CRADLE OF FILTH: Interview mit Dani Filth
06.06.2025 | 12:09"Und das ist immer so. Deine Lieblingsbands sind entweder dran, wenn du spielst, wenn du dich fertig machst oder wenn du ein wichtiges Interview geben musst."
Das neue Album "The Screaming Of The Valkyries" ist seit ein paar Wochen draußen und zeitnah steht die Sommertour durch Europa an. Dabei wird CRADLE OF FILTH sowohl auf einigen der großen Festivals auftreten als auch Headlinershows bestreiten. Ich hab mich mit Mastermind Dani Filth unterhalten und dabei nicht nur über das aktuelle Album und die Unterschiede zwischen Festival- und Headlinershow gesprochen, sondern auch über sein absolutes Lieblingsalbum.
Hallo Dani, bist du mit dem neuen Album zufrieden?
Ja, absolut. Das Album wurde letzten Juli bei der Plattenfirma abgegeben. Ich glaube, es hat sich dann etwas verzögert, aus welchem Grund auch immer... Wir waren viel auf Tour und haben uns immer wieder aufs Album konzentriert und dann wieder auf andere Sachen. Es hat sich dann vielleicht etwas verzögert und musste deshalb danach in eine Reihe von Veröffentlichungen eingereiht werden.
Natürlich war ein Release an Weihnachten auch ein No-Go. Außerdem wollten wir vorher drei Singles veröffentlichen, und ich habe versucht die erste vorzuverlegen, damit sie rechtzeitig zu All Hallows' Eve (Halloween) erscheinen konnte. Dies ist ja auch Thema des Albums, so dass dies dann zeitlich von bösartiger Perfektion geprägt war und daher nicht ganz so gut zu Weihnachten oder Ostern gepasst hätte.
Aber ja, ich bin sehr zufrieden mit dem Album. Es klingt fantastisch. Und ich höre es mir gerade wieder an, weil ich so viele Interviews geben muss. Ich dachte, ich sollte es mir dann mal wieder anhören.
Wie fühlt es sich an, wenn das Album sieben, acht, neun Monate, bevor man es veröffentlichen kann, fertig ist? Man sitzt auf diesem Album und niemand kann es sich anhören.
Ja, es ist komisch, aber wen kümmert das? Verstehst du, was ich meine? Es ist, wie wenn Leute einen nach Jubiläen fragen.
Was werdet ihr zum Jubiläum von "Midian" machen? Oder was werdet ihr zum Jubiläum dieses Albums machen? Und du denkst: "Jedes Jahr ist irgendein Jubiläum. Wahrscheinlich nichts. Mal sehen." Aber egal, es ist kein Problem.
Eigentlich ist es cool, die Erwartungen zu sehen. Und nach 30 Jahren in einer Band lernt man, mit viel Geduld umzugehen.
Apropos 30 Jahre im Geschäft: Was müssen du und CRADLE OF FILTH noch beweisen?
Eigentlich nicht viel. Aber es ist unsere Karriere, und wir machen sie sehr gerne. Wir sind jetzt bei einem neuen Label. Nun, ich sage neues Label, wir waren schon bei diesem Label, aber das ist unsere erste richtige Veröffentlichung. Vorher war es ein Doppel-Live-Album, aber für eine Originalveröffentlichung ist es unser erstes Album für Napalm Records. Ich schätze, wir erkunden einfach, was wir mit unserer Karriere und der Band noch erreichen können.
Und ja, es gibt eigentlich nicht mehr viel zu tun. Wir haben alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben. Ich bin mir sicher, es gibt noch eine Menge Dinge, die wir tun, spielen, bei denen wir mitmachen oder mit denen wir auf Tour gehen könnten, aber ich bin ziemlich zufrieden mit dem, was wir bisher erreicht haben.
Genießt du im Moment einfach die Reise und das, was du bisher erreicht hast?
Absolut.
Das klingt gut. Wie würdest du den Sound von "The Screaming Of The Valkyries" beschreiben, insbesondere im Vergleich zu früheren Alben?
Es fällt mir sehr schwer, unsere Songs zu beschreiben, weil jeder Song so anders ist als der vorherige. Ich kann nur sagen, dass die Produktion echt umwerfend ist. Ja, die Leute müssen es einfach selbst hören.
