DEAD EYED SLEEPER: Interview mit Stephan Wandernoth und Peter Eifflaender

15.05.2009 | 14:28

Ein leises Schielen in Richtung OPETH und Diogenes. Die einstmals noch unter dem Namen LEGACY (nicht zu verwechseln mit dem deutschen Printmedium) im Underground umherwandelnden DEAD EYED SLEEPER zeigten sich angeregt und interessiert im Gespräch mit POWERMETAL.de. Peter und Stephan - beide Stromaxtbediener - befürworteten den inneren Reichtum im Gegensatz zum materiellen Luxuskonsum und zeigen eben deshalb kommerziell ausgerichteten Formationen und Reality-Shows den eiskalten Stinkefinger.



Markus:

Erzählt mal ein bisschen was über euch. Etwas Biographisches wäre schön, aber nicht zwingendermaßen die allzu typische Akkumulation von chronologisch einzusortierenden Ereignissen und Zeitpunkten – vielleicht etwas mehr oder minder Kurioses, Außergewöhnliches, ein paar schmutzige Proberaumgeschichten, philosophische Symposien – was auch immer...

Pete:
So langsam nähern sich die Zeiten, in denen für einen Teil von uns endlich die letzten Examina überstanden sind. Zwangsläufig wurde es da neben der Produktion unserer Scheibe in letzter Zeit etwas ruhiger ums uns, aber so haben wir als Band neben der Musik eben auch andere sehr schöne und erfüllende Aufgaben und Verpflichtungen. Folglich können wir es jetzt kaum erwarten endlich unser neues Material veröffentlicht zu sehen und live zu präsentieren, sodass wir nun voller Vorfreude der Veröffentlichung unseres neuen Albums "Through Forests Of Nonentities" und unserer Release-Party am 6. Juni in Weinheim entgegenfiebern. Bis dahin gibt es auf unserer Myspace-Seite noch einen netten Video-Teaser zu den Drum-Recordings sowie den ein oder anderen "Vorab-Song" auf unserer Homepage zu bemustern.

Stephan:
DEAD EYED SLEEPER sind ja aus unserer gemeinsamen musikalischen Vergangenheit LEGACY entsprungen. Wir waren fast 13 Jahre unter unserem alten Banner unterwegs und konnten auch ein paar schöne Erfolge, wie z.B. den Auftritt auf dem "Fuck The Commerce" verzeichnen.
Damals lief alles noch unter Eigenregie und so haben wir zwei Alben und eine Mini-CD selbst veröffentlicht. Mit dem Wechsel an der Rhythmusfraktion vor einigen Jahren wurden quasi gleichzeitig auch DEAD EYED SLEEPER (2006) geboren. Es war damals einfach an der Zeit noch mal "von vorne zu beginnen" und das unter einem anderen Namen. Wir hatten uns einfach zu weit von unserem damaligen Old-School-Stil fortentwickelt und wollten mit dem Namenswechsel ein klares Signal für einen Neuanfang setzen. Bisher hat sich das für uns sehr positiv ausgewirkt. Endlich konnten wir mit einer neuen Einheit in der Band unsere musikalischen Visionen voll erfüllen. Um den Kompositionen dann den nötigen Schliff zu verleihen, haben wir uns dann entschieden wieder mit Christoph Brandes in den Iguana Studios zu arbeiten. Der Mann macht einfach einen hervorragenden Job für solch extreme Musik, was er ja auch schon mit den NECROPHAGIST-Produktionen bewiesen hat. Uns ist es einfach wichtig, dass wir einen druckvollen, aber immer noch transparenten und dynamischen Sound haben, der es zulässt auch die Feinheiten herauszuhören. Und da Christoph ein großartiger Produzent ist und zudem kein besonderer Freund von "zu Tode komprimierten" Produktionen, die vor lauter Druck kein Feeling mehr zulassen, war er wieder unsere erste Wahl (also: Don't join the loudness war!). Die Saiteninstrumente (auch die Streicher) und den Gesang haben wir übrigens erneut in unserem eigenen kleinen Studio aufgenommen. Das gibt uns dann auch die Möglichkeit so lange zu probieren, bis wir mit jeder Feinheit und Harmonie zufrieden sind.



