DANZIG: Interview mit Glenn Danzig
27.03.2008 | 18:33Als letzten Juni die Compilation "The Lost Tracks Of Danzig" erschien, hatte ich die seltene Gelegenheit ein paar Worte mit dem Meister zu wechseln. Die Kassette mit dem Interview gab ich danach in die vertrauensvollen Hände meines damaligen Drummers, in der Hoffnung, diese als mp3-Datei wieder zu kriegen. Die Tage zogen leider dahin, und als ich die Kassette endlich wieder hatte, natürlich nicht als mp3, war es leider schon viel zu spät, das Interview noch zu veröffentlichen. Durch mehrere aktuelle Ereignisse jedoch hab ich mich dagegen entschieden, das Interview in der Schublade verrotten zu lassen. Ein paar Aussagen sind mit Sicherheit nicht mehr aktuell, aber dennoch lesenswert. Nun also zu dem Interview, das entgegen meiner Befürchtungen sehr angenehm und locker von der Bühne ging.
Lars Strutz:
Hi Glenn, wie geht's?
Glenn Danzig:
Gut, danke.
Lars Strutz:
Deine Karriere mit DANZIG umfasst ja jetzt bald 20 Jahre, warum kommen gerade jetzt die bisher unveröffentlichten Songs mit den "Lost Tracks Of Danzig" heraus?
Glenn Danzig:
Es lag an der Zeit, die es gedauert hat. Dass ich zurzeit nicht auf Tour bin, hat mir geholfen, einige Sachen fertigzustellen, und das ist eine davon.
Lars Strutz:
Wie lang hat es gedauert, die "Lost Tracks Of Danzig" fertigzustellen?
Glenn Danzig:
So um ein Jahr, eine lange Zeit für mich. Die meiste Arbeit hatte ich mit den Tapes, besonders denen von vor '95, einige 2-Zoll-Sachen laufen nämlich nicht mehr auf den neuen Maschinen.
Lars Strutz:
Eine von den besonders herausragenden Nummern dürfte wohl 'Come To Silver' sein, welches du ursprünglich für Johnny Cash geschrieben hattest. Wie kam es eigentlich zu dem Kontakt und wieso kam es zu keiner Veröffentlichung?
Glenn Danzig:
Ich habe schon früher für ihn einen Song geschrieben, meine damalige Plattenfirma America hatte mal angefragt, ob ich einen Song für ihn schreiben könne. Ich hab dann also den Song '13' gemacht, und er mochte ihn, seine Freunde mochten ihn und ich bekam eine Menge guter Reaktionen und so fragte er, ob ich vielleicht noch einen Song schreiben könnte? Er kam dann zu einer DANZIG-Probe und ich zeigte ihm 'Come To Silver' und er mochte es sehr. Aber dann verließ ich Amerika und ich hatte eine Menge Probleme und wollte ihm dann den Song auch nicht geben, denn ich wusste, ich würde nicht bezahlt werden. Johnny ist ein cooler Typ, es war nicht seine Schuld, sondern die des Labels.
Lars Strutz:
Gab es eigentlich viel Kontakt mit Johnny Cash?
Glenn Danzig:
Ich traf ihn, ich erzählte ihm von dem Zeug, das ich für ihn geschrieben hatte, wir spielten den Song '13', und er rief mich auch ein paar Mal vom Studio aus an. Wir trafen uns einige Male, er kam auch auf die DANZIG-"IV"-Session und hing da mit uns rum. Ein sehr netter Typ.
Lars Strutz:
Auf den "Lost Tracks..." gibt es auch drei Coverversionen, wie kamen die eigentlich zustande?