Ich kann es nicht wirklich beschreiben. Ich meine, ich könnte es, aber ich würde es in Gedichtform bringen, und ich werde drei Tage brauchen, um damit fertig zu werden.
Ich würde ja sagen, leg los, aber wir haben leider keine drei Tage Zeit.
Wie war denn der kreative Prozess beim Komponieren des Albums? War er anders als vorher? Wie hat er sich im Laufe der Zeit, über die Jahrzehnte, entwickelt?
Es ist so ziemlich dasselbe. Nur die Technologie hat sich natürlich geändert. Man hat jetzt einen anderen Speicherort als Notizblock und Kassette oder ein DAT-Band. Man hat jetzt Dropbox, was sehr wichtig ist. Der Prozess bleibt aber gleich; unabhängig welches, das entsprechende Medium wird mit Riffs gefüllt, und von da an bauen wir sie langsam und sicher auf.
Und sobald wir zwei oder drei Songs haben, wissen wir, in welche Richtung das Album gehen wird, und gehen dann entsprechend vor. Dieses Mal dauerte der Prozess etwas länger, weil wir die verlorene Zeit nach der Pandemie nachholten und einfach überall spielten, um den Rückstand aufzuholen, die Welt neu kennenzulernen und all unsere Fans zu treffen. Und weil wir so viel spielten, dauerte die Aufnahme des Albums sogar etwa ein Jahr, weil wir einen Teil davon einspielten, dann auf sechswöchige Tour gingen, zurückkamen, einen anderen Teil einspielten, eine weitere Tour machten oder Sommerfestivals besuchten.
Und das wird sich von nun an ändern, denn wir sind wieder da, wo wir vor der Pandemie hätten sein sollen. Deshalb schreiben wir bereits an einem neuen Album. Aber freut euch jetzt nicht zu früh. (lacht)
Aber alles gut. Ich glaube, die Pandemie hat uns alle etwas aus der Bahn geworfen. Selbst wenn sie uns planungstechnisch nicht wirklich aus der Bahn geworfen hat, weil wir unser Album im ersten Jahr aufgenommen haben, wurde es dann später trotzdem schwierig.
Erst im zweiten Jahr haben wir es dann geschafft, gegen Ende der Pandemie nach Amerika zu kommen. Es gab da einfach einen riesigen Rückstand und dann kam dazu, dass alle auf Tour waren, Busse nicht verfügbar waren und die Preise gestiegen sind. Mit diesen Dingen hatten wir zu kämpfen, wie alle anderen auch.
Das letzte Album erschien 2021 mitten in der Pandemie. Dies ist das erste richtige Album danach. Hat die Pandemie oder ihre Folgen bei der Entstehung eine Rolle gespielt, textlich oder inhaltlich?
Nein, nein, ich glaube nicht. Wir haben uns damit thematisch nicht auseinandergesetzt. Ich meine, der Titel "The Screaming Of The Valkyries" stammt aus einer Zeile des allerletzten Songs. Und die war inspiriert von der Tatsache, dass wir nur noch wenige Sekunden von Mitternacht auf der Weltuntergangsuhr entfernt sind. Und so dachte ich: Wow, das ist ein großartiger Heavy-Metal-Albumtitel.
Aber wenn man sich die Vielzahl der Himmel vorstellt, sowie die Walküre in der Luft, die schreit, weil sie von einer bösartigen Macht angegriffen und überrannt wird und wie der Himmel erobert wird, was Ragnarök, das Ende von allem, herbeiführt, dann ist das trotzdem eine sehr kraftvolle Metapher.
Natürlich würde das nicht passieren, aber wenn das der Fall wäre, wie ein seltsamer KI-Albtraum, wäre es sehr beunruhigend, so, als würde man mit eigenen Augen eine Atombombenexplosion miterleben oder am Strand stehen und eine Flutwelle kommt auf einen zu und steigt über einem auf. Es ist die Unvermeidlichkeit der Katastrophe, die drohende Angst. Ich meine, Existenz ist sinnlos. Und wenn das die drohende Angst war, dann ist "The Screaming Of The Valkyries" die Wirklichkeit, der Hammerschlag, die finale Katastrophe.
Wenn man sich das aktuelle Weltklima ansieht, ist es nicht schwer zu erkennen, woher man die Inspiration bezieht.