Markus:
Wie sieht bei euch das Songwriting aus? Konstruktivistisches Baukastenprinzip oder intuitives Aus-dem-Bauch-heraus-Spielen?

Pete:
Ich denke, da liegen wir irgendwo in der Mitte. Zu einem großen Teil werden die Riffs, Songideen, sowie die Texte individuell ersonnen, um diese dann im Kollektiv zu den entgültigen Songs zu arrangieren. Hierbei entsteht vieles durch gemeinsames Jammen der jeweiligen Ideen quasi aus dem Bauch heraus. Im Anschluss werden die Songs detailgetreu durchkomponiert, da wir ungern etwas dem Zufall überlassen und stets auf eine optimale Ergänzung der einzelnen Instrumente abzielen. Oberstes Ziel ist es dabei stets ein möglichst harmonisches Ganzes zu erschaffen.

Stephan:
Bei unserem 2007er Album "In Memory Of Mankind" hatten wir noch eine etwas andere Herangehensweise. Viele der Songs sind damals zunächst am Rechner entstanden. Für "Through Forests Of Nonentities" haben wir dann viel mehr Zeit für das gemeinsame Arrangieren der Songs verwendet. Das Album wirkt dadurch einfach organischer und jeder konnte sich mehr ins Songwriting einbringen. Die meisten Ideen bringen Peter, Corny und Stephan mit ein, die dann gemeinsam ausgearbeitet werden. Ich denke, in Zukunft werden wir uns noch mehr Zeit nehmen die Songs in diesem Kollektiv wachsen zu lassen.

Markus:
Gibt es irgendwelche zentralen lyrischen Motive, mit denen ihr euch beschäftigt?

Pete:
Nun, unser lyrisches Motiv ist wohl der Dead Eyed Sleeper. Wir haben diesmal besonderen Wert auf die Ausgestaltung auch des lyrischen Konzepts gelegt, sodass das Album eine sich gegenseitig befruchtende Einheit der musikalischen, lyrischen und visuellen Seite darstellt. So dreht sich unser aktuelles Album "Through Forests Of Nonentities" um die mentale Reise dieses Wesens/Seins und spiegelt dessen innerliche Auseinandersetzung mit der Welt, in der es lebt, wider, wobei es entsprechend der Kapitel auf dem Album die drei Stadien "Enclosure", "Transformation" und "Exit" durchläuft. Der Entwicklungsprozess unseres Sleepers ist jedoch keinesfalls abgeschlossen, vielmehr wird die kommende Scheibe diesen Prozess weiter beschreiben. Ein erstes Konzept hierfür steht bereits. Dieser Rahmen lässt aber genug Spielraum für eigene Reflexionen, so dass die Auseinandersetzung mit der lyrisch konzeptionellen Seite unseres Albums lohnen dürfte!

Markus:
Stellt euch vor, ihr hättet damals den Heavy Metal erfunden. Würde es von euch (oder eurem Sänger) heute eine Reality-Show auf MTV geben, in welcher ihr euer Privatleben vorstellt?

Pete:
Den Heavy Metal erfunden? Hhhmmm... klingt verlockend. Aber mal im Ernst: Für uns bedeutet unsere Realität uns musikalisch auszuleben und das macht uns absolut glücklich. Von diesem ganzen Pseudo-Reality-Kram halten wir gar nichts, aber wer weiß, was aus uns geworden wäre, wenn...

Markus:
Was ist eure Meinung zu Themen wie Nihilismus, Okkultismus, Satanismus etc.? Dienen diese Themen mehr einer Persönlichkeitsentwicklung oder ist das alles gestelzter Fantasy-Mummenschanz? (Natürlich lässt sich in der Richtung schwer etwas pauschalisieren, da es solche und solche Bands gibt, aber für wie relevant haltet ihr beispielsweise diese Themen und Gedankenspielereien für extreme Musik im Allgemeinen?)

Pete:
Für unser künstlerisches Schaffen haben solche Ideologien keine direkte Bedeutung. Wir wollen uns da auch gar nicht selbst in irgendeine Ecke manövrieren und unnötig einschränken. Die Auseinandersetzung mit einzelnen dieser Thematiken kann sicherlich einen gewissen Reiz versprühen, aber wie du schon andeutest, dienen sie allzu oft einfach der Fassade und der Image-Pflege. Wahrscheinlich ist das auch ein Grund dafür, dass wir den Dead Eyed Sleeper ins Leben gerufen haben.