Glenn Danzig:
Wenn wir mit DANZIG ins Studio gehen und die Basics einspielen, dann braucht die Band etwa vier Tage, und ich buche immer so etwas um eine Woche rum, also haben wir noch ein bisschen extra Zeit, in der wir noch neue Songs einbringen können oder eben ein paar Songs covern. Nun bin ich ein großer T-REX-Fan und 'Buick McCane' - nun, ich dachte, damit kann ich was machen. Ich mache nur dann ein Cover, wenn ich etwas daran ändern kann, wenn ich den Song auf eine andere Ebene bringen kann, eine Ebene, die der Originalinterpret nicht geschaffen hatte. Denn wenn es genauso klingt wie die Version des Originalinterpreten, wird es sofort Mist, und ich dachte, mit den Songs kann ich etwas machen. Der Song von THE GERMS klingt ein bisschen gruseliger, dunkler, und auch DAVID BOWIEs 'Cat People' beginnt etwas dunkler und wird dann eine Heavy-Rock-Nummer.
Lars Strutz:
Als was würdest du DANZIG eigentlich bezeichnen: Soloprojekt oder Band?
Glenn Danzig:
Beides, das bin ich, deswegen heißt es DANZIG, und es ist trotzdem eine Band, an der Menschen beteiligt sind.
Lars Strutz:
Wie entscheidest du, wer in der Band spielt und wer nicht?
Glenn Danzig:
Meistens treffe ich die Leute, wir proben, und wenn der Vibe passt, machen wir's.
Lars Strutz:
Was genau hatte eigentlich dazu geführt, dass du SAMHAIN in DANZIG umbenannt hast?
Glenn Danzig:
Aus demselben Grund, warum ich den Namen MISFITS nicht beibehalten habe. Wenn neue Menschen dabei sind, es sich verändert, dann muss auch der Name neu werden. Als wir anfangs noch mit den Labels diskutierten, hießen wir SAMHAIN, als wir dann mit Ricky (Rick Rubin - Anm. d. Verf.) redeten, änderte er glaub ich den Namen in DANZIG. Ich wollte das schon nach den MISFITS machen, aber es klang zu sehr nach BILLY IDOL. Als ich den Namen aber in DANZIG änderte, da bedeutete der Name schon mehr, die Leute konnten mehr damit anfangen, sie wussten, wofür ich stehe. Überhaupt, als Ricky und ich anfingen, hatte sowieso jedes Wort eine andere Bedeutung.
Lars Strutz:
Wie ist eigentlich die Zusammenarbeit mit Rick Rubin gelaufen?
Glenn Danzig:
Jedes mal anders, manchmal gut, manchmal richtig schlecht, deswegen wurde er auch nach "Lucifuge" gefeuert.
Lars Strutz:
Ab einem gewissen Zeitpunkt hatte sich die Musik auf den DANZIG-Alben doch merklich in die Industrial-Richtung verändert. Was hat dich dazu bewegt?
Glenn Danzig:
Ich hör das manchmal, aber ich kann das nicht nachvollziehen. Es hat sich mehr wie die SAMHAIN-Alben angehört. Ich wollte ein bisschen etwas ändern, nachdem 'Mother' so ein großer Hit geworden war. Deswegen hatte ich da auch den Namen nicht geändert, ich wollte nicht so tun, als ob sich da irgendetwas geändert hatte. Und es hat sich auch nichts geändert. Das ist krank, sollen die doch hören, was sie wollen.
Lars Strutz:
Kannst du den Song 'Mother' eigentlich noch live spielen oder hängt der dir inzwischen zum Hals raus?
Glenn Danzig:
Ich liebe es, den Song live zu spielen. Jedes mal, wenn wir das machen, wird das Publikum wahnsinnig und singt jeden Teil mit, bis auf den Teil mit "Mother", da mache ich das Mikro aus, da schreien die so laut, dass ich nicht mehr singen muss, das ist der absolut coolste Teil. Denn DANZIG ist keine von diesen Fernsehbands, die auf die Bühne gehen und ihre Songs spielen und dann nach Hause gehen. Ich möchte das Publikum einbeziehen, ich möchte, dass sie durchdrehen, wie damals in den Punk-Tagen. Genauso wie bei MISFITS oder SAMHAIN. Ich möchte, dass die Leute für eine Weile einfach den ganzen Bullshit vergessen und eine gute Zeit haben.
