DEF LEPPARD: Ein Blick auf die schwierigen Neunziger

11.06.2019 | 15:09

Am 21. Juni erscheint die "CD Collection Volume 2" mit allen Alben der 90er von "Adrenalize" bis "Euphoria".

Dabei handelt es sich um den zweiten von insgesamt vier angekündigten Teilen mit dem musikalische Gesamtwerk von DEF LEPPARD. Über den ersten Teil, der vor fast genau einem Jahr veröffentlicht wurde, hat Kollege Peter Kubaschk einen lesenswerten Artikel verfasst, welcher sich mit dem Schaffen der Band in den 80ern von den Anfängen bis zum absoluten Höhepunkt mit "Hysteria" auseinandersetzt.

Werfen wir nun folgerichtig einen Blick auf die 90er Jahre, einer schwierigen Zeit für viele Rockbands, die in den 80ern ihre größten Erfolge feierten und sich plötzlich mit einem musikalischen Wandel in Form der Grungewelle konfrontiert sahen. Auch DEF LEPPARD sollte letztendlich davon nicht verschont bleiben. "CD Collection Volume 2" beinhaltet mit "Adrenalize", "Retro-Active", "Slang" und "Euphoria" sämtliche Studioalben der Briten aus diesem Jahrzehnt. Außerdem enthalten sind drei weitere CDs: "Rarities Volume Two" bis "Rarities Volume Four". Sämtliche CDs kommen erneut als Vinyl-Replikas und befinden sich in einem hochwertigen Pappschuber. Ebenfalls wieder mit dabei ist ein dickes Hardcover-Buch mit vielen Fotos und Liner-Notes.

Beginnen wir unseren Rückblick mit "Adrenalize" (1992), dem Nachfolger des Megasellers "Hysteria". Die Arbeiten daran wurden durch ein tragisches Ereignis überschattet. Gitarrist Steve Clark, der schon länger mit einer Alkoholsucht zu kämpfen hatte, verstarb im Januar 1991 völlig überraschend im Alter von nur 30 Jahren. Das außerordentliche Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Band und der Glaube daran, dass es auch Steves Wunsch gewesen wäre, bestärkte die verbliebenen Mitglieder in ihrem Vorhaben weiterzumachen. Die Aufnahmen wurden als Quartett fortgesetzt, wobei Phil Collen sämtliche Gitarrenparts übernahm. Unter der Berücksichtigung der Umstände unter denen "Adrenalize" entstanden ist, kann man respektvoll nur den Hut ziehen. Hits wie 'Let's Get Rocked', 'Make Love Like A Man' oder 'Heaven Is' sprechen für sich. Zurecht erreichte "Adrenalize" Topplatzierungen in den Charts auf der ganzen Welt und wurde innerhalb kürzester Zeit über sechs Millionen Mal verkauft. Für die anschließende Tour wurde Ex-DIO-Gitarrist Vivian Campbell verpflichtet, der bis heute festes Mitglied ist

Mit "Retro-Active" präsentierte man den Fans 1994 eine Sammlung von Raritäten und B-Seiten, die sich die letzten zehn Jahre angesammelt hatten. Diese wurden für diese Zusammenstellung alle komplett neu bearbeitet und teilweise neu aufgenommen. Sowohl die Grungewelle mit Bands wie SOUNDGARDEN und PEARL JAM als auch die Abwesenheit von Stammproduzent Mutt Lang hatten einen erheblichen Einfluss das Ergebnis. Die Band produzierte das Album komplett selbst und wollte dabei weg vom polierten Sound vergangener Tage. Ausführlich äußert man sich zu diesem Imagewechsel auch in den Liner-Notes, die tiefe Einblicke geben und auch manche Infos enthalten, die selbst dem eingefleischten Fan nicht so bekannt sein dürften. DEF LEPPARD selbst bezeichnet dort "Retro-Active" als wichtiges Bindeglied zwischen "Adrenalize" und dem düsteren und rohen Sound von "Slang".

Ja, "Slang" sorgte dann bei nicht wenigen Altfans für lange Gesichter. Vom Bombast der vergangenen Tage war nichts mehr vorhanden. Man war sich des Risikos durchaus bewusst, nicht umsonst war der Arbeitstitel "Commercial Suicide". Joe Elliot sagt dazu: "Wir wussten, dass sich die Leute fragen würden, was zur Hölle wir uns dabei gedacht haben. Aber wir konnten keine weitere Scheibe wie "Adrenalize" machen. So machten wir etwas, das niemand von uns erwartete. "Slang" war unser erwachsenes Album." Auch wenn DEF LEPPARD damals durch diesen Imagewandel sehr viele Fans verloren hat, steht man auch heute noch zu diesem umstrittenen Werk und brachte es sogar 2014 in einer Deluxe Version erneut heraus.

"Euphoria" stellte 1999 so etwas wie die Rückbesinnung auf alte glorreiche Zeiten dar. Der Ausflug in alternative musikalische Gefilde war beendet. Die Briten orientieren sich wieder eindeutig an den Alben, die sie zu einer der größten britischen Rockband seit LED ZEPPELIN und QUEEN gemacht hat: "Pyromania", "Hysteria" und "Adrenalize". Die Irrungen und Wirrungen der 90er Jahre waren vergessen und die Fans wieder versöhnt. Es kann manchmal so einfach sein. Trotzdem soll hierbei nicht unerwähnt bleiben, dass ohne "Slang" ein Album wie "Euphoria" wohl nicht möglich gewesen wäre, ebenfalls nachzulesen in den Liner-Notes.

Neben den Studioalben enthält "CD Collection Volume 2" auch reichlich Bonusmaterial, das sich mit "Rarities 2", "Rarities 3" und "Rarities 4" auf insgsamt drei CDs verteilt. "Rarities 1" war Teil der ersten Boxssets. Neben Demos und B-Seiten gibt es auch viel rares Livematerial zu hören. Darunter befinden sich unter anderem Aufnahmen von der ersten Clubtour mit Neugitarrist Vivian Campbell, die seinerzeit nur auf einer EP erschienen sind. Einen besonders emotionalen Moment dürfte den meisten Fans die Demoversion von 'When Love & Hate Collide' bescheren, denn das darin enthaltene Gitarrensolo war die letzte Aufnahme von Steve Clark! Ich hatte dabei auf jeden Fall eine Träne im Knopfloch.

Auch "CD Collection Volume 2" ist sowohl vom Inhalt und der Verpackung her wieder ein sehr wertige Angelegenheit. Und wer beide Boxen jetzt nebeneinander stellt, kann erkennen, dass am Ende alle vier Ausgaben zusammen das DEF LEPPARD-Logo ergeben werden. Warum die einzelnen Teile im Einjahresrhythmus auf den Markt gebracht werden, erschließt sich mir nicht ganz. Ich finde, da hätte ein halbes Jahr zwischen den Veröffentlichungen auch gereicht.

Redakteur:
Tommy Schmelz

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