CUSTARD: Interview mit Chris Klapper
19.10.2005 | 23:20CUSTARD aus Herne gibt es schon eine ganze Weile, doch auf das kürzlich erschienene Album "Wheels Of Time" mussten die Fans lange warten. Schlagzeuger Chris Klapper klärt uns über die Gründe für diese beträchtliche Wartezeit auf, erzählt uns, ob ihn die ständigen Vergleiche mit HELLOWEEN nerven und wie man auf den Bandnamen "Eiercreme" kommt...
Rüdiger:
"Wheels Of Time" erschien gute fünf Jahre nach dem direkten Vorgänger "For My King". Was hat euch so lange aufgehalten? Lag es allein am eher unrühmlichen Ende von Last Episode / B.O. oder hattet ihr auch innerhalb der Band Probleme?
Chris:
Wirkliche Probleme innerhalb der Band hatten wir nicht. Es war einfach ziemlich ernüchternd, dass wir mit unserem damaligen Label nichts als Ärger hatten und von den vertraglich geregelten Punkten, wie zum Beispiel einem versprochenen Tour-Support inklusive der dafür nötigen Finanzen, sahen wir absolut nichts. Letzten Endes war es soweit gekommen, dass eine Kommunikation zwischen Label und uns nur noch über einen Anwalt möglich war. So was ist Gift für das persönliche Klima in der Band. Ich denke, dass neben den berühmten "musikalischen Differenzen" auch dies für den Ausstieg von Dirk und Micha verantwortlich war. Es fehlten einfach die Perspektiven. Tja, und da die Beiden einen nicht unerheblichen Teil zum Songwriting beigetragen hatten, war es für uns quasi ein Neuanfang. Wir mussten uns als Band zusammenraufen und es vergeht nun mal einige Zeit bis man aus fünf Leuten eine Band gemacht hat, die auch noch gute Songs zu Stande bringt.
Rüdiger:
Stell uns doch bitte kurz die neuen Bandmitglieder vor und erzähle uns, ob sie vorher schon in irgendwelchen Bands aktiv waren, von denen wir wissen sollten.
Chris:
Als Nachfolger für Micha haben wir auf CUSTARD-Mitbegründer Jens Schröder zurückgegriffen. Er war seit seinem Ausstieg, der muss ca. 1990 gewesen sein, eher im Rock'n'Roll und Blues unterwegs. ACHTLOS hieß seine Band. Ich hatte eigentlich über die ganzen Jahre immer mal wieder Kontakt mit Jens und ich wusste, dass er bei ACHTLOS nicht unbedingt zufrieden war. Als wir ihm dann den Bassposten bei CUSTARD angeboten haben, gab es kein langes Zögern und er war wieder dabei. Hat sich sogar in Rekordzeit den kompletten Set draufgeschafft, um sofort live mitmischen zu können.
Etwas schwieriger war die Sache mit dem Sologitarristen. Wir haben einen Haufen Leute angetestet und von Vollhupen bis Rockstars war alles vertreten. Holgi hat sich auf eine Anzeige bei uns gemeldet und ich hab mich auf ein Bier mit ihm getroffen. Passte persönlich sofort ziemlich gut und wie sich später zeigte, waren auch die Fähigkeiten entsprechend. Er hat vorher bei einer Band namens PHALANX gezockt, die ziemlich im Thrash beheimatet war. Mit denen hat er es auch auf zwei Alben gebracht. Passt trotzdem gut zu CUSTARD und bringt wieder eine neue Facette hinzu.
Rüdiger:
Hast du noch Kontakt zu den ausgeschiedenen Mitgliedern? Falls ja, sind diese heute noch musikalisch aktiv?
Chris:
Bis auf sporadische Treffen auf Partys oder so was ist der Kontakt ziemlich abgerissen. Wir leben in der selben Stadt, darum läuft man sich schon hier und da mal über den Weg, das war's. Hätte ich nie gedacht, dass man sich trotz der gemeinsamen Jahre, in denen wir viel zusammen erlebt haben, so schnell aus den Augen verliert. Ist halt einfach so passiert, ohne Vorsatz oder böses Blut. Die beiden machen wohl noch Musik, irgendwas "RAMMSTEIN meets Nu Metal"-artiges, soweit ich weiß. Über den aktuellen Stand bei dem Projekt weiß ich aber nichts Genaues.
