DESASTER: Wir blicken auf "The Wooden Tape Box"

22.01.2025 | 11:57

Es ist wahrlich ein DESASTER, dass ich dieses Black'n'Thrash-Inferno bislang erst ein einziges Mal live sehen konnte. Doch auf dem Rock Hard Festival 2013 haben die Koblenzer um Sataniac das Amphitheater komplett in Schutt und Asche gelegt. Ich denke gerne daran zurück. Woran ich auch gerne zurückdenke, ist ihre Zeit bei Metal Blade Records, in der DESASTER ab 2005 reihenweise das infernale Höllenfeuer entfachte und sich im Studio in einen förmlichen Rausch spielte. Der Schritt in die 1. Liga war nach "Divine Blasphemies" folgerichtig, brodelte es doch ordentlich bei DESASTER und wollte diese heiße Glut aus Raserei, Durchschlagskraft und Energie doch auch einen angemessenen Rahmen genießen. Wir blicken zurück.

Anlass unserer Rückschau ist die "The Wooden Tape Box"-Veröffentlichung aus dem Hause Cold Knife Records. Diese auf 100 Stück limitierte Holzbox enthält alle DESASTER-Alben von 2005 bis 2016 auf pechschwarzen Bändern, verpackt mit exklusiven Sammelkarten und mit einem Lederaufnäher mit silbernem Hotfoil versehen. Hier erhält der Underground einen ganz neuen Charme, treffen optische Aha-Momente doch auf musikalische Schärfe, auf diese von SLAYER, HELLHAMMER, BATHORY und VENOM inspirierte Wut im Bauch, gepaart mit messerscharfen Riffs, unerbittlichen Doublebass-Attacken und kompromisslosen, intensiven Tempoeskapaden, die mitsamt den teuflischen Vocals ihresgleichen suchen. Und wir wären nicht POWERMETAL.de, wenn wir für euch nicht diese heilige Schatulle öffnen und einen detaillierten Blick auf die Alben "Angelwhore", "666 – Satan's Soldiers Syndicate", "The Arts Of Destruction" und zu guter Letzt das epische "The Oath Of An Iron Ritual"-Inferno werfen würden. Here we go:

[Marcel Rapp]

Wer 2005 glaubte, dass der Wechsel zu einem solch renommierten Label wie Metal Blade Records den ungeschliffenen DESASTER-Sound weichspülen würde, wurde binnen weniger Sekunden auf jeden Fall eines Besseren belehrt. Gitarrist und Gründungsmitglied Infernal, der bereits seit 1988 die DESASTER-Flagge in den Himmel reckt, malträtiert auf ganz unnachahmliche Art seine Klampfe, macht mit Odin, Front-Wüterich Sataniac und Tormentor hinter der Schießbude keinerlei Gefangenen und ist maßgeblich für das Höllenfeuer auf "Angelwhore". Über die gesamte Distanz von 52 Minuten regiert die brutale, alte Schule, jagt ein halsbrecherisches Riff das nächste und interessiert sich das Quartett Infernale einen feuchten Kehricht für Schönspielerei. Nein, das war noch nie das Augenmerk DESASTERs. Auf dem fünften Abriss sind in bester SODOM-, DESTRUCTION- und SLAYER-Tradition die Highlights reihenweise vertreten. Klar, am effektivsten überzeugt die Truppe im rasanten Geschwindigkeitsrausch wie mit 'The Blessed Pestilence' oder 'Havoc'. Doch auch im schleppenden und damit noch viel düsteren Milieu erzeugen 'Nihilistic Overture' und natürlich 'Angelwhore' selbst einen ungemeinen Reiz und halten damit die Dynamik recht weit oben. Dann wären noch In- und Outro zu nennen, die einen sehr atmosphärischen Rahmen erzeugen. Ein Manifest der totalen Zerstörung also, eine Hommage an den Untergrund der 1980er Jahre, der sich aber auch vor Szene-Highlights der Neuzeit definitiv nicht verstecken braucht – "Angelwhore" ist eine brutale und höchst effektive Angelegenheit, die sich kein Freund pechschwarzen Thrashs entgehen lassen darf.

[Gastautor]

DESTRÖYER 666, NIFELHEIM, AURA NOIR oder NOCTURNAL BREED habe ich damals überaus gerne gehört. Dass aber auch Deutschland neben den üblichen Verdächtigen aus dem SODOM- und DESTRUCTION-Lager Großes im Underground-Black/Thrash zu bieten hat, zeigten mir 2007 "Blood Of Witches" von WITCHBURNER und DESASTERs "666 – Satan's Soldiers Syndicate". Ein gutes Jahr für die Szene, wie ich finde. Die satanischen Soldaten stampfen unermüdlich in den Krieg und gemäß der Redewendung "In der Kürze liegt die Würze" zerstören Sataniac und Co. innerhalb von 38 Minuten alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist.

Nach einem dramatischen Einstieg legen der Titeltrack und 'Angel Extermination' gleich los wie die berühmte Feuerwehr. Der Faustreck-Faktor ist enorm, es darf geheadbangt werden, roh und ungeschliffen spielen sich wummernder Bass, höllisches Riffing und ein Schlagzeug, hinter dem der Gehörnte persönlich sitzt, in einen wahnsinnigen Rausch, auch wenn DESASTER im Großen und Ganzen noch abwechslungsreicher daherkommt als auf dem Vorgänger. So erzeugen Midtempo-Momente wie in 'Hellbangers' und 'Angel Extermination' oder 'Razor Ritual' noch mehr Aura, während 'Tyrannizer' als Beispiel schon jene epische Seite andeutet, die ein paar Jahre später noch mehr in den Vordergrund rücken sollte.

