DEATHSTARS: Interview mit Whiplasher
06.02.2006 | 18:39Dieses Interview war ein ziemlich harter Kampf. DEATHSTARS-Sänger Whiplasher ging durch eine Erkältung stark angeschlagen in den Fragenmarathon und brauchte zwischendurch mehrere kurze Erholungsphasen, um wieder konzentriert auf meine Fragen einzugehen. Am Ende hat es dann aber doch noch geklappt; der Mann konnte reichhaltige Informationen zum großartigen neuen Album "Termination Bliss" herausrücken und auch die Entwicklung seit dem letzten Wort sehr prägnant zusammenfassen. Wie diese laut Whiplasher ausgesehen hat und warum man heuer auf einem ganz anderen Level angelangt ist... nun, lest einfach weiter!
Björn:
Das neue Album ist gerade erschienen, weshalb ich davon ausgehe, dass ihr auch schon erste Rückmeldungen bekommen habt.
Whiplasher:
Ja, wir haben bislang sehr gute Rückmeldungen von allen bekommen, mit denen wir gearbeitet haben, und es scheint, als würden die Leute unsere Musik verstehen, haha.
Björn:
Es sind ja immerhin auch zweieinhalb Jahre vergangen, seit ihr euer erstes Album "Synthetic Generation" auf den Markt gebracht habt. Was ist seitdem alles passiert?
Whiplasher:
Hm, es war eine sehr harte Zeit seit dem Release von "Synthetic Generation". Wir haben vieles mitgemacht, insbesondere Nightmare, der unter einigen heftigen Depressionen litt. Mein Leben war ebenfalls sehr chaotisch, und so hat es recht lange gedauert, bis wir für ein neues Album bereit waren. Außerdem haben sich die Standorte der Band ein wenig verlagert. Nightmare ist im letzten Jahr von Stockholm weggezogen und lebt jetzt ca. 600 km entfernt von unserer Heimatstadt. Deshalb sind wir schon fast dazu verpflichtet, die gesamte Musik auf Tour zu komponieren, was die Sache natürlich noch schwieriger macht. Aber hey, we're back in black!
Björn:
Wie ist denn eigentlich euer letztes Album gelaufen? Seid ihr zufrieden mit dem, was ihr mit "Synthetic Generation" erreicht habt?
Whiplasher:
Nun, ich bin zufrieden mit dem ersten Schritt, den wir machen konnten, doch mit diesem neuen Album tauchen wir noch tiefer in den Abgrund hinein. Das erste Album war eigentlich nur eine Art Experiment, während wir auf diesem Album schon fast eine Symphonie über Dramen und den Tod erschaffen haben.
Björn:
Zum letzten Album hat es einige kritische Stimmen gegeben, welche die Idee dieses All-Star-Projektes nicht sonderlich toll fanden. Von Anfang an hieß es, eure Musik wäre ausschließlich vorauskalkuliert und zu einhundert Prozent kommerziell berechnend usw. Man warf euch vor, dass ihr nur von eurem Gothic-Image, dem Make-Up und ähnlichen Sachen profitieren würdet. Was denkst du darüber?
Whiplasher:
Ach weißt du, ich glaube nicht, dass wir uns darum kümmern müssten. Wir machen das alles jetzt schon seit so langer Zeit. Auch wir haben damals Anfang der Neunziger im Underground angefangen und sind mit Jeans und Band-T-Shirts herumgelaufen. Nightmare und ich wollten einfach nur großartige Musik machen, und um dies alles noch zu erweitern, haben wir den visuellen Aspekt hinzugezogen und das Make-Up verwendet. Außerdem sind wir riesige KISS-Fans, nur eben, dass unsere Schminke eher die düstere Seite verkörpert.
Ich habe nicht den Eindruck, als würde ich irgendwem etwas schuldig sein.
Björn:
Meiner Meinung nach habt ihr sie auch alle Lügen gestraft, selbst wenn eure Musik einige Ähnlichkeiten mit dem Sound von THE KOVENANT hat.