Rüdiger:
Bei Bands wie MANOWAR oder METALLICA sind mehrjährige Wartezeiten ja recht üblich und werden von den Fans in der Regel geschluckt, aber wie sieht es für eine Band von eurem Status aus? Ist es nicht sehr schwer, wieder auf die bereits erspielte Fangemeinde aufzubauen und an die vorherige Popularität anzuknüpfen? Anders gesagt: Hattet ihr das Gefühl, dass euch eure alten Fans über die Durststrecke hinweg treu geblieben sind, oder steht ihr heute vor einer Art komplettem Neuanfang?
Chris:
Sicher sind uns dadurch einige Fans abhanden gekommen, weil wir seit Jahren kein Album nachgeschoben haben, aber es ist ja keineswegs so, dass wir gar nichts gemacht haben. Abgesehen von 2001 waren wir immer für rund zehn Gigs pro Jahr unterwegs, wer uns also auf den Fersen bleiben wollte, der konnte das. Wir haben auch immer wieder neue Songs geschrieben, aber wir wollten kein halbgares Album abliefern. Also haben wir so lange gewartet, bis wir alle gesagt haben: "Jetzt ist es soweit". Allerdings ist es jetzt auch interessant zu sehen, wie viele Leute uns zum ersten Mal hören und kaum glauben können, dass es uns schon so lange gibt.
Rüdiger:
Das aktuelle Album ist nun knapp zwei Monate auf dem Markt. Wie ist das bisherige Feedback von Fans und Medien?
Chris:
Die Reviews sind durchaus gut bis sehr gut, was uns natürlich ein wenig stolz macht. Häufigster Kritikpunkt ist, dass wir "das Rad des Metal" nicht neu erfinden und sehr nach alten HELLOWEEN klingen. Mit den Punkten können wir aber gut leben. Power Metal ist das, was ich höre und folglich auch mag. In diesem Genre sind Neuerungen nur bedingt möglich, und wie ich finde auch nicht zwingend nötig. Wenn ich ein Album von GAMMA RAY kaufe und die machen auf einmal Prog, dann komme ich mir echt verarscht vor. Kauf ein CUSTARD-Album und du weißt, was dich erwartet. Zum Thema HELLOWEEN, was als Parallele in fast jedem Review vorkommt, kann ich sagen, dass ich lange Jahre in den Achtzigern mit einem HELLOWEEN-Backpatch auf der Jacke rumgelaufen bin.
Du kannst dir also denken, wie ich mich fühle, wenn CUSTARD mit denen verglichen werden.
Rüdiger:
Es stört euch demnach nicht, wenn ihr mit der "Hamburger Schule" des melodischen Speed Metals in einen Topf geworfen werdet, und ihr könnt gut damit leben, mit den alten HELLOWEEN oder mit GAMMA RAY, NOT FRAGILE oder STORMWARRIOR verglichen zu werden?
Chris:
Hier sind ja die beiden oben genannten Bands wieder als Vergleich. Wie schon oben gesagt, habe ich persönlich alles andere als ein Problem damit. Mir ist allerdings schleierhaft, wie du in dem Zusammenhang auf NOT FRAGILE und STORMWARRIOR kommst. Mit NOT FRAGILE haben wir mal im Marx zusammen gespielt und ich kann jetzt keine großen Parallelen zu CUSTARD entdecken. Auch STORMWARRIOR sind nicht unbedingt unsere Baustelle, aber vielleicht sehe ich das anders, wenn ich die Jungs mal live gesehen habe. Wir spielen nächste Woche mit denen zusammen in Peine.
Rüdiger:
Jau, ich wollte euch auch nicht direkt mit NOT FRAGILE und STORMWARRIOR vergleichen, und mir ist klar, dass die kein Einfluss für euch sein können. Ich habe die nur genannt, weil die eben auch ständig mit den alten HELLOWEEN und GAMMA RAY verglichen werden, und somit auch die gleiche Zielgruppe ansprechen dürften, wie ihr.
Wie siehst du die Entwicklung im Melodic Metal oder Power Metal in den letzten Jahren allgemein? Es ist wohl sehr offensichtlich, dass es Unmengen an Bands und Veröffentlichungen gibt, die es dem Fan schwer machen, den Überblick zu behalten und seine Kaufentscheidungen zu treffen. Im Endeffekt sind die meisten Bands auf einem handwerklich recht hohen Niveau. Was ist es, das im Endeffekt die Aufmerksamkeit der Hörer fesseln kann und was meinst du, inwiefern es euch mit "Wheels Of Time" gelingen kann, mehr zu sein, als nur ein weiteres gutklassiges Exponat einer dicht bevölkerten Szene?
