CORVUS CORAX: Interview mit Tritonus der Teufel

03.06.2008 | 10:38

Wie bei allen Teufelsanrufungen hat es auch bei mir nicht auf Anhieb geklappt. Die Telefonanlage hat gesponnen, aber letztendlich gelang es mir dann doch noch, Tritonus, den Teufel von CORVUS CORAX ans Telefon zu bekommen, der mit mir über ihr neues Werk "Cantus Buranus 2", dessen Entstehung und die Band an sich geplaudert hat. Die zweite Platte selben Namens kommt nicht überraschend, denn schon während "Cantus Buranus 1" entstand, war der Band klar, dass hier noch mehr Potenzial liegt und eine Nr. 2 am Horizont wartete. Doch zuerst standen Touren an, die die Band bis nach Mexiko führten. Nun ist es soweit und am 1.8.2008 wird die neue Platte im Handel sein.

Gut gelaunt ist der Teufel am Telefon, denn die meiste Arbeit an der neuen Platte ist abgeschlossen und nach weit mehr als einem Jahr Arbeit ist die Band stolz auf ihr neues Werk. 2005 hatte CORVUS CORAX das erste Mal auf diese Weise unter dem Titel "Cantus Buranus" mittelalterliche Texte vertont, die aus der Schriftensammlung Carmina Burana stammten. Diese Liedtextsammlung aus dem 12. Jahrhundert, schon seit jeher Steinbruch und Inspiration für die Band, versorgt sie nun ein weiteres Mal mit ihren alten Texten. Diese enstammen für "CB2" vornehmlich aus dem Bereich der moralischen Dichtung, wie Tritonus auf Nachfrage verrät. Denn die Platte soll von den Menschen des Mittelalters und der Gegenwart erzählen, denn "wir und die (Menschen im Mittelalter) haben viele Parallelen. Der Mensch hat sich doch kaum verändert mit seinen Fehlern", so der Teufel. Und der muss es wissen. Liebeslieder gibt es übrigens keine, dafür wird die Moral aber durch zwei Trinklieder gelockert.

Wenn wir schon direkt in die Platte gesprungen sind, bleiben wir gleich und ich frage nach der Musik. Wie und was und überhaupt? Denn die musikalische Erscheinungsform ist gewaltig, epochal und erinnert über weite Strecken an Filmmusik. So ist zumindest mein Eindruck, nachdem ich im Vorfeld die Chance hatte, in die ersten Tracks reinzuhören.

Alle haben irgendwie mitkomponiert, meint Tritonus, und alles ist komplett neu geschrieben worden. Während sich die Band nämlich bei ihren anderen Platten auch mal gerne an die Originalnoten aus dem 12. Jahrhundert gehalten hat, ist jeder Ton der neuen Platte Eigenkreation. Um Chaos und Anarchie zu verhindern, haben sich die einzelnen Bandmitglieder dann aber schon speziellen Aufgaben gewidmet. Und da man bei der ersten Platte schon vieles gelernt hatte, lief alles bei der zweiten schon etwas reibungsloser.

Doch nicht nur die Entstehungsgeschichte, auch der Sound der beiden Platten unterscheiden sich. Extra für die Zusammenarbeit mit dem Orchester und dem Chor hat die Band im Tonumfang und Dynamik modifizierte, neue Dudelsäcke gebaut. Zusammenspielen war das Zauberwort. Für Teufel kann man auf "Cantus Buranus 1" "noch mehr die Mittelalterband CORVUS CORAX hören, die von Orchester und Chor begleitet wird." Die zweite Scheibe ist da für ihn etwas anders gewichtet, denn seiner Meinung nach nimmt sich die Band zurück und alle Musiker spielen nun gemeinsam und gleichberechtigt. Das führt zu einem "Duschbad vieler Stile und Klänge" und macht das Gesamtwerk etwas härter, dunkler und aggressiver. In der Tat klingt auch für mich beim ersten Hineinhören alles ein bisschen runder und ausgeglichener. Doch dazu kann Tritonus nichts sagen, denn die Band sei viel zu lange mit "CB2" beschäfftigt gewesen, um noch unvoreingenommen zu urteilen. Es liege später an den Hörern, über alles selber entscheiden.

Sicher ist jedoch, dass nach getaner Studioarbeit nun alles endlich auf die Bühne gebracht werden soll. So übersetze ich zumindest den Satz: "Die Band hat Bock auf Gigs." Und davon gibt es nun einige. Wie schon 2005 wird auch "Cantus Buranus 2" auf Wacken uraufgeführt. Denn wenn die Platte am 1. August in den Plattenläden steht, spielt die Band am selben Abend um 23 Uhr auf der großen Festivalbühne. Und schon am 31. Mai 2008 konnte man das Werk in Halle/Saale auf der Peißnitzbühne in einer Art Generalprobe hören (Wobei der Gig nach einer Stunde wegen Gewitter abgebrochen werden musste. - Anm. d. Red.). Weitere Termine gibt es in Wittenberg, in Osterburken beim Miroque Festival und sonstige. Hier hilft ein Blick auf die Homepage. Und immer, so versichert mir der Teufel, sind alle Solisten, sowie Chor und Orchester live mit dabei.

Das bringt mich zu der Frage nach den fast 200 Musikern, die neben CORVUS CORAX im Chor, Orchester oder als Solisten an "CB2" beteiligt waren. Zuerst mal interessiert mich, wo die Band ihre Mitmusiker gefunden hat? Die kurze Antwort lautet: Familienbeziehungen und Freunde. Die lange Antwort führt das etwas genauer aus: Die Sopranistin Ingeborg Schöpf, die sonst an der Dresdner Staatsoperette singt, war schon bei der ersten Platte dabei und auch sofort bereit, bei der Nr. 2 mitzuwirken. "Sie ist unsere Stammdiva", meint der Teufel und freut sich über eine Musikerin mit so "super Stimme, dass die Gläser klirren". Der Tenor Lothar Peters, tätig u.a. an Opernhäuser in Brüssel und Nizza, wiederum kam zum Bandprojekt über seine Schwester Doro Peters. Diese macht für CORVUS CORAX die (Absolut) Promotion-Arbeit und hat irgendwann mal von ihrem musikalisch begabten Bruder erzählt, der dann auch sofort für das Projekt einkassiert wurde. Der Teufel versichert aber, dass der Musiker dazu gerne bereit war. Und auch das Babelsberger Filmorchester kam über Familienbeziehungen zur Teilnahme an "CB2". Jordon, der seit 2006 für Meister Selbfried bei der Band ist, hat einen Vater, der praktischer Weise Trompeter bei den Babelsbergern ist. Als nun die Planung zur zweiten Platte begann, fragte der Vater kurzerhand den Sohn, ob man nicht mit dem Babelsberger Filmorchester zusammenarbeiten wolle. Und so kam es auch. Der Passionata-Chor sorgt für die stimmgewaltigen Chorpassagen und mit Bernard Fabuljan, der seit vielen Jahren erfolgreich als Dirigent und Arrangeur arbeitet, konnte die Band einen fähigen und etablierten Dirigenten verpflichten.

Jetzt geht es aber erstmal weg von Europa. Nach Pfingsten ist die Band für knapp zwei Wochen in China, um Aufnahmen mit örtlichen Musikern zu machen - zweimal was für CORVUS CORAX und einmal etwas für ihr TANZWUT-Projekt, verrät mir der Teufel, bleibt sonst aber vage. Im Herbst soll es dann eine echte Tour durch das Land der aufgehenden Sonne geben. Mitte September fährt man aber erstmal zum munteren Lautenspiel nach Mexiko. Angesichts dieses Globetrottertums überkommt mich ein urplötzlicher Anflug von Reue, im Alter von 11 Jahren mit dem Blockflötespielen aufgehört zu haben...

Zum Abschluss fällt der Blick zurück auf die Geschichte der Band. Der Teufel reagiert souverän und thematisiert mit sicherem Gespür für die Dynamik des Gesprächs gleich das Thema Nummer 1: Das Alter. Das ist an den Musikern "spurlos" vorübergegangen, meint er und lacht – freundlich, nicht diabolisch: "Auch nach bald 20 Jahren Band sehen wir immer noch teuflisch gut aus." Doch neben den wichtigen Themen wie straffe Haut fürs Spielmannsleben spielt das Alter bei der Band schon eine große Rolle. Denn 2009 feiert man 20 Jahre CORVUS CORAX. "In irgendeiner Form", so orakelt der Teufel, "werden wir das feiern!" Doch noch ist das Jahr 2008 mit Cantus Buranus für die Band näher als 2009 mit ihrem Jubiläum. Rechnet man in Sieben-Jahresschritten – sieben Jahre nach Bandgründung kam "Tanzwut", sieben Jahre nach "Tanzwut" suchten sich die Musiker mit "Cantus Buranus 1" etwas Neues aus – dann kommt im 21. Jahr der Band vielleicht wieder etwas ganz Neues, Spannendes und Unerwartetes auf die Hörer und Fans zu.

Der letzte Satz gehört noch einmal der unmittelbaren Zukunft und "Cantus Buranus 2". "Wie will man Cantus Buranus 1 toppen? Mit Cantus Buranus 2!", sagte einst Castus in einer Videodoku, den man sich unter http://www.cantus-buranus.de ansehen kann. Tritonus bestätigt dies und verspricht den Hörern ein besonderes Hörerlebnis. Dann endet meine Zeit mit dem Teufel.

Ich mache noch einmal den CD-Spieler an. Die Randomfunktion routiert und als ich vom Kaffeekochen wiederkomme, ruft mir die Band gleich im ersten ausgewählten Lied entgegen: "Optimum est! Optimum est! (Es ist das Beste. Es ist das Beste!)"

Ich glaube nicht an Prophezeiungen, aber wir werden es ja sehen.

Redakteur:
Christoph Maser

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