DESTRUCTION: Interview mit Schmier
01.01.1970 | 01:00Anläßlich der Releaseparty in Bochum stand mir bei meinem zweiten Interview überhaupt gleich Schmier von Destruction Rede und Antwort. Tja, das Interview lief nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte, was aber wohl eher an mir lag. Ich hoffe, das Interview kann euch trotzdem an den Bildschirm fesseln. Here we go:
Herbert:
Tja, können wir als erstes mal über die neue Platte sprechen. Das ist doch bestimmt die beste Destruction Scheibe, die ihr bis jetzt aufgenommen habt, oder?
Schmier:
Ja, ich find sie auch gut. Wenn du sie gut findest, ist es o.k. Für mich als Musiker ist es die beste Scheibe, auf jeden Fall und wenn die Fans das genauso sehen, haben wir das Ziel erreicht. Wir sind sehr überzeugt von der Platte und ich glaube, dass die Reaktionen der Fans darauf schliessen lassen, dass sie sehr zufrieden sind. Wir sind nicht umsonst heute in die Charts auf Platz 67 eingestiegen.
Herbert:
Aber hängt das vielleicht auch damit zusammen, dass die neue Platte jetzt einfach auch besser klingt? Wir haben jetzt nicht mehr ’84 und ihr produziert nicht mehr mit Horst Müller.
Schmier:
Eben. Es war auch unser Ziel, besser zu klingen. Wahrscheinlich gibt es auch ein paar Leute, die sagen „Warum klingt ihr nicht wie früher?“, aber für uns war es ein Ziel, dass sich Destruction auch weiterentwickelt, aber immer noch zu ihren Roots stehen. Und das haben wir erreicht.
Herbert:
Die Texte auf der neuen Scheibe sind ja ziemlich gesellschaftskritisch, auch in einer wütenden und aggressiven Art. Ist das für dich ein wichtiger Aspekt von Destruction?
Schmier:
Auf jeden Fall. Ich bin bestimmt kein Poet, aber ich möchte schon, passend zur Musik und passend zum Namen, aggressive Texte haben. Ich kann alles rauslassen, ich kann meinen ganzen Frust über die Gesellschaft, über alles in meinen Texten rausschreien. Das ist auch ein ideales Ventil.
Herbert:
Aber ist das nicht auch ein Wechsel im Gegensatz zur Vergangenheit? Wenn man mal auf der neuen Platte den Text von Total Desaster mit Visual Prostitution vergleicht, ist das nicht auch ein Unterschied?
Schmier:
Natürlich ist da ein Unterschied, aber wir haben auf der neuen Platte auch Texte, die in Richtung Infernal Overkill tendieren. Ich habe schon versucht, eine ausgewogene Mischung zu finden, aber den Satanskram auspacken; das machen die 17jährigen aus Norwegen besser als wir. Wir haben immer noch ein paar Texte, die gegen die Kirche gehen, in denen wir gegen solche Eirichtungen auch protestieren. Die Texte sind ein bißchen besser gewählt und halt einfach voll in die Fresse. Wenn ich immer noch Texte wie vor fünfzehn Jahren schreiben würde, hätte ich mich als Musiker sehr zurück entwickelt, anstatt nach vorne.
Herbert:
Würdest du auch sagen, das man Destruction auch als politische Band bezeichnen kann?
Schmier:
Auf keinen Fall. Ich würde uns nicht als politisch bezeichnen, weil ich schon vieles scheiße finde, was hier in Deutschland abgeht, aber das machen die Punkbands besser als wir.
Herbert:
Wenn man gesellschaftskritisch ist, ist man doch auch in einer gewissen Hinsicht politisch, in dem man sagt „ So kann es doch nicht bleiben“.
Schmier:
Auf jeden Fall, aber ich möchte meine Gedanken an Leute weitergeben. Ich will keine politischen Ideologien vertreten, aber das ist nicht mein Ding. Weder rechts noch links, jede Extremität ist daneben und jeder soll sich seine eigene Meinung bilden. Ich will die Leute auch nicht politisch beeinflussen. Ich möchte meinen Frust loswerden in den Texten und ich denke, es paßt ganz gut zur Musik.
Herbert:
Du und Mike, ihr habt ja die Musik zusammen geschrieben, was ist denn mit eurem neuen Drummer Sven? Hatte der überhaupt einen musikalischen Einfluss auf die Platte?