Chris:
Die besagte Szene wird sich in den kommenden Jahren sicherlich "gesund schrumpfen", davon bin ich überzeugt. Natürlich haben wir in den letzten fünf Jahren einiges verpennt, sonst würden wir sicher bereits in einer höheren Liga spielen bzw. könnten uns auf unseren Lorbeeren ausruhen. Da das nicht so ist, bleibt uns nur der Spaß an der Sache selbst und untereinander. Keinesfalls wollen wir auf Biegen und Brechen "reich und berühmt" werden; wir ziehen unseren Stiefel durch und ziehen daraus soviel Spaß wie möglich. Wem es gefällt: schön, wer unsere Platten kauft: geil, wer unsere Gigs besucht: super, aber auch wenn das nur zwei Nasen sind - Hauptsache, wir haben Spaß dabei. Schau dir mal einen Gig von uns an. Man behauptet, dass der Spaß, den wir auf der Bühne haben auch aufs Publikum übergreift.
Rüdiger:
Wird sich hoffentlich mal ergeben, dass ich euch live sehen kann. Wie sieht's im übrigen an der Livefront aus. Habt ihr anlässlich der aktuellen Scheibe Tourangebote bekommen? Plant ihr, selbst was auf die Beine zu stellen? Wenn ihr schon einige Dates gespielt habt, wie waren die Publikumsreaktionen? Falls nicht: Wen würdet ihr gerne supporten - einen stilverwandten Act, oder eine Band aus einer anderen Stilrichtung?
Chris:
In diesem Jahr haben wir bisher knapp 20 Gigs gespielt und einige stehen noch aus. Wir haben Tourangebote bekommen, eines haben wir auf finanziellen Gründen abgelehnt, ein sehr interessantes wurde uns vor der Nase weggeschnappt und zwei stehen noch unbestätigt im Raum, darum will ich hier nicht über ungelegte Eier philosophieren. Wenn auch die nicht klappen, dann gönnen wir uns von Januar bis ca. April eine Auszeit und schreiben Songs für das nächste Album. Falls doch eine davon klappt: Fein, das wird ein Spaß! Am liebsten würden wir natürlich mit einer Band touren, die in unserem Genre schon einiges erreicht hat. Wäre doch schön deren Fans zu zeigen, dass wir keinen Deut schlechter sind und für unseren Spaß ist es sicher auch zuträglicher, wenn wir ein Power-Metal-Publikum vor der Nase haben.
Rüdiger:
Das Cover-Artwork eurer Scheibe ist wirklich sehr gelungen, wie ich finde. Wie seid ihr auf den Künstler aufmerksam geworden, wer hatte die Idee für das Coverkonzept und wie zufrieden seid ihr mit der Umsetzung?
Chris:
Ist eine lustige Geschichte dahinter. Wir haben uns die Köpfe heiß geredet über Titel und Cover der Scheibe. Nachdem wir uns über den Titel einig waren, haben wir uns mit den Worten getrennt "jeder macht mal einen Entwurf". Ich hab mich in irgendeinem Forum (ich glaube, es war sogar eures) rumgetrieben und bin auf ein nichtssagendes Angebot gestoßen: "Mache Cover oder Posterdesign. Näheres per Email" oder so. Ich hab dem Typen unser Logo geschickt, ihm gesagt, dass es sich um Power Metal handelt und der Titel "Wheels Of Time" sein wird. Ein paar Tage später hatte ich dann das fertige Cover in mehreren Farbvarianten per Mail. Mir ist fast ein Ei aus der Hose gesprungen; perfekt umgesetzt, wie ich finde. Natürlich gab's beim nächsten Treffen gar keine Diskussion und die Entwürfe der Kollegen lagen schneller im Mülleimer, als ich gucken konnte. Alle waren sofort Feuer und Flamme. Christian Klute heißt er und hat inzwischen schon ein paar mehr Cover gemacht. Auf seiner Seite kann man sich weitere Arbeiten ansehen. Sehr empfehlenswert.