Markus:
Diogenes von Sinope war bekannt als lebensfroher und kynisch-zynischer Philosoph. Es gibt beispielsweise die Geschichte, dass Alexander der Große ihn einst um Rat bat, sich quasi eine Scheibe seiner Weisheit abschneiden wollte, und ihm dafür unglaubliche Reichtümer, Frauen und alles, was er wolle oder sich nur wünschen könne, versprach und Diogenes bloß darauf erwiderte: "Geh mir aus der Sonne." Fällt euch dazu was im Zusammenhang von Metal und Co. ein?

Pete:
Eine Parallele, die man hier ziehen könnte, ist wohl in etwas entfremdetem Sinne der Verzicht auf materielle Güter. Entfremdet in dem Sinne, dass dies im Metal häufig zwangsläufig aufgrund des Nischendaseins hingenommen werden muss. Klar wünschen wir uns irgendwo auch einen materiellen Ausgleich (man will ja nicht immer nur drauflegen), was uns allerdings verbindet, ist, dass uns dieses Streben nie von unserem Weg und unserer Überzeugung abgebracht hat. So gehen wir seit Jahren genau den Weg, der unseren inneren Reichtum erhält und mehrt und damit fahren wir meiner Meinung nach sehr gut.

Stephan:
Wie Peter schon sagte, kann man hier schon den Vergleich ziehen, dass sich viele Musiker in gewisser Weise ja dem kommerziellen Erfolg ein Stück weit verweigern, indem sie versuchen ihr eigenes Ding durchzuziehen. Es wäre sicher lukrativer, sich einer Coverband anzuschließen und von der Sporthalle zum Bierzelt zu ziehen und ein paar Kröten zu verdienen. Befriedigen würde das aber sicherlich keinen.

Markus:
Jetzt mal ein ordentlicher Zitatschinken von Frank Schäfer: "Ein weiterer Grund für die Harmlosigkeit der Szene ist möglicherweise ihr zutiefst konservativer Kern. Augenscheinlich leidet der headbangende Mensch an einer modernen, postmodernen oder was auch immer für einer Verunsicherung, die ihn nach Geborgenheit in der Gruppe, nach einem festen Wertekanon suchen läßt. All das findet er im Heavy Metal. Hier wird nicht gemogelt und im Studio rumgetrickst, jedenfalls weniger als andernorts, hier gibt es Musik, die noch von Hand gemacht wird, die gewissen erlern- und nachvollziehbaren Regeln gehorcht, die folglich als 'ehrlich' und 'authentisch' verstanden werden kann, weil sie nicht mehr sein will, als sie ist. Hier beherrscht man das Instrument, wie auch die mörderischen Geschwindigkeiten, mit denen viele Songs auf die ihnen zugewandten Trommelfelle prasseln (gleichsam analog zum unmenschlichen Speed der gesellschaftlichen Veränderungen), handwerklich, ja nachgerade zünftig gemeistert werden. Dieses Ideologem des Authentischen suggeriert zudem – und hier haben wir gewissermaßen den romantischen Nukleus des Heavy Metal – es gäbe so etwas wie eine überzeitliche, unwandelbare Norm vom Guten und Wahren, etwas Verlässliches, einen Fels in den Stromschnellen der Zeitläufe, an den sich klammern kann, wer ihn, wie der Metaller, zu erkennen in der Lage ist."

Na, was denkt bzw. sagt ihr dazu?

Pete:
Dass ein Teil, vielleicht auch der Kern (?) der Szene eher konservativ gegenüber Neuerungen eingestellt ist, sehen wir genauso. Das wollen wir den entsprechenden Leuten auch gar nicht madig machen. Doch sollte man vorsichtig sein, dass auch zwangsläufig mit Authentizität gleichzusetzen; man denke nur an die bereits angesprochene Image-Pflegerei. So gibt es, denke ich, in allen Bereichen des Metals, sowie in der Musik allgemein solches und solches. Wir finden es vielmehr hoch erfreulich und horizonterweiternd, dass gerade in den letzten Jahren doch eine Zunahme an genre-offenen Bands gerade im amerikanischen und französischen (!) Sektor zu verzeichnen ist. Selbst unsere alten Helden von CYNIC sind nach einer halben Ewigkeit mit einem absoluten Hammer-Album zurück und erfahren die Anerkennung, die ihnen lange Zeit verwehrt wurde.