Nun ja, es sind nicht alle Songs so. Das Album ist tatsächlich sehr positiv, und ich habe viele Themen aus der Vergangenheit aufgegriffen, wie Vampirismus und Nostalgie. Natürlich strecken die großen Eros und Thanatos ihre hässlichen Köpfe hervor. Es gibt auch so viel Persönliches darauf.
Es enthält ermutigende Aussagen. Ich denke also, es ist ein positives Album, und der letzte Song ist ein bisschen in dickensscher Manier, da er eine Vorwarnung ist. Es ist also nicht nur Untergang und Finsternis, denn das Thema des Songs ist die Zeit nach der Katastrophe. Und wenn man sich das Lied anhört, haben wir offensichtlich natürlich noch Strom, das heißt, wir sind vor der Katastrophe.
Absolut.
Weißt du, Anpassungen sind möglich, obwohl, wenn man die Weltlage so betrachtet, ist das nicht wirklich passiert, oder? Zum Beispiel der Klimawandel: Wir alle sollten irgendwann auf diese Fähigkeiten zurückgreifen und diese globalen Veränderungen anstoßen, und mit den Kriegen ist dann alles wieder aus dem Fenster geflogen.
Es geht nur noch darum, sich gegenseitig mit Raketen abzufeuern und mit Atomwaffen zu drohen, und wir werden das aufhalten, und wir werden dieses Treibstoffdepot in die Luft jagen. Weißt du, es ist einfach... (seufzt)
Ja, da draußen passiert eine Menge, erfreuen wir uns darum umso mehr an guter Musik.
Hast du auf dem neuen Album einen Lieblingssong oder musst du wie ein Elternteil so tun, als gäbe es keine Favoriten und du liebst sie alle gleich?
Das ist eigentlich genau mein Euphemismus, das sage ich normalerweise immer. Ich sage: Nein, alle sind wie meine Kinder und sollten gleichermaßen geliebt werden, aber 'Ex Sanguine Draculae' ist tatsächlich mein Lieblingssong.
Es war ein Motto, das ich mir tätowieren ließ, und es war großartig… Als ich den Song oder den Ursprung des Songs hörte, bevor er im Studio drankam, war die Atmosphäre, die er in mir hervorrief, dieselbe wie die von "Dusk… And Her Embrace" oder "Cruelty And The Beast" damals. Er hatte die gleiche Stimmung, und daher war das Thema für mich alles andere als gleichgültig. Es musste ein bestimmter Stil sein. Der Song hat es vorgegeben, und ja, ich bin sehr zufrieden mit dem Song. Er hat einen sehr zergliederten, frühen, vampirartigen Vibe. Sehr schnelles Tempo mit vielen melodischen Riffs und einem schweren Mittelteil. Ja, labyrinthisch, würde ich sagen.
Jetzt im Juni und Juli seid ihr mit NERVOSA auf Tour und auf einigen Festivals hier in Europa. Was können Fans erwarten, die noch nie bei einer CRADLE OF FILTH-Show waren?
Nun, es ist hochoktanig und sehr energiegeladen. Hoffentlich haben wir eine Bühnenshow. Es hängt wirklich alles davon ab, wo wir sind und wohin wir fliegen. Wenn wir nur zu einer One-Off-Show fliegen, ist es immer sehr schwierig, alles mit rüberzubringen, aber ja, es ist sehr filmisch. Wie gesagt, energiegeladen und rasant. Die Leute werden viel Spaß haben, wenn sie zu CRADLE OF FILTH kommen.
Wir sind kostümiert. Ja, es ist visuell und aufregend. Wir haben eine unglaubliche Live-Show, und was unsere Setlist angeht, sind wir nicht die, die einfach sagen: "Weißt du was? Wir spielen das ganze Album und dann nur ein oder zwei Lieblingssongs!"
Momentan spielen wir natürlich einige Songs vom neuen Album, aber auch Songs aus unserem gesamten Backkatalog, darunter Fan-Favoriten, unsere Favoriten. Und jedes Mal nehmen wir auch einen sehr alten Song oder einen, den wir selten gespielt haben, ins Programm auf. Außerdem achten wir bei Festivals darauf, dass es keine 10-minütigen Songs mit vielen Wendungen sind. Festivalsongs sollen die Leute mitreißen.
Apropos Festivals, das bringt mich direkt zu meiner nächsten Frage: Geht ihr, abgesehen von der Songauswahl, anders an einen Auftritt heran, wenn es euer eigener Auftritt ist oder ein Festival?