Schmier:
Hör dir die Drums an, er ist schon ein sehr guter Drummer. Er hat viel am Gerüst der Songs mitgearbeitet. Ich meine, der Songwriting Prozess selber, die Texte, die Gitarrenriffs schreiben Mike und ich. Sven hat beim Arrangieren genug Zeit und Platz, seinen Stil mit einzubringen.
Herbert:
Die Thrash Metal Szene war in den letzten Jahren sehr aktiv, wenn auch nur im Underground. Aber nun traut man ausgerechnet Destruction einen Durchbruch auf breiter Ebene zu und die Szene wieder nach oben zu bringen. Woran liegt das?
Schmier:
Keine Ahnung, ist eine gute Frage, die musst du nicht mir stellen, sondern den Leute, die für die Magazine schreiben und uns für ziemlich gut halten. Wir haben selber nicht damit gerechnet, dass die Szenen uns so gut aufnimmt. Wir haben viel richtig gemacht auf den Festivals, wir haben eine ehrliche Platte gemacht, und das sehen die Fans dann auch. Die Presse kommt an sowas dann nicht vorbei und muss drüber schreiben. Man braucht einfach nur gute Thrash Platten, um die Thrash Musiker populär zu machen. In den letzten fünf Jahren waren fast gar keine Thrash Sachen da, in den letzten zwei Jahren wieder viel im Underground und jetzt kommen auch die größeren Bands mit vernünftigen Releases an den Start, die letzte Testament z.B. Die Szene braucht auch gute Platten, ich meine, was damals rauskam, Reign In Blood und solche Scheiben, die haben in den letzten Jahren einfach gefehlt. Witchery, Bewitched und wie sie alles heißen, haben gute Platten gemacht, gute Underground Sachen, aber ihnen fehlt das gewisse Etwas, um die Leute zu motivieren, sich die Musik anzuhören. Und Destruction ist halt ein Name, der halt in der Thrash und Death und Black Metal Szene Gehör findet, und vielleicht liegt das daran.
Herbert:
Was hast du für persönliche Erwartungen an die Reunion? Und was hältst du von Reunions allgemein?
Schmier:
Ich finde Reunions im allgemeinen scheiße, weil die meisten Reunions keine guten Vorbilder für uns gewesen sind. Wir haben uns auch keine Vorbilder genommen und versucht, uns nicht so doof wie andere Leute anzustellen. Es ist insofern wichtig, dass die Sache ehrlich rüberkommt, wir haben die Sache auch aus dem Bauch raus entschieden und ich glaube, dass sehen die Fans auch. Wir sind halt keine kurzhaarigen Wimps.
Herbert:
Nehmen wir mal an, die Platte hätte nicht so gute Kritiken bekommen. Hätte dich das in irgendeiner Weise getroffen?
Schmier:
Natürlich, jeder ist für Kritik empfänglich. Wenn dir als Musiker alle sagen, die Platte ist scheiße, hast du halt ein Problem weiter zu machen, weil die Motivation in den Keller geht. Aber wir wußten, dass wir eine gute Platte machen und die guten Kritiken sind ein schönes Schmankerl.
Herbert:
Wie wird sich die Metal-Szene in den nächsten Jahren weiterentwickeln? In jeder Szene wird ja jetzt versucht, die guten alten Zeiten zu beschwören und jeder spricht vom absoluten Overkill..
Schmier:
Es sind zuviel Bands am Start, ganz klar. Deswegen wird sich die Spreu vom Weizen trennen, die größeren Bands und die Bands, die gute Releases haben und sich bei den Fans etablieren können, werden bestehen bleiben, der Rest wird abdanken. As nächste große Sterben wird es beim Black Metal geben. Da gibt es auch viel zu viele Bands, viel zu viele schlechte Bands. Die guten wie Immortal werden überleben, die schlechten werden abdanken, genauso wars damals beim Thrash, so wird es in jeder Szene sein. Was wird der neue Hit werden? Keine Ahnung, in den nächsten ein bis zwei Jahren ist es auf jeden Fall Retro, die Leute werden back to the roots gehen und gucken, wo alles herkommt. Die Bands werden auch die Musik danach ausrichten, auf jeden Fall.
Herbert:
Wie siehst du die ganze Internet Geschichte?
Schmier:
Ist mittlerweile sehr wichtig. Vor einem Jahr hatte ich gesagt, kann ich nicht beurteilen, da wir aber jetzt selber eine Homepage haben, www.destruction.de, kann ich sagen, dass wir sehr überrascht waren über die Reaktionen aus der ganzen Welt, und das innerhalb kürzester Zeit. Man kann die ganzen Leute erreichen, kann die News sofort rausbringen und die Leute reagieren auch sofort drauf, dass ist total klasse. Wir sind gerade dabei, unsere Homepage noch mehr auszubauen, noch mehr zu machen, weil man sieht, dass die Resonanz da ist.
Herbert:
Siehst du auch nicht die Gefahr, dass viele Fans sagen: Ja, Destruction, die MP3s zieh ich mir aus dem Internet und dann brenne ich mir meine eigene CD.
Schmier:
Das sind aber keine Fans. Eine Platte in der Hand zu haben, mit allem Drum und Dran, ist schon eine andere Schiene, als sich irgendetwas zu brennen. Ich persönlich brenne mir nur CDs von Bands, die ich nicht so gut finde. Die Sachen, die ich gut finde, kaufe ich mir alle, weil man die Bands auch unterstützen muss. Wenn die Bands keine CDs mehr verkaufen, gibt es keine Heavy Metal Bands mehr und das wäre nicht im Sinne des Erfinders. Ich glaube auch nicht, dass das mit der MP3 Sache in der Heavy Metal Szene so schlimm sein wird, zumindest jetzt. Aber in Moment weiß sowieso keiner, wo es langgeht.
Herbert:
Wie sieht es denn mit weitergehenden Touren aus, du hast schon eine Tour im September angesprochen. Und dann sag doch auch mal, wer denn dein Lieblings-Tourpartner wäre?
Schmier:
Ja, ich habe schon gesagt, dass Sodom oder Kreator genial wären, aber Hypocrisy haben wir uns gewünscht, und Peter (Tägtgren, Sänger und Gitarrist von Hypocrisy-Amn. d. Verf.) kommt wohl mit, so wie es jetzt aussieht. Natürlich wäre eine Band wie Testament ganz klasse, aber es ist sehr schwer, an die Amis ranzukommen, weil die überhöhte Vorstellungen haben, teilweise auch im finanziellen Bereich. Wir werden was gutes zusammenschustern, also Hypocrisy kann ich so gut wie fest bestätigen und da gabs noch ein paar deutsche Bands, die im Gespräch waren. Ich denke, wir kriegen ein wirklich fettes Billing am Start im September, das vier wirkliche starke Bands beinhalten wird.
Herbert:
Destruction werden ja von vielen Bands als Einfluss genannt. Macht dich das in einer Hinsicht stolz oder wunderst du dich manchmal auch, wenn du die Bands schlussendlich hörst?
Schmier:
Beides natürlich. Es gibt Bands, die wirklich gut abgekupfert haben, es gibt aber auch Bands, wo man es gar nicht hört. Wir waren damals wichtig für die Szene, weil wir ein neues hartes Stilmittel in die Metal-Szene eingebracht haben und dadurch sich auch Black Metal Bands, die mittlerweile ganz andere Musik machen, in der Anfangsphase inspiriert fühlten. Persönlich ist es für uns total cool, nach so langer Zeit in der Szenen zu sein und von den ganzen jungen Bands als Vorbild genannt zu werden. Das finde ich immer eine gute Sache, das hätten wir nicht gedacht, als wir vor 16 Jahren mit der Band angefangen haben.
Herbert:
Es gibt ja auch viele Destruction Coverversionen. Welches ist denn die schrecklichste Coverversion, die du kennst?
Schmier:
Ich kenne nur ziemlich gute, eine richtig schlechte habe ich noch nicht gehört. Aber ich habe erfahren, dass aus Amerika ein Destruction-Tribute kommt, da sind bestimmt ein paar schlechte dabei. Die absolut geilste Version ist von Defleshed „Curse The Gods“, die ist der totale Killer.
Herbert:
Ja, ihr lauft ja auch wieder rum wie früher, mit Patronengurten, Nieten, umgedrehten Kreuzen usw.
Schmier:
Die Tätowierungen haben wir uns nur aufgeklebt und die Piercings kam man abends wieder abnehmen!!
Herbert:
Was würdest du jemanden sagen, der sagt: „Das ist doch alles klischeemäßig, wozu braucht man das heute noch?
Schmier:
Ich bin gerne Klischee, die können mich am Arsch lecken, ganz einfach! Wenn sie sich ihre Haare schneiden wollen und ihre Eier amputieren wollen, sollen sie es machen, aber für ist das kein Metal. Ich lebe den Metal so, wie ich es gewohnt bin und nach Trendsund nach irgendwelchen angesagten Stilrichtungen haben wir uns noch nie gerichtet. Das werden wir auch nicht machen, da können sich die Fans auch auf uns verlassen.
