CORONATUS: Interview mit Mareike Makosch
18.05.2011 | 07:56Anfang April erlebe ich auf dem HAGGARD-Konzert in der Frankfurter Batschkapp unerwartet eine Überraschung. Im Vorprogramm treten die mir bis dahin verborgen gebliebenen CORONATUS auf, eine Band, die ich zunächst nur mäßig gespannt in die Schublade des etwas abgegriffenen female fronted Symphonic Metal stecke. Doch dann...
Doch dann erlebe ich, wie es gelingen kann, mit der richtigen Bühnenperformance das Publikum innerhalb weniger Minuten aus der Reserve zu locken. Verantwortlich ist zumindest aus meiner Perspektive in erster Linie eine der beiden Sängerinnen von CORONATUS, Mareike Makosch. Ein kleines schlankes Energiebündel, das mit seiner für dieses Genre eher untypischen Rockröhre fernab der Sopranlage einen bemerkenswerten Akzent setzt.
Der Auftritt macht mich neugierig auf diese Frau, die ihr Handwerk – wie sich im folgenden Interview erweist – professionell erlernt hat. Mareike Makosch erlaubt einen differenzierten Blick auf das Instrument Stimme und zeichnet ein nüchternes Bild vom Leben auf Tour. Sie zeigt aber auch ihre Bereitschaft, über den Tellerrand des Metals hinaus zu schauen und sich in anderen, nicht nur musikalischen Sparten, auszutoben. Wie das aussehen kann, zeigen die Photos von Toni B. Gunner, der an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Erika:
Als ich dich Anfang April mit CORONATUS erstmals gehört habe, war ich nicht nur sehr angetan von deiner spritzigen Art, dich auf der Bühne zu präsentieren, sondern auch von deiner Stimme. Eine rockige Mittellage, die nicht angestrengt oder gequetscht klingt. Das hat man nicht so oft. Daher interessiert mich zuerst, wie du an das Singen gekommen bist?
Mareike:
Meine musikalische Ausbildung habe ich eigentlich im Alter von 6 Jahren am Schlagzeug begonnen. Dass ich dann in einer meiner Bands das Mikro in die Hand bekam, war eher Zufall, da niemand sonst wollte.
Erika:
Hast du wirklich keine Gesangsausbildung?
Mareike:
Doch, ich habe insgesamt etwa zwei Jahre lang an einer privaten Musikschule Jazzgesang gelernt. Nach einigen Jahren Banderfahrung habe ich einfach ein bisschen Technik gebraucht, um meine Stimme nicht durch schnödes Rumbrüllen kaputtzumachen. Also einfach Tipps, was Atmung betrifft, Phrasierungen, zu spüren, wo die Stimme sitzt, Brust- und Kopfstimme einsetzen zu können... Allerdings kann ich meine Stimmtechnik bei CORONATUS eher wenig anwenden, da meine Rolle doch hauptsächlich das "Rotzige" ist.
Vor allem habe ich mich aber neben dem Gesang generell sehr viel mit Musik beschäftigt, also auch viel Gehörbildung und Harmonielehre gelernt. Das ist – gerade zum Beispiel bei mehrstimmigem Gesang – sehr von Vorteil. Und hilft auch bei der Intonation und beim Verstehen von Musik. Wenn man versteht, was die anderen Bandmitglieder eigentlich tun, verpasst man auch viel seltener den Einsatz oder den richtigen Ton.
Erika:
In unserem ersten kurzen Gespräch in der Frankfurter Batschkapp sagtest du, du singest eigentlich Jazz. Ich habe mir daher natürlich die Songs auf deinem MySpace-Profil angehört. Da klingst du für meine Begriffe auch wie eine ausgebildete reifere Jazzerin. Wo ist nun bei dir die Verbindung zwischen den beiden musikalischen Richtungen Metal und Jazz?
Mareike:
Mit Jazz bin ich musikalisch aufgewachsen. Ich hab fast 15 Jahre lang in einer Jazz-Bigband gespielt und viele Funkbands- und Projekte gehabt. Auch wenn mir die Musik als Kind und Jugendliche eigentlich gar nicht so zusagte. Privat hab ich stattdessen Metal gehört. Da ich aber eigentlich immer nur Musiker aus dem Jazzbereich kannte, kam ich nie dazu auch selbst in einer Band Metal zu spielen. Für mich sind Metal und Jazz aber eigentlich mittlerweile gar nicht mehr so verschieden. Die Musikstile setzen beide auf Virtuosität und Dynamik, es gibt viele Soli, es gibt oft vertrackte und verzwickte Parts... ein guter Metalgitarrist müsste eigentlich von einem Jazzgitarristen sehr angetan sein und andersrum. Leider sind die Vertreter beider Musikstile oft ein bisschen engstirnig, dabei könnten sie viel voneinander lernen.
Erika:
Seit Sommer 2010 bist du eine von zwei Sängerinnen der Gothic-Metal-Band CORONATUS. Üblicherweise findet man oft Bands dieses Genres, bei denen die weibliche Stimme in kopfstimmiger Sopranlage schwebt. Da passt du ja nun nicht so herein. Wie gefallen dir gleichwohl derartige Bands? Passt der zuckrige Sopran besser zum Symphonic Metal als die rockige Lage?
Mareike:
Ich finde beides sehr reizvoll. Die zuckrige Stimme hat was für sich. Ich finds nur schade, dass die betreffenden Damen sich dann auch gern in die zuckrige Rolle drängen lassen und nur noch als Schmuckstück auf der Bühne stehen statt als Frontfrau. Und was besser passt, ist absolut Geschmackssache. Man darf sich nur in kein Klischee drängen lassen, kein Schubladendenken bedienen. Symphonic Metal muss eben nicht gleich Sopran bedeuten. Leider hat sich das noch nicht so durchgesetzt, deshalb war es für mich mit meiner Stimmlage auch sehr schwer, eine Band im Metalbereich zu finden.
Erika:
Wie erlebst du die Arbeit mit der Metalband? War die aktuelle Tour als Support von HAGGARD deine erste? Wie empfindest du das Leben im Tourbus?
Mareike:
Metaller sind ein schwieriges Volk. Im Vergleich zum Jazz habe ich persönlich Metaller als sehr ich-bezogen empfunden, die sich selbst gern ein bisschen zu ernst nehmen. Aber wie überall im Leben gilt: Man muss lernen damit zurechtzukommen und tolerant zu bleiben. Grade wenn man so viel Zeit miteinander verbringt und tagelang dieselben Menschen zu Gesicht bekommt. Mit der Zeit findet man dann aber auch seine Nischen, seine Leute und entwickelt Strategien, um sich mal kurz auszuklinken.
Ich war schon einige Male auf kleineren Tourneen oder Konzertreisen, unter anderem mit meiner Bigband in China. Allerdings wurde die Atmosphäre damals durch die vielen Mitglieder sehr gelockert und entzerrt. Außerdem war ich noch viel jünger, da hat man auch noch nicht so ausgeprägte Macken.
Am Anstrengendsten ist das viele Reisen. Wir sind insgesamt fast 7.000 Kilometer quer durch die Republik gekurvt, sind teilweise nach den Konzerten wieder nach Hause gefahren, um halb 8 Uhr morgens angekommen, um dann um 9 Uhr wieder beim Arbeiten zu stehen. Das empfinde ich als sehr stressig. Und das viele Warten. Ankunft am Venue um 13 Uhr; ausladen bis 13.30 Uhr und dann warten bis zur Show um 21 Uhr. Da ist es sehr schwer, ein Level von Energie zu halten und nicht einfach mal umzufallen.
Erika:
Wie sorgst du im anstrengenden Touralltag für deine Stimme? Ich habe natürlich das Klischee von alkoholreichen Tourabenden und verrauchten Tourbussen im Kopf und frage mich, wie eine Sängerin ihr "Instrument" in diesen Tagen topfit hält.
Mareike:
Ich bin ja zum Glück nicht die Sopranistin.
Ganz klar gilt aber: Überall wo sich Sängerinnen aufhalten, ist Rauchverbot und daran halten sich eigentlich auch alle. Das ist sehr sehr wichtig, sonst kannst du die Stimme nach drei Tourtagen wegschmeißen. Am Allerwichtigsten für die Stimme ist aber ausreichend Schlaf, viel Wasser und Backstage nicht die ganze Zeit rumschreien, auch wenn mich persönlich das natürlich reizt. Mir hilft auch ipalat und Tee. Und während der Konzerte der anderen Bands die Klappe halten und sich nicht laut unterhalten. Dann kann man nach der Show ruhig auch mal das ein oder andere Bier trinken. Ich muss aber sagen: Das geht bei mir auch wirklich nur dank meiner rockigen Stimmlage. Ich kann auch mal nur dreiviertel bei Stimme sein und krieg trotzdem noch das Konzert über die Bühne. Das sieht bei Sopranisten natürlich ganz anders aus.
Erika:
Hast du neben CORONATUS noch andere aktuelle Bandprojekte?
Mareike:
Ja, ich sing seit Kurzem in einer Stuttgarter Soul/Funk-Band namens BASEMENT NINJAS. Das klingt sehr viel versprechend und ich bin gespannt wie sich das entwickelt. Dann werde ich im Sommer wohl ein bisschen am neuen Album von MAY THE SILENCE FAIL - einer befreundeten Band – mitwirken. Außerdem bin ich Teil einer typischen Coverband fürs Straßenfest, um Geld zu verdienen. Mit Metal und Soul/Funk wird man ja nicht reich...
Erika:
Ich möchte noch einmal näher auf deine Bühnenperformance zurück kommen: Auf dem Konzert von CORONATUS, das ich in Frankfurt erlebt habe, hatte ich den Eindruck, dass du mit deiner Art, dich zu präsentieren, einen erheblichen Anteil daran hattest, dass die Fans innerhalb von wenigen Minuten von eurer Show in den Bann gezogen waren. Es macht dir scheinbar nichts aus, dich ungezwungen vor einer Menschenmenge darzustellen. Schlicht gefragt: Wie machst du das? Hast du Lampenfieber? Spiegelt sich da eine mehrjährige Bühnenerfahrung?
Mareike:
Viel gelernt habe ich durch Jamsessions. Kein Instrument, keine Ahnung, womöglich kennt man nicht mal den Song, der grade gespielt wird und dann heißt es: Mach mal! Jetzt hat man zwei Möglichkeiten: Rot werden, weiche Knie kriegen, mit den Schultern zu zucken und warten bis jemand anderes was macht, oder: sich ganz vorne an die Bühne stellen, das Publikum anlächeln, eine Minute mit den Fingern schnipsen und dann auf die Melodie von "Alle meine Entchen" , "Ich hab keine Ahnung, keinen blassen Dunst..." singen.
Auf der Bühne kann man sein wer man will. Ich kann alles sein auf der Bühne und niemand verurteilt mich. Auf der Bühne bin ich vollkommen im Mittelpunkt und trotzdem unerreichbar für den Rest der Welt. Das ist schwer zu erklären. Niemand widerspricht, man hat die absolute Macht, wenn man so will. Ist absolut frei. Alles, was einem auf der Bühne passiert, kann gewollt sein. Alles. Man muss es nur inszenieren. Das bedeutet gleichzeitig, dass einem auf der Bühne nichts passieren kann, es kann nichts schief gehen, solang man es sofort zum Thema macht... Als ich diese Erkenntnis mal gewonnen hatte, bin ich plötzlich sehr gelassen geworden.
Erika:
Ich vermute, dass die Musik allein dich wohl noch nicht ernährt. Was machst du im bürgerlichen Leben? Auf der Homepage des Stuttgarter Lokalradiosenders "die neue 107.7" findet man dein Bild im Mitarbeiterteam. Ist das Hobby oder Beruf?
Mareike:
Das ist Beruf – und zwar viel davon! Ich weiß, man mag es kaum glauben, wenn man mich kennen lernt, aber den Großteil meines Tages verbringe ich seriös – als Nachrichtensprecherin bei der NEUEN 107.7. Ich bin froh, dass die Musik mich nicht allein ernähren muss, sonst würde sie womöglich zum Zwang und ich hätte keine Lust mehr drauf. So arbeite ich in einem kreativen und spannenden Beruf, der jeden Tag neue Überraschungen bereithält. Vor allem hab ich aber tolle Kollegen und einen Chef, der mir für jeden musikalischen Blödsinn Urlaub genehmigt und mir den Rücken freihält.
Erika:
Was macht dich als Persönlichkeit aus, wenn es nicht um Musik und Beruf geht? Hast du andere Hobbys? Bist du politisch interessiert oder engagiert? Welche anderen Bezugspunkte gibt es in deinem Leben?
Mareike:
Politik und aktuelles Tagesgeschehen interessieren mich natürlich schon allein von Berufswegen sehr. Ansonsten bin ich sehr kommunikativ. Ich interessiere mich sehr für Fremdsprachen und fang auch öfter mal enthusiastisch an, eine zu lernen. Außerdem reise ich sehr gerne, wenn’s die Zeit zulässt. Fremde Kulturen, andere Länder (vor allem Skandinavien), andere Sitten... das find ich total spannend. Ich kann mich für Literatur begeistern, manchmal für Kunst und Tanz und Filme. Ich koche sehr gerne und philosophiere mit Freunden über das Leben an sich oder aber rede den ganzen Abend nur Blödsinn. Ich habe sehr gerne Menschen um mich und brauchs dann auch harmonisch, deshalb bin ich, glaube ich recht umgänglich. Wenns um echte Freundschaften geht, bin ich dann allerdings anspruchsvoll. Da muss eine Person dann reflektiert und offen sein und was auf dem Kasten haben, sonst bin ich schnell gelangweilt.
Erika:
Wie geht es künstlerisch weiter? Metal oder Jazz? Größere Ziele? Was möchtest du in den kommenden Jahren erreichen?
Mareike:
Metal oder Jazz.... da lass ich mich nicht festlegen. Ich nehme alles mit, was mir interessant erscheint. Im Sommer nehmen wir erstmal das neue CORONATUS-Album auf, vielleicht gehen wir dann auch noch mal auf Tour.
Ein Ziel ist auf jeden Fall einmal ein größeres Festival zu spielen. Vor mehreren tausend Leuten headbangen. Vor allem will ich aber so zufrieden bleiben wie ich es gerade bin. In jeder Lebenslage. Dabei gilt: Solang ich auf Bühnen stehen und mich ausleben kann, geht es mir gut!
- Redakteur:
- Erika Becker