Stephan:
Ich denke schon, dass der geneigte Hörer die Authentizität, eine Konstante oder das "Echte" in der Musik oder in der Person, die diese Musik repräsentiert, sucht.  Andererseits wird doch im Metal, besonders im Studiobereich, auch vermehrt "getrickst". Der Unterschied ist vielleicht, dass die Musiker ihr Material aber immer noch live präsentieren müssen und hier kannst du dich kaum hinter der Technik verstecken.
Die momentane Entwicklung in der Szene find ich übrigens sehr schön zu beobachten. Bands wie GOJIRA, BETWEEN THE BURIED AND ME, INTRONAUT oder MASTODON hätten vor ein paar Jahren vermutlich nicht solche Erfolge feiern können. Ich denke, dass die Szene insgesamt offener geworden ist und auch genrefremde Einflüsse eher zulässt als noch vor ein paar Jahren, was ich sehr begrüße. Zudem kannst du in einer Zeit, in der jeder Zweitklässler mit einem Totenkopf auf seinen Chucks rumläuft, kaum noch was mit den üblichen Klischees erreichen.

Markus:
Was ist für euch die wichtigste Inspirationsquelle?

Pete:
Inspiration ist das Leben. Man gewinnt im Alltag so viele Eindrücke, die sich bei uns sowohl musikalisch als auch lyrisch quasi zwangsläufig ein Ventil suchen.

Markus:
Man kann im Netz teilweise Vergleiche zwischen euch und OPETH finden. Was hat es wirklich damit auf sich? Der Einfluss ist nicht zu überhören, dennoch muss ich sagen, dass ihr den Jungs durchaus das Wasser reichen könnt und teilweise sogar eine mehr als ernst zu nehmende Konkurrenz darstellt. Wie macht ihr das? Woher habt ihre diese Qualitäten? Das kann doch kein Zufall sein...

Pete:
Erst einmal vielen Dank für die lobenden Worte. Das ehrt uns natürlich sehr, auch wenn wir in keiner Weise diesen Vergleich bewusst angestrebt noch selbst aufgebracht haben. Selbstverständlich verehren wir OPETH alle sehr und ich bin auch der Meinung, dass wir dem geneigten OPETH-Hörer durchaus gefallen dürften. Abgehsehen davon, dass unser Sound meines Erachtens nach deutlich brutaler klingt, fällt unsere musikalische Ausrichtung ähnlich vielfältig aus. Was uns somit wahrscheinlich verbindet, ist die offene emotionale Herangehensweise, die in unserer Musik, so denke ich, deutlich zu Tage tritt. Es ist immer schwer sein eigenes Schaffen objektiv zu analysieren: Wir leben einfach das, was wir tun und ergießen unser Innerstes in unsere Songs, vielleicht ist es das, was du als unsere Qualitäten herausgehört hast.

Markus:
So! Da wären wir nun auch schon am Ende angelangt. Gibt es noch etwas, das ihr loswerden wollt? Ich bedanke mich auf jeden Fall für eure Zeit und wünsche euch alles Gute mit eurem musikalischen Schaffen. STAY HEAVY!

Pete:
Vielen Dank für das Interview und die von der Oberfläche weg führenden Fragen. Wir danken unseren treuen Fans und hoffen, auch neue Leute von unserer Musik überzeugen zu können. Es gibt einiges zu entdecken und ich denke, die Intensität und Vielschichtigkeit der einzelnen Songs wird niemanden enttäuscht zurück lassen.

Stephan:
Und natürlich wie immer: Schaut auf unserer Homepage oder der MySpace-Seite vorbei und macht euch selbst ein Bild. Das neue Album "Throuhg Forests Of Nonentities" ist ab dem 15.05. erhältlich oder steht auf unserer Homepage www.DeadEyedSleeper.com zur Vorbestellung bereit. Danke für euer Interesse.

Redakteur:
Markus Sievers

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