DAWN OF WINTER: Interview mit Gerrit Mutz

01.04.2009 | 22:51

DAWN OF WINTER ist einer der dienstältesten Vertreter der nationalen Doom-Szene. Nach beinahe einer Dekade ohne einen DAWN OF WINTER-Longplayer schlurft seit ein paar Wochen mit "The Peaceful Dead" ein amtlicher Silberling durch die Wohnstuben aller Langsamhörer.

Grund genug, bei Frontmann Gerrit Mutz, den man natürlich auch von SACRED STEEL kennt, anzuklopfen. Hier das Ergebnis der Klopferei:


_Holger:_
Warum liegen immer so unglaublich lange Zeitspannen zwischen euren Veröffentlichungen? Können langsame Songs nur langsam reifen? Oder liegt es vielleicht an den Verpflichtungen mit euren anderen Bands? Oder hören Doom-Freaks auch langsamer Musik und können daher nur alle paar Jahre einen neuen Hammer von euch verkraften?

_Gerrit:_
Der Hauptgrund ist tatsächlich, dass wir beruflich, privat und mit unseren anderen Bands derart eingespannt sind, dass es uns recht schwerfällt, Zeit und Muße für DAWN OF WINTER zu finden. Da uns aber die Band sehr am Herzen liegt und wir uns geschworen haben, nicht aufzuhören, bis einer von uns das Zeitliche gesegnet hat, versuchen wir das Ganze auf Sparflamme so gut wie möglich am Leben zu erhalten. Wenn wir dann allerdings was mit DAWN OF WINTER machen, geschieht dies mit voller Hingabe.

_Holger:_
Wird es bis zum nächsten Album wieder sooooo lange dauern?

_Gerrit:_
Kann gut passieren. Die Zeit rennt, je älter man wird. Was sind da schon
zehn Jahre? Solange wir mit DAWN OF WINTER weitermachen können, ist es mir auch
ziemlich egal, wann wir wieder etwas veröffentlichen. Darum geht es uns nicht in erster Linie. Wir lieben den Doom und leben unsere Liebe mit dieser Band aus.

_Holger:_
Sind dieses Mal Auftritte oder gar eine Tour geplant? Was wäre euer Wunschpaket? THE GATES OF SLUMBER? PROCESSION? WHILE HEAVEN WEPT?

_Gerrit:_
Nein, es ist absolut nichts geplant. Wir prüfen jede Giganfrage und schauen, ob das möglich wäre, aber zum allergrößten Teil müssen wir leider ablehnen. Mein persönliches Wunschpaket wäre als Support für SAINT VITUS mit Reagers, PENTAGRAM mit Liebling, Griffin und Hasselvander oder TROUBLE mit Eric.

_Holger:_
Exzellente Wahl, wobei einiges davon ja leider momentan kaum möglich sein dürfte. Aber zurück zu DAWN OF WINTER und dem neuen Album "The Peaceful Dead": Stammt das Intro zu 'The Oath Of The Witch' aus einem Film?

_Gerrit:_
Yep, aus dem Götterfilm "The Devils" von Ken Russell.

_Holger:_
Den kenne ich leider nicht. Worum geht es denn darin?

_Gerrit:_
Um religiöse Verblendung, Gotteswahn, Irrsinn, Verleumdung, Folter und Sex.

_Holger:_
Aha. Klingt unterhaltsam. Wie es auch "The Peaceful Dead" ist. Vielleicht magst du mal etwas detaillierter auf die einzelnen Songs eingehen?

_Gerrit:_
'The Music Of Despair' ist eine Liebeserklärung an den Doom Metal an sich. Dementsprechend auch ein absolut typischer Doom-Song, den man so durchaus einem Außenstehenden präsentieren könnte, um ihm den Doom zu erklären und als Beispiel zu veranschaulichen. 'A Lovelorn Traveller' ist eine Momentaufnahme meines Gefühlshaushalts, quasi eine vertonte Innenansicht. Musikalisch ebenso wie der Opener extrem traditionell und orthodox. 'Mourner' fällt danach ein wenig aus dem Rahmen, da er etwas flotter und rockiger tönt. Einige Gesangsstellen habe ich bewusst ein wenig an Zeeb Parkes von WITCHFINDER GENERAL angelehnt, das passte hier einfach. 'Holy Blood' ist kompositorisch mein Beitrag zu der Platte. Sehr zähflüssig und definitiv nur für Leute, die mit Monotonie, SAINT VITUS und Atmosphäre was anfangen können. 'The Oath Of The Witch' zollt meiner Vorliebe für Hexenfilme aller Art Tribut. Ist eventuell der schwermetallischste Song auf der Scheibe. 'Throne Of Isolation' ist unsere Version einer Powerballade. Geschrieben von unserem Drummer und sicher eines der Highlights unseres Bestehens. 'Burn Another Sinner' zitiert dann wieder fröhlich WITCHFINDER GENERAL. Warum auch nicht? Ist ebenfalls recht zügig angelegt und wäre in alten Zeiten wohl die Single geworden, hihi. 'All The Gods You Worship' ist recht fatalistisch von der Grundaussage her, fügt sich aber gut in das verzweifelte und klagende Bild des Gesamtwerkes ein. Ebenfalls ein Song für Doom-Kenner. Doom-Anfänger sollten erst mal einen Bogen darum machen. 'Anthem Of Doom' ist nicht wie erwartet eine weitere Lobpreisung des Genres, sondern ein musikalisch umgesetzter Abschiedsbrief. 'The Peaceful Dead' setzt dem Ganzen dann die perfide Walzenkrone auf. Langsamer geht es zumindest außerhalb des Funeral Dooms eigentlich nicht mehr. Dieser Song soll dann bitte auf meiner Beerdigung laufen. Das würde passen.

_Holger:_
Was sagst du dazu, dass ich der Ansicht bin, dass deine Stimme viel besser zu den langsamen und epischen Klängen passt als zu der Musik von SACRED STEEL?

_Gerrit:_
Nun, Doom lässt deutlich mehr Spielräume für Gesangslinien und Emotionen als Heavy Metal oder Power Metal. Außerdem habe ich nun mal ein recht dünnes Stimmchen, was bei SACRED STEEL gerne mal von den beiden Gitarren an die Wand gesägt wird. Das kann mir bei DAWN OF WINTER halt nicht passieren. Ich denke auch, dass meine Stimme besser zu Doom passt, werde aber dennoch nicht aufhören, SACRED STEEL durch mein Gesinge zu sabotieren und dadurch auf ewig im Untergrund festzunageln. Immerhin singe ich zwar recht mies bei SACRED STEEL, habe aber einen hohen Erkennungsfaktor, was auch nicht zu verachten ist in
Zeiten, wo fast alle Sänger gleich klingen.

_Holger:_
Wo wir schon bei Gefühlen sind: Doom ist laut eigener Definition die Seele des Metal. Was ist denn dann das Herz? Die Antwort "Manowar" wird mit einem "mööp" gewertet.

_Gerrit:_
MANOWAR sicher nicht! Ich war seit 1984 MANOWAR-Fan, habe mich den Großteil dieser Zeit dafür geschämt und nach dem unsäglichen Geschenk an die Fans namens "Stille Nacht" kürzlich endgültig mit dieser Combo abgeschlossen. Ich war lange genug loyal. Ja, ich liebe die ersten vier Alben immer noch, und ich habe ein "Hail To England"- Tattoo, zu dem ich auch stehe, aber das Kaspertheater geht mir inzwischen definitiv zu weit. MANOWAR sind KEIN Metal! Eigentlich schon spätestens seit der kack "Fighting The World" nicht mehr. Ich habe nur sehr lange gebraucht, um die Konsequenzen zu ziehen. Das Herz des Metal ist für mich der traditionelle Metal an sich. Sei es von MAIDEN, (alten) PRIEST, (alten) MANOWAR, MERCYFUL FATE, OMEN etc. Das ist neben Doom die reinste Spielart des Metal und deshalb auch mit SACRED STEEL mein zweites Betätigungsfeld.

_Holger:_
Warum spielt ihr eigentlich nicht hauptamtlich in einer Doom-Band, wenn das doch die Musik mit Seele ist? ;)

_Gerrit:_
Jede andere Spielart des Metal kann ebenfalls mit Seele und Überzeugung gespielt werden, aber Doom ist nun mal die Ursuppe des Metal. Ohne BLACK SABBATH kein Doom und ohne BLACK SABBATH auch kein Metal in der Art, wie er heute in allen Varianten gespielt wird. Ich spiele in drei Doom-Bands: ANGEL OF DAMNATION, DAWN OF WINTER und THE THIRTEENTH OF NOVEMBER. Da kann man auch ruhig noch in einer traditionellen Band wie SACRED STEEL zum Ausgleich jodeln, hehe.

_Holger:_
Der Albumtitel lautet "The Peaceful Dead". Ist oder sollte der Tod nicht immer friedlich sein? Gut, wenn man zum Vampir mutiert vielleicht nicht ...

_Gerrit:_
Den Titel habe ich gewählt, da mir der Tod als Ruhestätte und Erlösung erscheint. Ich hoffe einfach sehr, dass es weder Wiedergeburt noch Himmel oder
Hölle oder ähnlichen Schabernack gibt, sondern dass der Trip dann einfach unwiderruflich zu Ende ist. Das bedeutet nun nicht, dass ich mein Ende herbeisehne, ganz im Gegenteil. Die nächsten 30 bis 40 Jahre kriege ich irgendwie auch noch herum. Ich bin halt kein allzu großer Fan von der Menschheit an sich, von Religionen im Allgemeinen und einer Existenz voller Enttäuschungen, von Krankheiten und Schmerzen.

_Holger:_
Finale Worte, bitte. ;)

_Gerrit:_
Jeder sollte unsere Platte zumindest einmal im Leben gehört haben. Sonst fehlt euch was, glaubt mir.

Im Namen von Vater Verhängnis,

Gerrit

Redakteur:
Holger Andrae

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