DESTRUCTION: Interview mit Schmier
12.02.2011 | 14:39Fast 30 Jahre im Geschäft und immer noch hungrig. Mit einem weiteren Klassiker im Bandkatalog, hat sich das deutsche Thrash-Metal-Flaggschiff von DESTRUCTION anno 2011 einmal mehr selbst übertroffen. Wir sprachen mit Bandkopf Schmier über "Day Of Reckoning", dem neuen Mann hinter der Schießbude, der gemeinsamen Tour mit OVERKILL und HEATHEN und seine persönlichen Zukunftswünsche.
Schmier, vielen Dank, dass du dir für meine Fragen Zeit nimmst. Am 18. Februar kommt via Nuclear Blast eure neue Platte "Day Of Reckoning" auf den Markt. Ich konnte vorab schon reinhören und sie haute mich von den Socken. Stilistisch erinnert sie mich stark an "The Antichrist" von 2001. Welchen Stellenwert hat die neue Scheibe für dich?
Das freut mich, dass dir die Platte gefällt. Wir sind jetzt mit altem und zugleich neuem Label am Start und haben auch einen neuen Schlagzeuger in der Mannschaft. Und im vergangenen Jahr war es ganz schön hart, die schweren Entscheidungen zu treffen. Man muss eben sehen, wo man bleibt. Darum war es wichtig, eine Platte zu machen, die auch ordentlich reinknallt und auf die man auch stolz sein kann. Nach all den Jahren muss man sich stets neu motivieren und versuchen, nicht in eine Art Trott zu verfallen. Drum ist die Platte enorm wichtig für uns.
Die Platte ist enorm wütend ausgefallen. Du hast eben euren neuen Mann hinter der Schießbude angesprochen, Vaaver. Welchen Einfluss hat er am DESTRUCTION-Sound anno 2011?
Wir haben die Platte ohne ihn komponiert und sie sollte auch richtig aggressiv werden. Und die Grundvoraussetzungen für einen neuen Drummer ist es eben, diese Hochgeschwindigkeits- und Doublebasspassagen, sowie das technische Niveau an den Tag zu legen. Wir haben das komplette Schlagzeug auf Demo vorerst programmiert und nach diesem Niveau einen Schlagzeuger gesucht, der das auch spielen kann. Vaavers Stil ist sehr filigran, was auch gut zur Band passt. Er ist zwar ein technischer Schlagzeuger, spielt aber sehr groovy und bandorientiert. Es war mir sehr wichtig, dass die zwischenmenschliche Komponente stimmt. Wir haben ihn im letzten Sommer bei verschiedenen Shows angetestet und ich denke, wir haben die richtige Wahl getroffen. Musikalisch und menschlich passt es jedenfalls sehr gut.
Was war der Grund, warum Marc Reign im Frühjahr letzten Jahres die Band verlassen hat? Hat er sich mit dem trashigen DESTRUCTION-Sound nicht mehr so wohl gefühlt?
Ich denke, es war eine Mischung aus Allem. Wenn man sich musikalisch nicht mehr wohl fühlt, kommt es eben dazu, dass man sich eben auf den Zeiger geht und man sich am Ende nicht mehr versteht. Musikalisch war schon seit längerem der Wurm drin, da er nicht mehr auf diesen Thrash-Sound angefahren ist. Ihm war das zu anstrengend. Das Ganze hat sich mit der Zeit dann hochgesteigert. Ich schreibe eben Songs, um eine geile neue DESTRUCTION-Scheibe zu machen und nicht, um den Schlagzeuger glücklich zu stimmen. Dann gab es desöfteren auch Theater, dass er das Zeug nicht so spielen wollte, wie wir es eben wollten. Er ist ein guter Schlagzeuger, aber für die neue Scheibe wollten wir jemanden haben, der einfach unsere Vorstellungen erfüllt. Ich denke, das ist ein großer Sprung nach vorne, was nach sovielen Jahren sicherlich nicht einfach ist. Es gibt eben einige, die nach zehn Jahren einfach physisch keinen Bock mehr haben, diese anstrengende Musik zu spielen. Marc hat versucht, hin und wieder die Doublebass-Sachen wegzulassen, was wir eben nicht so gut fanden und warum wir uns öfters in den Haaren hatten.