Nein, wir gehen da nicht anders vor, außer dass das Ganze ein völlig anderes Erlebnis ist.
Sagen wir es so: Wenn man auf Tournee ist, also im Tourbus, ein paar eigene Shows absolviert hat und dann auf ein Festival geht, muss man alle wichtigen Dinge aus dem Kopf hauen. Denn selbst wenn man ganz weit oben auf dem Line-up steht, hat man keine Garantie für einen Soundcheck, selbst als Headliner hat man keinen garantierten Bühnenzugang. Es gibt keine Garantie für eine große Garderobe oder überhaupt genug Bewegungsfreiheit.
Man muss sich also an solchen Tagen darauf einstellen, einfach loszulegen. Normalerweise kenne ich mich mit Vorbereitungen, pünktlichem Fertigmachen und all diesen anderen Dingen sehr gut aus. Man muss einfach loslegen und im Wissen "Ich genieße den heutigen Tag, so wie er ist. Und mir ist klar, dass ich mich morgen wahrscheinlich ausruhen muss, weil ich es einfach nehmen muss, wie es kommt."
Und dann lernt man auch noch viele andere Leute kennen, andere Bands. Also, ja, es ist etwas ganz anderes. Es macht richtig Spaß. Ich glaube nur nicht, dass es einer Band guttut, eine Tour zu machen, die nur auf Sommerfestivals läuft. Das wäre das reinste Chaos. Sagen wir es mal so.
Schaffst du es dann auch dir wenigstens ein paar der anderen Bands anzuschauen?
Nein, weißt du was? Jedes verdammte Mal, wenn wir ein Konzert spielen, denke ich mir nur: "Oh nein. Oh mein Gott. Ich kann es nicht glauben; KING DIAMOND spielt, echt jetzt! Wir müssen los!" Und dann siehst du: Oh, warte, er spielt fünf Minuten nach unserem Beginn.
Und das ist immer so. Deine Lieblingsbands sind entweder dran, wenn du spielst, wenn du dich fertig machst oder wenn du ein wichtiges Interview geben musst. Ich meine, nein, das ist nicht immer so. Und manchmal sehe ich unglaubliche Sachen. Ich suche sehr gerne nach alten Thrash-Bands, denn ich bin mit Thrash Metal aufgewachsen und es ist immer gut, mal eine zu sehen. Man hat ja noch nie sowas gesehen wie RAZOR, XISUMA oder DARKNESS - nicht THE DARKNESS, sondern DARKNESS.
Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass du jetzt seit über 40 Jahren im Geschäft bist. Und ich denke, man kann mit Sicherheit sagen, dass sich dein öffentliches Image im Laufe der Zeit, über all die Jahre, etwas verändert hat. Und auch das Image von CRADLE OF FILTH hat sich verändert. Was denkst du, wie du in der Öffentlichkeit wahrgenommen wirst?
Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt bin ich nicht so selbstanalytisch. Ich mache mir schon lange keine Gedanken mehr über so einen Scheiß. Der Grund dafür ist, dass man es nicht jedem recht machen kann. Und das lernt man auf die harte Tour, wenn man in einer Band ist.
Man versucht alles, um das zu erreichen, was die Fans wollen. Und es klappt nie. Und es liegt daran, dass man zum Beispiel das beste Album der Welt schreiben kann, und es wird immer noch Leute geben, die es hassen. Und man könnte den größten Mist schreiben, den es gibt. Und es würde großartig angenommen werden. Man kann einfach nichts auf dieser Welt garantieren.
Und man kann es nicht jedem recht machen. Ich denke, die wichtigste Lektion ist, sich selbst zufriedenzustellen [im Englischen: "to please oneself", also sich selbst zu befriedigen – Anmerkung d. Red.], und genau das tun wir. Das klingt furchtbar. (lacht)
Wir machen es uns heute selbst recht. Damit meine ich, wir schreiben für uns selbst. Und wenn wir damit zufrieden sind, wenn wir das Studio mit dem Album verlassen, ist das perfekt. Dann haben wir natürlich auch ein Auge darauf geworfen, was den Fans gefallen könnte, aber für alle anderen ist das im Grunde egal. Ich habe sogar aufgegeben, mir YouTube-Kommentare zu den Videos anzuschauen, weil man natürlich viele sehr gute bekommt, weil es ein toller Song und ein tolles Video ist. Und dann gibt es solche wie diesen: "Sie hatten seit den 90ern kein gutes Video mehr." Und man denkt sich, wir hatten in den 90ern genau ein Video.
