch, bei dem du Bass gespielt hast...

Michael:
...und Michael Eurich hat Schlagzeug gespielt. Da gibt es sogar Bilder von.

Chris:
Erzähl doch mal. Da kursieren Geschichten über verschwundene DAT-Bänder.

Michael:
Ja, genau. George Lynch hatte seine DAT-Bänder im Hotel vergessen. Wir waren gerade im Studio in Düsseldorf. Er sollte eigentlich ein "Guitar-Clinic" für ESP spielen und da ich auch ESP-Gitarren spiele, rief irgendwann der Chef von ESP in Düsseldorf bei uns an und fragte, ob wir da irgendetwas machen könnten. Sie haben die ganze Backline gestellt und wir haben nur Stöckchen und Snare mitgebracht. Dann haben wir drei Nummern gespielt... (Pause) ... "Never Unchain The Night" (singt) ... und den ersten Song von der "Back For The Attack". Wie hieß der noch einmal? (summt das Gitarrenriff) ...

Chris:
'Kiss Of Death'

Michael:
Ja, genau. 'Kiss Of Death' und noch irgendeine Coverversion. Dann hat er noch ein bisschen alleine herumgedudelt. Er hat seine DAT-Bänder irgendwo im Hotel liegen gelassen und die Putzfrau hat sie dann einfach weggeworfen. That's the true story. Das war so 1991 oder 1992.

Chris:
Deine letzten Worte an eure Fans und die, die es noch werden sollen.

Michael:
Hört euch die neue Platte an. Kauft sie, wenn ihr sie gut findet. Wehret euch nicht, aber es ist eine wunderschöne zeitlose Scheibe geworden. Ich bin sehr stolz darauf.

Redakteur:
Chris Staubach

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