Lars Strutz:
Wann können wir eigentlich mit einem neuen Studioalbum von DANZIG rechnen?
Glenn Danzig:
Ich hab noch nicht viele Songs zusammen, erst vier oder fünf, aber im Dezember (2007) werde ich mit den Aufnahmen beginnen.
Lars Strutz:
Wie sieht es bei dir eigentlich mit musikalischen Idolen aus, hast du welche?
Glenn Danzig:
Klar, ich liebe Elvis und Johnny Cash, es gibt so viele Künstler, die ich mag, frühe BLACK SABBATH zum Beispiel, aber nur die ersten vier Alben.
Lars Strutz:
Gäbe es ein Musikidol, mit dem du gerne auf der Bühne stehen würdest?
Glenn Danzig:
(Überlegt lange) Auf der Bühne? Ich weiß nicht, was soll ich mit Elvis auf der Bühne? Keine Ahnung, wie soll ich einen Song mit Elvis singen? Vielleicht jemand, mit dem ich einen Song machen könnte, einem Gitarristen oder so, Jimmy Page zum Beispiel. Wir waren mal auf dem Bizarre Festival '98 mit PAGE & PLANT in Deutschland. Das war richtig geil. Es hat ihnen direkt auf die Köpfe geregnet, und die haben einfach weitergespielt.
Lars Strutz:
Und was ist dein Lieblingsalbum zurzeit?
Glenn Danzig:
Die neue BELPHEGOR, ich hör sie die ganze Zeit. Wir haben sie auf der letzten "Blackest Of The Black"-Tour dabei gehabt, und sie waren unglaublich!
Lars Strutz:
Nun, da das Internet eine immer größere Rolle spielt, hat sich da eigentlich in den vielen Jahren, die du schon im Musikbusiness bist, etwas geändert?
Glenn Danzig:
Es ist gleich, der selbe Zyklus wie sonst auch. Es gibt immer noch die guten Bands, die nicht im Fernsehen oder Radio gespielt werden, und es gibt immer noch viel zu viele Tickets bei Konzerten, die nicht verkauft werden. Genauso wie bei DANZIG früher, da haben sie auch lieber diese Hairbands bei MTV gespielt. Es ist alles beim alten geblieben. Das Einzige, was das Internet verändert hat, ist, dass du die Alben nicht mehr kaufen musst. Für unbekannte Künstler ist das gut, da sie so bekannter werden können, aber das interessiert die Labels nicht. Wenn das so weiter geht und die Leute sich nicht die Alben ihrer Lieblingskünstler kaufen, werden diese irgendwann verschwinden. Dann dürfen die Leute sich auch nicht beschweren, wenn sie mit diesen TV-Bands zugedröhnt werden, Britney Spears oder so was. Ladet euch doch deren Musik runter.
Lars Strutz:
Du hast ja auch eine Menge Sachen außerhalb des Musikbusiness zu tun, wie schaut es gerade damit aus?
Glenn Danzig:
Es ist total verrückt zurzeit, wir haben die San Diego Con [gemeint ist die Fan Convention "Comic-Con International" - Anm. d. Red.], zwei Tage sind bereits ausverkauft, also kommen schon um die 250.000 Menschen. Als wir zuerst '93 oder '94 damit anfingen, waren es gerade mal 25.000. Es ist einfach verrückt. Ich kann da auch nicht die ganze Zeit da sein, das halte ich nicht aus. Es sind ja nicht nur Leute da, die Kunst lieben, auch Nerds und Leute mit fettigem Haar, Leute in Star Wars- oder anderen Kostümen, die glauben sie wären Jedis. Es ist 'ne ziemlich große Sache geworden, die Filmgesellschaften sind da und zeigen Filmpremieren und es werden auch Videospiele präsentiert.
- Redakteur:
- Lars Strutz