Das muss ein gutes gewesen sein!
Natürlich muss es fantastisch gewesen sein! Und das war nur etwa zwei Monate vor Ende der 90er.
Und dann war da noch einer neulich, so nach dem Motto: "Oh, ich verstehe die letzten beiden Platten nicht, die Produktion war einfach so schlecht. Man hört die Gitarren kaum." So nach dem Motto: Was zur Hölle? Womit hörst du dir das an? Du bist wahrscheinlich der Einzige auf der Welt, der so etwas sagen würde.
Also, ja, ich muss manchmal einfach lachen. Am besten finde ich es, wenn ich versuche, etwas für wohltätige Zwecke zu tun oder etwas zu posten, was mich nicht direkt betrifft. Meine Freundin ist, obwohl wir bald zusammenziehen, total abgeneigt, Hilfe von mir anzunehmen.
Zum Beispiel vor ein paar Jahren wurde ihre Katze sehr schwer krank. Ich habe etwas Geld dafür ausgegeben, aber es war teuer, und sie wollte es für sich selbst machen. Sie sagte: "Nein, ich mache so eine Sache, bei der sie mir im Gegenzug ein Tattoo anbieten könnte." Und sie hat so eine Art GoFundMe-Kampagne gestartet. Und da kam so viel Hass. "Warum zur Hölle machst du das? Dein Freund lebt in einem Schloss in England. Frag ihn doch mal. Er ist Multimillionär. Frag ihn doch mal um Geld."
Man denkt sich: Was zur Hölle? Es ist zwar einerseits lustig, aber halt nicht wirklich.
Manche Leute haben da ein völlig verzerrtes Weltbild, würde ich sagen.
Absolut. Und noch eine andere verzerrte Sichtweise, die noch ironischer ist, weil man sich denkt: Wenn ich Multimultimultimultimultimultimillionär bin, wie bin ich dann dazu gekommen, wenn die Fans mich nicht mal mein eigenes Geld verdienen lassen? Ich meine natürlich nicht die meisten der Fans, aber generell scheint es so, dass wenn eine Band sich besonders viel Mühe gibt, etwas Einzigartiges und Anderes zu machen, dann ist das keine Musik. Die werden dann oft schlechtgemacht. Ich finde das auch etwas seltsam; als ob Bands nicht einfach losgehen und Geld verdienen könnten.
Es ist, als ob die Leute wollen, dass ihre Lieblingsbands Erfolg haben, aber dann hassen sie sie dafür, dass sie Erfolg haben.
Ja. Was soll das denn? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn die Bands kein Geld verdienen, dann existieren die Bands nicht mehr. Und ich kenne viele Bands, von denen man jetzt nach der Pandemie nicht mehr viele Alben sehen wird, weil sie andere Jobs gefunden haben und sich dachten: "Weißt du was? Ich kann zu Hause bei meiner Familie bleiben. Wir können immer noch Sommerfestivals machen. Wir bringen jetzt nur nicht mehr alle fünf Jahre ein Album heraus. Das ist cool."
Ja, absolut. Wo wir gerade über andere Bands und deren Alben reden, da will ich dir doch mal die Pistole auf die Brust setzen: Was ist das beste Album aller Zeiten, deiner Meinung nach?
Was? Da unterhalten wir uns locker und du überrumpelst mich mit ner Frage nach dem besten Album aller Zeiten.
Ja.
Wow. Wow, das ist eine Bestrafung! Ich weiß es nicht. (überlegt kurz)
Ich bin ein riesiger Fan von diesem Album "Jeff Wayne’s Musical Version Of The War Of The Worlds". Es war ein Riesenerfolg in England und anderen Teilen der Welt, aber nicht überall. Es ist eine musikalische Nacherzählung. Und ich hasse Musicals, verdammt noch mal. Aber das hier ist brillant.
Es ist die Geschichte von H.G. Wells' Krieg der Welten über die Invasion Englands durch diese Dreibeiner. Und die Geschichte – ich liebe sie sowieso, eine meiner Lieblingsgeschichten. Aber dieses Album ist im Grunde ein Musical mit Sprecher, und es ist so perfekt gemacht. Sie haben sogar einen Chart-Hit aus 'Forever Autumn' gemacht, einem wunderschönen Song.