Rüdiger:
Ich habe von "For My King" nur Auszüge gehört, aber mir kommt es vor, als hätte sich der Gesangsstil ein klein wenig verändert. Die höheren Passagen sind ein wenig dominanter. Siehst du das auch so? Falls ja, liegt da eine bewusste Entscheidung dahinter, oder ist das eine eher zufällige Entwicklung oder nur eine falsche Wahrnehmung meinerseits?
Chris:
Im Entstehungsprozess von "For My King" war Guido noch nicht beteiligt. Wir hatten den Gesang ursprünglich auf Dirks Stimme zugeschnitten, aber dann im Studio gemerkt, dass das nicht recht passt. Wir haben dann ein paar Wochen Auszeit genommen und Guido in die Band "komplimentiert". Er war also auf "FMK" lediglich Interpret. Auf dem aktuellen Album hat er aber seine Gesangslinien selbst geschrieben. Natürlich kommt da etwas anderes heraus, aber es ist nicht so, dass wir bewusst irgend etwas geändert haben. Generell ist der Gesang etwas kräftiger ausgefallen, da wir mit vielen mehrstimmigen Arrangements gearbeitet haben.
Rüdiger:
In Deutschland weiß ja kaum jemand, was euer Bandname bedeutet, aber hat euch schon mal einer eurer anglophonen Fans gefragt, was um alles in der Welt euch dazu bewogen hat, eure Band "Eiercreme" zu nennen? Oder hat das mit einer der diversen übertragenen Bedeutungen des Wortes zu tun?
Chris:
Nö, der Name ist absolut sinnfrei. Irgendwann brauchten wir einen Bandnamen und wir haben uns hingesetzt und ein englisches Wörterbuch aufgeschlagen. CUSTARD klingt gut - nehmen wir! Wir haben viel getrunken damals... ;-)
Rüdiger:
Wenn es dich nicht stört noch ein wenig über etwas anderes als CUSTARD zu sprechen, dann würde mich interessieren, was dir zu den folgenden drei Themen einfällt, welche die großen Namen eures musikalischen Genres betreffen:
HELLOWEENs "Keeper Of The Seven Keys - The Legacy"... Gute oder schlechte Idee?
Chris:
Kann meiner Meinung nach nur in die Hose gehen, obwohl ich die Platte noch nicht gehört habe. Ich hab mir das Video von 'Mrs. God' reingezogen, den Song brauch ich absolut nicht. Ich hoffe inständig, dass der Rest doch eher in Richtung "Keepers I & II" geht. Ich kann generell nichts bis gar nichts mit Deris' Gesang anfangen und bekomme echt Pusteln, wenn ich den live beim Singen von z.B. 'Future World' höre. Also verdammt schlechte Idee, obwohl wir mit CUSTARD gerne die Tour mitgefahren wären.
Rüdiger:
GAMMA RAYs "Majestic"... Schon gehört? Eindrücke?
Chris:
Noch nicht gehört, obwohl ich die letztens geschenkt bekommen habe. Muss irgendwo in meinem unaufgeräumten Auto liegen.
Rüdiger:
SAVAGE CIRCUS "Dreamland Manor"... Irgendwelche Gedanken zur neuen Band von Thomen Stauch?
Chris:
Guter Trommler und was ich bisher im Internet gehört habe auch eine gute Band. Die sind jetzt einem ziemlichen Erfolgsdruck ausgesetzt und das ist sicher nicht die erste Band, die an so was gescheitert ist. Vielleicht hätte man eher noch ein Jahr ins Land gehen lassen sollen, um das Bandgefüge zu festigen. Sehe ich mir aber sicher live an, wenn die mal des Weges kommen, die Songs sind klasse.
Rüdiger:
Was sind eure Pläne für die nähere Zukunft?
Chris:
Entweder eine der besagten Touren klappt, oder eine Live-Auszeit um die Songs fürs Album fertig zu stellen. Wir hoffen Ende 2006 den nächsten Rundling vorstellen zu können.
Rüdiger:
Gab's sonst noch etwas, das du uns und euren Fans gerne mitteilen würdest?
Chris:
Wir würden uns freuen, wenn ihr uns mal live besuchen kommt und mit uns eine ordentliche Party feiert. Wo und was bei uns abgeht erfahrt ihr immer brandaktuell auf unserer hervorragenden Webseite.
Rüdiger:
Vielen Dank für das Interview.
Chris:
Wir haben zu danken...
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle