DARK FORTRESS: Interview mit V. Santura
20.02.2008 | 09:51Einer anspruchsvoll-mystischen Konzeption hat sich die deutsche Black-Metal-Band DARK FORTRESS mit ihrem neuen Album "Eidolon" angenommen. Im Vorausblick auf das von POWERMETAL.de präsentierte 2. MusicXtreme-Festival, das am 29. März diesen Jahres in Hanau stattfinden wird und auf dem DARK FORTRESS im Zuge ihrer sodann bereits begonnenen Tour einen Gig spielen werden, gewährt Gitarrist V. Santura Einblicke in Entstehungsprozess und Motive des ungewöhnlichen Werkes und zeigt einmal mehr, dass die sechsköpfige Truppe sich thematisch jenseits ausgetrampelter Pfade des Schwarzmetall-Genres bewegt.
Erika:
Zunächst möchte ich meinen Respekt für euer Werk "Eidolon" ausdrücken. Ich gehöre nicht unbedingt zu den eingefleischten Black-Metal-Beinhart-Fans, weil mir vielfach Thematik als auch Sound zu simpel sind. Brutalität allein reicht mir nicht. Und so komme ich bezüglich eures neuen Albums gleich zur ersten Frage.
Ihr habt eine Idee aus der griechischen Mythologie zum Thema gemacht. Nichts also, mit dem man sich alle Tage befasst. Zwar habt ihr euch auf eurem vorangegangenen Werk mit Nachtoderfahrungen auseinandergesetzt, aber die Thematik um "Eidolon" ist ja doch recht speziell. Wie seid ihr darauf gestoßen?
V.Santura:
"Eidolon" ist in der Tat ein Wort aus dem Griechischen und bedeutet sowohl "Spiegel" als auch "astrales Doppel". Die Texte an sich haben allerdings nichts mit der griechischen Mythologie oder Götter- und Sagenwelt zu tun, es geht vielmehr um eine Art psychische oder spirituelle Odyssee einer Seele, die mit Hilfe der Spiegelmagie Dimensionen jenseits unserer Welt und unseres beschränkten menschlichen Verstandes betritt.
Die Texte zu "Eidolon" stammen von Morean und diese wurden von seinen eigenen Visionen und Erfahrungen im Zusammenhang mit der Spiegelmagie inspiriert. Andere Quellen der Inspiration sind Autoren wie Peter J. Carroll oder Aleister Crowley.
Erika:
Nach meiner Auffassung ist euch mit "Eidolon" ein Werk mit hoher emotionaler Dichte gelungen. Auf das Konzept des magischen Spiegelrituals und die Idee, dass die Seele nach dem irdischen Dasein in eine andere Dimension eintaucht, konnte ich mich beim Hören gut einlassen. Ich habe aber den Verdacht, dass man sich mit einer solchen Thematik nicht einfach befasst, weil man sich in einem mythologischen Handbuch etwas darüber angelesen hat. Deshalb die Frage: Welche persönlichen Triebfedern haben euch veranlasst, hier einzusteigen?
V. Santura:
Es ist uns immer wichtig, emotional sehr intensive Alben, sowohl im Bezug auf die Musik als auch auf die Texte, zu schreiben. Es geht hier allerdings nicht, im Gegensatz zu "Séance", um Nach-Toderfahrungen, sondern um eine sehr aktive, aggressive Auseinandersetzung mit spirituellen Thematiken. Wie gesagt, die Triebfeder, sich mit dieser Thematik der Spiegelmagie auseinander zu setzen, ist vor allem das aktive Interesse daran und die okkulten Erfahrungen von Morean. Die grundlegende Motivation für dieses Spiegelritual ist das Verlangen die Beschränkungen des menschlichen Verstandes hinter sich zu lassen.
Erika:
Seid ihr spirituell irgendwie auf der Suche?
V. Santura:
Diese Frage müsste jeder in der Band für sich beantworten. Ich kann nur für mich sprechen.
Auf der Suche? Nicht unbedingt... Es ist eher der Drang sich als Mensch weiterzuentwickeln, mental, geistig (oder spirituell) zu wachsen, größere Zusammenhänge zu verstehen oder überhaupt eine Idee davon zu bekommen. Dazu gehört, dass man Dinge hinterfragt um andere Blickwinkel zu bekommen.
Erika:
Welches Welt- und Lebenskonzept bildet den Hintergrund zu eurer Musik?
V. Santura:
Diese Frage geht schon sehr weit. Im Prinzip ist Musik zu allererst Musik und es ist für mich einfach ein persönlicher Drang, Musik zu erschaffen, weil ich es vor allem geil finde. Wenn man jedoch diese Art von Musik erschafft, muss man sich seinen tiefsten und negativsten Emotionen stellen und dies hat einen kathartischen Effekt.
Wir geben uns nicht damit zufrieden, einfach dieselben 08/15-Themen immer wieder durchzukauen und in die Texte fließen natürlich sehr viel persönliches Gedankengut und persönliche philosophische oder spirituelle Ansichten und Erfahrungen.
Ich lasse mir aber sehr ungern einen bestimmten Stempel aufdrücken. Es gibt keine Schublade, in der mein oder unser Welt- und Lebenskonzept abgelegt ist. Obwohl wir Black Metal spielen, sehe ich mich in meinem Selbstverständnis z.B. nicht als Satanisten, wobei dies immer Definitions- und Ansichtssache ist.
Bei Satanismus muss man meiner Meinung nach sowieso zwischen "theistischem" Satanismus, also, dass man Satan tatsächlich als Entität verehrt, und "symbolischen" Satanismus unterscheiden. Und der Satanismus im Black Metal ist in erster Linie ein Akt der Rebellion, ein Symbol für die, "die dagegen sind". Und zwar wogegen? Es geht darum, die allgemein etablierten Werte der Gesellschaft und Religion zu hinterfragen und seinen eigenen Weg zu finden. Ich glaube allerdings, dass ich ein freier Geist sein kann, ohne einen bestimmten Stempel wie "Satanist" etc. auf meiner Stirn zu haben. Insofern ist das Welt- und Lebenskonzept hinter unserer Musik, wenn man so will ein sehr freiheitliches, eines ohne die Fesseln der typischen Klischees.
Erika:
Wenn ich solche Fragen stelle, schließe ich nicht aus, dass jeder von euch andere Ansichten dazu vertritt. Gibt es innerhalb der Band vor dem Beginn der Arbeit an einer neuen CD eine Art philosophische Diskussion, mit der ihr euch sozusagen "in Stimmung" bringt, um einhellig das zu transportieren, was ihr dann gemeinsam kreieren wollt?
V. Santura:
Natürlich würdest du vor allem zur vorherigen Frage sechs verschiedene Antworten bekommen, das ist klar. Wir sind kein gleichgeschaltetes Kollektiv, wir sind eine Band aus sechs Individuen, jeder mit eigenen Ansichten und Weltanschauungen und auch sehr unterschiedlichen Lebensweisen. Trotzdem müssen wir natürlich auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Bevor wir mit den Arbeiten zu einem neuen Album beginnen, besprechen wir natürlich schon, in welche Richtung wir gehen wollen. Ich denke, für ein nächstes Album werden wir erst mal zwei, drei neue Songs schreiben, ohne eine bestimmte Vorgabe um überhaupt mal auszuloten, was aus einem ganz natürlich herauskommt. Die Atmosphäre der Musik kann dann wiederum die Inspiration zu ersten textlichen Ideen, Konzepten sein und so findet im Laufe der Zeit alles zusammen. Grundsätzlich schreibt unser Sänger die Texte und entwickelt auch das thematische Konzept, dies geschieht aber natürlich in Absprache mit der ganzen Band. Wir würden uns mit keiner Thematik befassen, mit der einzelne Leute in der Band ernsthafte Probleme hätten.
Erika:
Wie wichtig ist es euch, dass eure Fans sich mit euren Texten befassen?
Wollt ihr verstanden oder in einer bestimmten Art interpretiert werden oder ist das Komponieren und Verfassen der Lyrics eher eine Art kathartischer Prozess, bei dem ihr in erster Linie selbst etwas für euch verarbeiten wollt?
V. Santura:
Dass sich die Fans auch tatsächlich mit den Texten befassen, ist zu einem großen Teil Wunschdenken, denn nur ein kleiner Teil macht sich wirklich die Mühe. Aber das ist okay für uns und man kann daran auch kaum etwas ändern. Aber zumindest bieten wir den Zuhörern die Chance, tiefer in unsere Alben einzusteigen und wenn man sich die Mühe macht, an der Oberfläche zu kratzen, kommt darunter eine neue Schicht zum Vorschein, weshalb unsere Alben Langzeitwirkung haben.
Ich denke, für unseren ehemaligen Sänger Azathoth war das Schreiben seiner Texte zu einem großen Teil tatsächlich ein kathartischer Prozess, aber nicht nur. Von den Leuten, die sich die Mühe machen uns zu verstehen, möchten wir auch verstanden werden. Zu diesem Zweck wird es auch in Kürze Linernotes zum neuen Album in Videoform auf unserer Homepage geben.
Erika:
Gibt es Rückmeldungen von Fans zu euren Themen?
V. Santura:
Einige wenige, dafür aber teilweise sehr tiefgründige.
Erika:
In einem Interview mit eurem früheren Sänger Azathoth war zu lesen, dass die Black-Metal-Szene aus seiner Sicht zu zwanzig Prozent ernst gemeint sei, zu achtzig Prozent aber reine Imagepflege. Seht ihr das genauso? Welche Rolle spielt eine Szene für euch? Ist Black Metal für euch eine Art Lebenseinstellung?
V. Santura:
Natürlich basiert Black Metal sehr stark auf Image und vieles hat sich verselbständigt. Viele Bands kann ich nicht ernst nehmen und teilweise wirkt ein übertriebenes Image eher lächerlich. Aber man sollte sich auch bewusst sein, dass Black Metal eine Kunstform ist und zwar eine sehr extreme. Wenn man sich mit diesem Image überhaupt nicht identifizieren kann, sollte man auch lieber die Finger davon lassen. Ich denke, unser "Image" spiegelt zumindest einen Teil unserer Persönlichkeit wieder. Auch wenn wir Pseudonyme benutzen und uns durch diese Anonymität zu einem gewissen Grad zu Kunstfiguren stilisieren, kann ich mich dennoch mit dem, was ich als "V. Santura" repräsentiere, voll identifizieren, auch wenn damit natürlich nur ein Teil und nicht das Ganze meiner Persönlichkeit widergespiegelt wird. Die Szene an sich interessiert mich eigentlich nicht sonderlich, ich habe mich noch nie als Teil irgendeiner Szene gefühlt. Vielleicht bin ich auch einfach zu anders. Vor allem sehe ich es als riesigen Widerspruch sich als non-konform und Individualist zu fühlen, wenn man dies durch uniformierte Kleidung und Ansichten ausdrücken muss. Mein Bezug zum Black Metal, auch als "Lebenseinstellung", ist ein sehr freiheitlicher.
Erika:
Welche Bezüge gibt es in die bürgerliche Welt?
V. Santura:
Ich denke, dass ich in meinem Leben vor allem mir selbst gegenüber ziemlich kompromisslos bin, was nicht immer einfach ist. Manchmal wäre das sichere Gefühl einer Festanstellung z.B. sehr angenehm, aber ich ziehe das, was ich wirklich tun will, nämlich Musik zu machen oder zu produzieren, radikal durch.
Erika:
Welche Bedeutung hat es für euch, im doch recht typischen Black-Metal-Stil mit Corpsepaint aufzutreten?
V. Santura:
Für uns ist Corpsepaint ein wichtiges Element und Stilmittel. Wie gesagt, wir sehen Black Metal als Kunstform und das Gesamtbild ist äußerst wichtig, also neben der Musik und den Texten auch das optische Erscheinungsbild.
Wenn wir auf der Bühne unsere Dämonen durch die Musik entfesseln, warum sollten wir nicht auch so aussehen? Das Corpsepaint, die Pseudonyme, diese Anonymität, die eine gewisse Entrücktheit zur Folge hat, hat mich von Anfang an am Black Metal fasziniert. Für mich geht es hier auch um ein Stück Mystik und Unnahbarkeit.
Erika:
Ich möchte noch einmal auf den Entstehungsprozess von "Eidolon" zurückkommen. Mitten in der Arbeit zu diesem Album musstet ihr euch mit dem Weggang eures bisherigen Sängers auseinandersetzen. So etwas stelle ich mir ziemlich tödlich für den kreativen Prozess vor. Wie seid ihr damit umgegangen bzw. wie habt ihr euch neu motiviert, in anderer Besetzung weiterzumachen?
V. Santura:
Die Musik war zu diesem Zeitpunkt ja schon komplett fertig komponiert, aber Azathoth hat seine sämtlichen Texte natürlich mitgenommen. Somit mussten wir auf die fertige Musik ein komplett neues lyrisches Konzept erstellen. Bis wir Morean endlich als unseren neuen Sänger präsentieren konnten waren wir aber für einige Monate, ca. ein viertel Jahr, in einer sehr schwierigen und unsicheren Phase, da wir nicht wussten, wie es mit dieser Band weitergehen soll. Sich unter solchen Umständen zu motivieren, trotzdem schon mal alle Instrumente einzuspielen, war schon schwierig, dazu braucht man einfach Selbstdisziplin und eine starke Überzeugung für seine Musik. Durch den Einstieg von Morean ist aber ganz schön frischer Wind in die Band gekommen, und da Morean einen wahnsinnig hohen kreativen Output hat, entstand das neue Textkonzept in sehr kurzer Zeit und sozusagen maßgeschneidert auf die Musik.
Erika:
DARK FORTRESS besteht mittlerweile seit 14 Jahren, ihr habt eine Reihe von CDs veröffentlicht, inzwischen die zweite bei dem doch recht namhaften Label Century Media. Wie bewertest du selbst das Erreichte im Vergleich zu früheren Jahren und eure Position insgesamt in der Metalszene?
V. Santura:
Ich tue mich unglaublich schwer, unseren Status objektiv einzuschätzen. Ich bin sehr stolz, insbesondere auf unsere letzten drei Alben und ich denke, dass wir definitiv zur Spitze des deutschen Black Metal gehören und dass wir uns auch international vor keiner Band zu verstecken brauchen. Gegenüber skandinavischen Bands haben wir lediglich den nicht zu unterschätzenden Nachteil, dass wir eben nicht aus Skandinavien stammen und es somit von Haus aus viel schwieriger haben unseren Namen in der Metal-Welt zu etablieren.
Erika:
Ein Wort zu CELTIC FROST: Du hast die Herren auf Tour begleitet und nun konntet ihr Tom "Warrior" für einen Part von 'Baphomet', Track drei auf "Eidolon" gewinnen. Sind CELTIC FROST für euch musikalische Vorbilder? Entdeckt ihr selbst, gewollt oder ungewollt, Einflüsse der Schweizer in eurem eigenen Schaffen?
V. Santura:
CELTIC FROST haben die gesamte Black-Metal-Szene an sich beeinflusst, insofern haben sie auch auf uns Einfluss. Musiktheoretisch sind beide Bands eigentlich sehr unterschiedlich, und ich weiß wovon ich rede. Aber was das Feeling, die Atmosphäre der Musik betrifft, sehe ich eine sehr enge Verwandtschaft, vor allem zwischen "Monotheist" und "Séance".
Da ich erst, nachdem "Eidolon" fertig komponiert war, als Live-Gitarrist zu CELTIC FROST gestoßen bin, hatte dies keinen Einfluss auf unser neues Album. Wie es beim nächsten Album so aussehen wird, kann ich noch nicht sagen. Ich denke, wir haben als Band längst unseren eigenen Stil gefunden, aber spurlos ist die ganze Sache sicherlich nicht an mir vorbei gegangen...
Erika:
Was bringt die Zukunft: Welche Erwartungen hast du für 2008, insbesondere auch im Hinblick auf die anstehende Tour mit HELHEIM und VULTURE INDUSTRIES?
V. Santura:
Ich bin sehr gespannt auf die kommende Tour, da dies eigentlich unsere erste vernünftige (hoffentlich!) Tour sein wird. Ansonsten möchten wir 2008 generell möglichst viel live spielen um unsere Musik endlich mal anständig auf den Bühnen dieser Welt promoten zu können. Es sind schon einige Shows bestätigt, andere werden noch folgen. Wir werden z.B. einige Festivals wie das Summer Breeze, das Metalcamp in Slowenien oder das Summer Nights Festival in Österreich spielen, außerdem spielen wir z.B. zum ersten Mal in Tschechien und in Griechenland. Für das Ende des Jahres gibt es auch schon wieder Planungen, aber da ist noch nichts spruchreif.
Erika:
Das letzte Wort geht an dich: Hast du noch etwas loszuwerden an die Leser von POWERMETAL.de?
V. Santura:
Lasst Euch von "Eidolon" ordentlich umblasen und kommt auf unsere Tour! Danke.
Erika:
Vielen Dank für deine Bereitschaft zu diesem Interview. Ich bin gespannt, euch beim MusicXtreme-Festival in Hanau am 29. März live zu sehen.
- Redakteur:
- Erika Becker