Whiplasher:
THE KOVENANT haben in mir die Leidenschaft geweckt, diese Musik zu spielen. Ich liebe ihr Album "Animatronic", wohingegen mir das darauf folgende Album nicht mehr so gefällt. Sie haben für uns ganz neue Türen geöffnet und dafür sind wir ihnen dankbar. Heute jedoch sind wir selbst unser größter Einfluss. Wir sind eine eigenständige Band, und es gibt keine andere Band mehr, die uns beim Sound von "Termination Bliss" beeinflusst hat. Klar, wir haben einen großen Black-Metal-Background und sind sicherlich auch indirekt von all den anderen Bands beeinflusst, mit denen wir uns in unserem gesamten Leben beschäftigt haben. Aber auf der neuen Platte kann man das nicht mehr heraushören. Dieses Album ist ein weiterer großer Schritt in die Richtung, die wir bereits mit unserem Debüt beschritten haben.
Björn:
Wenn du jetzt noch einmal auf dieses Debütalbum zurückschaust, wie würdest du den Sound dieser Scheibe aus heutiger Sicht beschreiben? Wofür steht "Synthetic Generation"?
Whiplasher:
Wenn ich es mal mit dem neuen Album vergleiche, würde ich sagen, dass wir bei weitem nicht so fokussiert gearbeitet haben, eben weil es unsere erste Veröffentlichung war. Es sind zudem die ersten Songs, die wir je in diesem Stil komponiert haben. Wie ich bereits sagte, es war ein großes Experiment. Damals haben wir dann auch jeden fertigen Song für das Album verwendet. Heute hingegen sind mehr als 99 Prozent des Materials wieder verworfen worden. Meiner Meinung nach waren das zu dieser Zeit nur die Semi-DEATHSTARS und erst jetzt haben wir den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir haben sozusagen nun endgültig das Feuer entfacht und sind bereit, es auf die nächste Stufe zu bringen.
Björn:
Meiner Ansicht nach ist die neue Platte auch weitaus vielseitiger.
Whiplasher:
Auf jeden Fall!
Björn:
Was mir besonders aufgefallen ist, sind diese vermehrten sphärischen Keyboard-Passagen, die auf dem neuen Album viel weiter in den Vordergrund getreten sind. Oder anders gesagt: Ihr habt die harten Beats weitestgehend gegen eine sehr sphärische Untermalung durch das Keyboard und einzelne Samples eingetauscht. Würdest du mir da zustimmen?
Whiplasher:
Ja, in gewisser Hinsicht stimmt das definitiv. "Termination Bliss" ist ein sehr reichhaltiges Album mit vielen Stimmungen. Wir haben auf dieser Scheibe neue Dimensionen erkundet, vor allem aber auch einen wärmeren Sound gefunden. Und es ist ganz klar auch persönlicher, weil es unsere Gemütslage in der letzten Zeit repräsentiert. Auf dem ersten Album war indes unsere Vergangenheit viel deutlicher präsent. Wir sind damals nicht so auf den Punkt gekommen wie dieses Mal. Ich mag aber weiterhin die meisten Songs von "Synthetic Generation".
Björn:
Eine andere - sehr offensichtliche - Sache ist dieser dramatische Unterton der meisten Kompositionen. 'The Greatest Fight On Earth' und 'Tongues' sind beispielsweise sehr dramatisch aufgebaut, und mir gefällt dies sehr gut. Ich könnte mir sogar ziemlich gut vorstellen, dass diese Nummern Teil eines Film-Soundtracks wären.
Whiplasher:
Auch wenn das nicht mit unseren Bühnennamen in Einklang zu bringen ist, so machen wir doch aus sehr persönlichen Angelegenheiten pures Entertainment. Diese Band besteht aus einigen selbstzerstörerischen Menschen und diesen Konflikt haben wir verwendet, um unsere düsteren Persönlichkeiten mit in das Album einzubringen. So ist auch diese dramatische Stimmung entstanden.
Björn:
Könntest du dir dennoch vorstellen, dass einige Songs auch als Soundtrack für einen Film funktionieren würden? Ich denke da an Nummern wie 'Virtue To Vice' und 'The Last Ammunition'.
Whiplasher:
Ja, es sind ja auch sehr visuelle Songs, die perfekt in dieses Muster passen würden. Es wäre natürlich großartig, wenn diese Nummern eines Tages für einen Streifen von Dario Argento verwendet werden könnten.
Björn:
Ihr habt euren Stil ja jetzt nicht um 180 Grad gewendet, sondern habt auch weiterhin einige Beat-lastige Industrial-Metal-Stücke auf das Album gebracht. Wenn du jetzt mal über euren aktuellen Sound nachdenkst, würdest du die DEATHSTARS dann auch weiterhin als eine Industrial-Metal-Band bezeichnen?
Whiplasher:
In gewisser Hinsicht schon. Ich finde es auch schwer, die Musik irgendwie zu kategorisieren und daher denke ich über solche Sachen auch nicht nach. Wir wissen schon, wie wir genau klingen möchten, aber die Musik dann speziell einzuordnen, lag uns fern. Wenn mich jemand fragt, wie wir das Ganze jetzt nennen wollen, sage ich immer Death Glam.
Björn:
Ich sagte eben schon, dass mir im Vergleich zum Vorgänger vor allem die gesteigerte Vielseitigkeit positiv aufgefallen ist. Wo siehst du persönlich jetzt die größten Unterschiede?
Whiplasher:
Natürlich ist es die Vielschichtigkeit, die einen großen Unterschied ausmacht. Andererseits klingt die neue Platte aber auch relaxter und cooler. Weiterhin ist es uns besser gelungen, unserem Seelenleben Ausdruck zu verleihen. Und was auch noch sehr wichtig ist: Diese zynische Ironie wird auf "Termination Bliss" viel deutlicher! Wir üben viel mehr Selbstkritik auf dieser Platte. Es gibt eine ganze Menge Unterschiede, doch man kann von Anfang an hören, dass es ein DEATHSTARS-Album ist, nur eben, dass es einem mehr gibt als sein Vorgänger.
Björn:
Ich kann mir allerdings vorstellen, dass es in diesem Fall auch viel schwieriger sein wird, die neuen Songs live adäquat umzusetzen. Ihr seid ja definitiv auch eine Live-Band und seid unter anderem ja schon mit PARADISE LOST unterwegs gewesen. Leider habe ich die Tour damals verpasst, weswegen ich keine Vorstellung von eurer Live-Performance habe. Wie gelingt es euch also, diese bombastischen Beats und diesen sphärischen Sound auf der Bühne zu reproduzieren?
Whiplasher:
Ich denke schon, dass DEATHSTARS ein echter Rock-Act sind, auch wenn man auf Grund des Albumsounds da unter Umständen andere Erwartungen hat. Live sind wir auf jeden Fall sehr dynamisch und auch ziemlich direkt, was die Musik anbelangt. Die Musik rockt und groovt, und in der Live-Situation klingt das Ganze schließlich auch viel organischer als auf Platte. Und weil wir auch mit Samples arbeiten, ist der Sound dann auch nicht minder bombastisch.
Björn:
Und wie schaut es diesbezüglich mit der visuellen Darbietung aus?
Whiplasher:
Unser Ziel ist es, den Tod live darzubieten. Wir spielen sehr gerne live, und das machen wir nun auch schon seit einer halben Ewigkeit. Es fühlt sich alles natürlicher an als im Studio. Wir bringen für diese Momente die Hölle auf die Bühne – und versuchen dabei natürlich auch, die Aufmerksamkeit der Mädels zu gewinnen, haha! Es ist auf jeden Fall eine gute Mischung aus Traurigkeit und Aggression, und natürlich ist es dadurch auch echtes Entertainment.
Björn:
Einige von euch haben damals ja in weitaus extremeren Bands gespielt. Glaubst du denn, dass die Fans eurer alten Bands sich auch mit dem viel moderneren Sound der DEATHSTARS anfreunden können?
Whiplasher:
Nun, ich kann nur für die Leute sprechen, die ich selber kenne, also die Leute aus meinem direkten Umfeld hier in Schweden. Und ja, die meisten von ihnen finden die DEATHSTARS ebenfalls sehr stark, genauso wie damals die alten Bands wie SWORDMASTER und OPTHALAMIA. Es wäre natürlich verrückt, wenn all diese Leute auch unsere aktuelle Musik mögen würden, und ich bin schon froh, dass die Leute in meinem Bekanntenkreis hinter diesem Sound stehen. Aber davon mal abgesehen, ist diese Musik jetzt auch keine rein kommerzielle Geschichte. Es muss in erster Linie uns gefallen, und wir sind auch die einzige Instanz, die entscheiden darf, ob die Musik auch den Ansprüchen genügt. Wir nehmen die Sachen schließlich auch auf und produzieren sie, es liegt alles in unserer Hand, und erst danach ist wichtig, ob auch darüber hinaus Leute die Songs mögen. Wir fragen die Leute nicht im Voraus nach ihrer Meinung!
Björn:
Wie hat sich das denn bei der Gründung dieser Band angefühlt? War das wie ein Neustart, oder glaubst du schon, dass die Reputation, die ihr bei diesen anderen Gruppen verdienen konntet, euch dabei geholfen hat, die DEATHSTARS zu etablieren?
Whiplasher:
Ja, ich hoffe natürlich, dass uns das geholfen hat, schließlich waren dies alles Bands mit einer sehr großen Integrität. Die Leute wussten ja von Anfang an, in welchen Bands wir vorher aktiv waren, und das war sicherlich auch von großem Interesse für diejenigen, die sich mit unserer Musik auseinandersetzen wollten.
Björn:
Es sieht so aus, als wenn ein Großteil dieser Fans in Österreich leben würde. Ihr habt dort einen Fanclub mit einer eigenen Homepage und werdet in diesem Land auch demnächst einen ganz speziellen Gig spielen. Gibt es irgendeine besondere Verbindung zwischen den DEATHSTARS und Österreich?
Whiplasher:
Ich weiß nicht. Mozart kam aus Österreich, und bei uns spielt Nightmare, haha! Außerdem ist unser neues Management in diesem Land stationiert. Aber ansonsten sehe ich da verglichen mit anderen Standorten jetzt keine spezielle Verbindung, zumal wir auch in anderen Ländern Fanclubs haben. Wir sehen da schon eher eine Verbundenheit zu Tschernobyl.
Björn:
Soso. Nun, wie schaut es denn mit euren Plänen für die nächste Zeit aus? Wird es eine Tour zu diesem Album geben?
Whiplasher:
Ja, wir planen definitiv eine Tour, weil auch die Reaktionen auf die neue Platte sehr gut sind. Wir haben Gig-Anfragen aus allen möglichen Staaten und auch einige Festival-Veranstalter haben bereits angeklopft. Momentan verhandeln wir noch mit unserer Booking-Agentur, es ist also bis dato noch nichts vereinbart worden, aber das wird sich sicher bald ändern.
Björn:
Zu den Festivals: Glaubst du, dass ihr mit eurem Sound auch die als engstirnig verschrieenen Metalheads bei Festivals wie dem Wacken Open Air begeistern könnt?
Whiplasher:
Ich habe keine Ahnung, denn ich habe keine Kristallkugel vor mir liegen. Aber mich interessiert das auch nicht wirklich.
Björn:
Gut, eine Frage habe ich jetzt noch: Warum kann das Jahr 2006 gleichzeitig auch das Jahr der DEATHSTARS werden?
Whiplasher:
Weil wir ein Album eingespielt haben, dass einem von sexueller Finsternis bis zum Tod alles zu bieten hat. Ich bin mir sicher, dass die Platte einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird und dass man auch etwas davon mitnehmen kann. Sie kann einem nach mehrfachem Hören immer noch neue Facetten öffnen und ist sehr vielseitig. Und weil wir dieses Mal ein sehr starkes Werk anzubieten haben, glaube ich auch, dass das neue Jahr unser Jahr werden kann!
- Redakteur:
- Björn Backes