Und gesprochen wird es von... oder zumindest im Original war es so, weil sie es seitdem überarbeitet haben. Oh, Mist, jetzt habe ich seinen Namen vergessen. Ich liebe es so sehr und jetzt habe ich den Namen des verdammten Kerls vergessen. Gib mir eine Sekunde.
Nur zu. (Dani holt schnell die LP aus dem Regal)
Richard Burton. Gesprochen von Richard Burton. Das zweite Mal, als sie es in den 90ern überarbeiteten, um es etwas moderner zu machen, weil es in den 70ern spielt, holten sie Liam Neeson für die Erzählung, die nicht ganz so kraftvoll war. Aber im Original sind viele wirklich berühmte Musiker zu hören, und es ist teils Rock, teils Orchester. Es ist unglaublich episch. Und Phil Lynott (THIN LIZZY, † 1986) hat auch eine der Stimmen übernommen. Er spielt den Pfarrer Nathaniel.
Sie machen auch immer wieder eine Tourversion davon, die um die Welt geht und immer die größten Hallen füllt. Ironischerweise ging ich zum Vorsprechen für Phil Lynotts Part und ich konnte es letztendlich nicht machen, weil es kollidierte. Das hätte bedeutet, dass ich sechs Monate pausieren müsste, und es kollidierte mit einem Album, das wir gerade fertiggestellt hatten. Aber ich ging zu Jeff Wayne, dem Haus oder Anwesen des Komponisten. Ich nannte es Wayne Manor. Und ich glaube, ich habe ihn in seinem Studio zu Tode gelangweilt, als wir uns einfach darüber unterhielten, wie sehr ich die Platte liebe. Und sie haben auch ein Hörspiel davon gemacht, mit dem kompletten Buch.
Sie haben die Taktung der Musik verändert, aber sie haben die Musik genutzt und erweitert. Und es ist einfach so gut. Es ist das atmosphärischste Musikstück aller Zeiten, vor allem, weil es doppelseitig ist. Die erste Hälfte heißt "The Coming Of The Martians". Und dann kommt "The Earth Under The Martians". Es ist so brutal episch. Es ist so gut.
Wow, bei dieser wirklich guten Antwort bereue ich es nicht, dich so mit der Frage überrumpelt zu haben, es hat sich absolut gelohnt.
"Jeff Wayne’s Musical Version Of The War Of The Worlds". So heißt es. Es ist brillant.
Ich werde es mir auf jeden Fall mal anhören.
Wenn nicht komplett, dann höre dir unbedingt den Song 'The Eve Of The War' an. Das ist der erste Song.
Kommen wir zu meiner eigentlich letzten Frage, bevor diese spontane Überrumpelung kam: Du hast im Laufe der Jahre viele Kollaborationen gehabt. Könnte ich dich noch einmal in Verlegenheit bringen und dich bitten, mir zwei Musikerinnen oder Musiker zu nennen, einen aus der Metal-Welt und einen ganz außerhalb, mit denen du in Zukunft gerne zusammenarbeiten würdest?
Also, mit wem ich gerne arbeiten würde, mit dem haben wir schon mal gearbeitet. Na ja, es gibt zwei. King Diamond oder Glenn Danzig. Die Liste ist natürlich länger, aber egal, das wäre super.
Und außerhalb des Metals würde ich Lana Del Rey sagen, weil ich denke, sie könnte dem Ganzen wirklich gerecht werden.
Und da wir das schon gemacht haben: Wir haben einen Track mit Ed Sheeran gemacht, und der hat funktioniert. Die Leute denken: "Mein Gott, das klingt furchtbar." Und das stimmt nicht. Es klingt fantastisch. Ich denke, mit jemandem, der schon eher in Richtung Gothic tendiert, wie bei Lana Del Rey, könnten wir etwas richtig, richtig Cooles machen.
Das klingt super. Dani, ich freue mich darauf, dich auf Tour zu sehen. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns genommen hast.
Ja, gern geschehen. Schönen Tag noch. Tschüss.
Das aktuelle Album von CRADLE OF FILTH, "The Screaming Of The Valkyries" erschien im März. Tickets für die anstehende Headliner-Tour gibt es unter diesem Link.
Die Live-Bilder hat Frank Hameister im Dezember 2024 beim Konzert in Karlsruhe gemacht.
- Redakteur:
- Chris Schantzen