Das soll aber nicht heißen, dass DESASTER vom eingeschlagenen Weg abkommt. Nein, man hat einfach nur noch mehr Freude an anmutigen Augenblicken, ohne dass die brutalen, konsequent nach vorne ballernden auf der Strecke bleiben. Auch dank toller Gäste (Ashmedi von MELECHESH und A.A. Nemtheanga von PRIMORDIAL) ist "666 – Satan's Soldiers Syndicate" ein richtig, richtig gutes Album, das die Band zwar noch mehr nach vorne bringt, aber zu keinem Zeitpunkt Zweifel aufkommen lässt, in welchen Gefilden sie groß geworden ist: im Thrash Metal und im Black Metal.

[Henriette Tressin]

"The Arts Of Destruction" war das erste DESASTER-Album, das ich mir am Tag des Releases gekauft habe. Ich war doch so verwöhnt durch die beiden unbarmherzigen Vorgänger, dass ich nach dem Mensa-Besuch an der Essener Uni voller Vorfreude zum CD-Händler meines Vertrauens stampfte und inklusive des siebten Streiches nach Hause fuhr, obwohl ich noch zwei Vorlesungen hätte besuchen sollen. Kurz und schmerzlos: Den Abschluss habe ich dennoch bekommen und das Gefühl, nach diesem verheißungsvollen Intro daheim gegen die Wand gepustet zu werden, kann mir bis heute keiner nehmen. "The Arts Of Destruction" nimmt programmatisch den Titel wörtlich, ist eine in sich geschlossene, teils epische, teils rohe Hommage an den Underground Black/Thrash Metal, aus dem DESASTER nach dem Wechsel zu Metal Blade Records Schritt für Schritt hinausstampfte. Das Aggressionslevel ist angenehm hoch, tödliche Melodien werden in Grund und Boden geprügelt und der dreckige Klang - und das ist durch und durch positiv gemeint - lässt tolle Old-School-Vibes vom Stapel. Auch fast 13 Jahre später hat "The Arts Of Destruction" nichts an Finsternis verloren: Der Beginn ist genial intensiv und nachdem 'Lacerate With Hands Of Doom' sich in ferne Sphären drischt, sorgt das fast schon doomige 'The Splendour Of The Idols' für eine Gänsepelle vom Allerfeinsten. So geht es nahtlos weiter, denn während 'Phantom Funeral' und das stark von MOTÖRHEAD inspirierte 'Queens Of Sodomy' vielen Thrash-Fans aus der Seele spricht, gehört 'Possessed And Defiled', dieser zäh-klebrige Bastard aus hymnischer Raffinesse und finsterster Intensität, mit Abstand zum Besten, was DESASTER in all den Jahren veröffentlicht hat. Nicht nur aufgrund meiner Erinnerungen an die Uni-Zeit wird "The Arts Of Destruction" einen besonderen Platz in meinem Herzen haben, das Album ist einfach eine Offenbarung und für Liebhaber der alten Schule nun auch als Tape erhältlich.

[Gastautor]

Mit einem etwas intensiveren Blick in den Rückspiegel wird man bei DESASTER gleich mehrere Schaffensphasen mit völlig unterschiedlichem Charakter antreffen, in denen sich die Jungs von den Hellbangers Moselfranken nicht nur dezent weiterentwickelt haben. Standen die ersten Scheiben noch ganz klar für das puristische Bekenntnis zum extremen Underground, haben die Herren im Laufe der Zeit auch immer mehr konventionelle Strukturen aufgenommen und schließlich auch einprägsame Hymnen zugelassen, wie man sie auf "The Oath Of An Iron Ritual" zuhauf aufgetischt bekommt. Das 2016er Album ist letztlich vielleicht auch das stärkste bisher veröffentlichte Tondokument der deutschen Black/Thrash-Institution, weil hier die meisten echten Hitkompositionen enthalten sind, die auch eine knappe Dekade später noch in echtem Glanz erstrahlen.

Schon der Opener 'Proclamation In Shadows' setzt klare Zeichen und ist ebenso wie das groovige 'The Cleric's Arcanum' und das Giftpfeile abfeuernde 'Conquer & Contaminate' eine jener Nummern, zu denen die Fäuste am energischsten fliegen dürften - auch mit Blick auf den gesamten DESASTER-Katalog. Grundsätzlich ist "The Oath Of An Iron Ritual" auch die einzige bisher veröffentlichte Platte aus dem Koblenzer Kult-Camp, auf der alle Songs bedingungslos überzeugen und auch langfristig nachhallen. Das rotzige Titelstück, das enorm finstere 'Haunting Siren' und das abschließende Epos 'At The Eclipse Of Blades' haben der Band schließlich endgültig dieses Denkmal im hiesigen Underground gesetzt, für das DESASTER lang genug gekämpft hat. Natürlich kann man nun streiten, ob der unpolierte Rohling "Tyrants Of The Netherworld" die klarste Signatur hinterlegt hat oder eben "The Oath Of An Iron Ritual". Rein vom musikalischen Standpunkt betrachtet kann jedoch kein Release mit diesem Schmuckstück aus dem Jahr 2016 konkurrieren, welches aus mannigfaltigen Gründen daher auch in jede gut sortierte Extrem-Metal-Sammlung einzufügen ist - gerne jetzt auch in der Tape-Variante!

[Björn Backes]

Redakteur:
Marcel Rapp

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