Herbert:
Ihr habt ja bei Nuclear Blast unterschrieben, die ja auch ordentlich die Werbetrommel rühren...
Schmier:
Das ist schon wichtig, man muss die Leute auch erreichen, sonst hätten wir gar keine Chance gehabt. Die Szene ist gross, der Name ist zwar da, aber du musst auch noch eine gewisse Promotion haben, wenn die Platte rauskommt, sonst brauchst du gar nicht mehr an Start kommen. In diesem Monat sind 75 neue Metal Platten rausgekommen und sich da durchzusetzen, ist schon brutal schwer. Deswegen war die Promotion von Nuclear Blast schon sehr gut gemacht.
Herbert:
Aber Nuclear Blast haben in den letzten Jahren auch sehr viele namhafte Bands unter Vertrag genommen und erwarten von euch auch dementsprechende Verkäufe, die ihr jetzt auch bekommen habt. Aber setzt euch das nicht auch unter Druck?
Schmier:
Der Druck, mit dem müssen wir leben. Wenn Destruction erfolgreich sein wollen, müssen sie die Fans überzeugen und ein paar Platten verkaufen, sonst geht nichts. Die Erwartungshaltungen sind nicht so gross, wie viele Aussenstehende denken. Wir müssen eine vernünftige Anzahl an Platten verkaufen, die nicht so hoch ist, wie viele denken. Wir haben einen weltweiten Markt zur Auswahl, wir werden auch in Amerika, Südamerika und Japan veröffentlichen, deshalb wird es nicht so schwer sein, die Anzahl an Platten zu verkaufen, die wir brauchen, um bei Nuclear Blast in den grünen Bereich zu kommen.
Herbert:
Nochmal Amerika, ist ja ein gutes Stichwort. Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger waren deutsche Thrash Bands in Amerika ganz schön angesagt; Kreator haben da ja auch zwei Touren durchgezogen. Wollt ihr in die Richtung was machen?
Schmier:
Wir haben schon Angebote für eine fünfwöchige Tour vorliegen, mit Witchery und zwei anderen Bands im Vorprogramm. Wenn der Zeitplan es zulässt, werden wir das im Sommer durchziehen, wahrscheinlich im August.
Herbert:
Was hast du denn für Erwartungen an eine Amerika Tour? Die amerikanische und die europäische Szene haben sich sehr weit auseinander entwickelt.
Schmier:
Es wird sehr undergroundig sein, aber in Amerika ist der Metal-Underground sehr stark, zwar sehr klein und die Leute sind sehr angefressen. Wenn wir da spielen werden, erwarte ich nicht, dass da viele Leute kommen, aber die Leute, die kommen, die werden Spass haben und sich tierisch drauf freuen. Wir spielen in kleinen Clubs, zwischen 200 bis 500 Leute haben, es wird gut werden. Die amerikanische Szenen ist wieder am Kommen, der Retro-Boom ist da auch am Start, nur die Mainstream-Szene, die ist halt auf Korn und moderne Musik ausgerichtet.
Herbert:
Wie lange willst du diese Reunion noch durchziehen?
Schmier:
Wir werden das solange machen, wie wir Spass haben und auch eine Resonanz da ist. Wenn alle Leute sagen: Wer braucht Destruction, und wir uns zum Affen machen, machen wir natürlich nicht weiter. Es ist ein Geben und Nehmen, wir werden versuchen, soviel wie möglich in die Band zu investieren, es so ehrlich wie möglich rüberzubringen und den Leuten zu geben, was sie von uns erwarten. Wenn es gut ankommt, wird es die Band auch in den nächsten Jahren geben, wenn nicht, dann werden wir uns den anderen Sachen im Leben widmen, außerhalb der Musik. Ich habe ein Geschäft und das ist auch ein Haufen Arbeit. Heavy Metal wir immer ein Bestandteil meines Lebens sein, aber ich möchte auch keine Fans enttäuschen., Destruction ist ein Name, der vielen Leuten viel bedeutet.
Herbert:
Kann ich mich nur bedanken und das letzte Statement gehört dir.
Schmier:
Ich bedanke mich schon mal im Voraus für die guten Reaktionen, Platz 67 in den deutschen Top 100 hätte uns keiner zugetraut und wie es heute abend aussieht, werden auch viele Leute in die Zeche kommen, es wird eine gute Show werden, deshalb bedanke ich mich bei den Destruction Fans für die jahrelange Treue.
- Redakteur:
- Herbert Chwalek