Durch Vaaver klingt die Platte, in meinen Augen, auch deutlich direkter als beispielsweise "D.E.V.O.L.U.T.I.O.N." Insbesondere haben es mir 'Armageddonizer' und 'Hate Is My Fuel' angetan. Ihr seid ja auch bald mit OVERKILL und HEATHEN auf Tour, weswegen ich gerne wissen würde, welche aktuellen Songs es in die Setliste der kommenden Tour schaffen könnten.
Also die angesprochenen sind auf jeden Fall dabei. 'The Price' werden wir auch mal ausprobieren. Generell könnte man die erste Plattenhälfte sehr gut live spielen. Da OVERKILL Headliner sind, können wir jedoch maximal drei neue Songs ausprobieren. Wenn die Fans die neue Platte geil finden, spielen wir auch sicherlich mehr davon. Zwar haben wir einige Klassiker, die wir einfach spielen müssen, aber eine flexible Setliste ist auch was Nettes.
Wie sind denn die Album-Reaktionen bisher?
Die sind recht positiv, was mich zufrieden macht. Die Platte klingt eben deutlich roher. Wir haben sie bereits vor einem halben Jahr aufgenommen und normalerweise finde ich nach einigen Monaten immer noch ein Haar in der Suppe, was ich bei der aktuellen Scheibe jedoch nicht hatte. Die ist besser, als die letzten Releases, soviel steht fest.
Seit 2000 habt ihr fast jedes Jahr eine Veröffentlichung an die Fans gebracht. Wenn die Tour und etwaige Festivalshows in diesem Jahr gespielt wurden, gönnt ihr euch dann etwas Ruhe oder steht im Anschluss sofort die nächste Bandaktivität an?
Es stehen ziemlich viele Shows an. Seien es in Europa oder Südamerika, wir werden dauernd unterwegs sein. Es wird im Sommer keine Pause geben. Wir werden schauen, wie erfolgreich die Scheibe ist, da wir gerne als Headliner raus wollen, um auch längere Shows zu spielen. Ich freue mich aber, da ich gerne auf Tour bin. Irgendwann wird es halt schwierig, das ganze physisch auch durchzuhalten, aber solange es noch geht, ist es eben das Geilste, die Songs live zu präsentieren. Ich würde auch gerne mal im arabischen Raum auftreten. Oder beispielsweise Südost-Asien, was aber sehr kostspielig ist, um dorthin zu kommen. Neuseeland steht auch noch auf dem Zielplan. In diesen Ländern gibt es viele DESTRUCTION-Fans, die extra dorthin kommen, um uns zu sehen, was eine große Ehre ist. Es gibt, glaube ich, kein Land, wo es keine DESTRUCTION-Fans gibt, was ich selber kaum glauben kann. Man kommt eben um die Welt und das muss man eben mögen. Die Live-Präsentation ist eben das größte Geschenk, was du als Musiker hast und ich hoffe, dass wir das noch einige Jahre machen können.
Das hoffe ich allerdings auch. Um noch einmal auf "Day Of Reckoning" zu sprechen zu kommen. Diesmal befindet sich der Mad Butcher nicht auf dem Cover, sondern im Booklet, oder?
Genau, immer den Butcher auf das Cover zu bringen, ist mit der Zeit auch langweilig. Dieses Mal passt es einfach nicht. Die Grundidee war, dass das Auge, in dem man den Weltuntergang sieht, dem Butcher gehört. Das war jedoch schlecht umzusetzen, wodurch wir vom Konzept etwas abgekommen sind und den Butcher ins Booklet verfrachtet haben. Ich denke dennoch, dass es ein geiles Cover geworden ist. Natürlich gibt es dann wieder Leute, denen das Cover zu brutal oder plakativ ist, aber das muss immer zu DESTRUCTION passen, wodurch es trotz allem ein klassisches DESTRUCTION-Cover geworden ist. Der Butcher wird auch irgendwann wieder aufs Cover zurückkehren.
Steckt hinter den Texten irgendein Konzept?
Die Texte bauen schon aufeinander auf, dass man auf der Welt ziemlich verlassen ist. Sie sind teils in Metaphern geschrieben und die Fans werden eh ihre eigene Text-Interpretation haben. Die Texte sind sehr aggressiv ausgefallen, passend zur Musik. Es ist aber kein Konzeptalbum im eigentlichen Sinn. Es gibt auch Texte, die in die andere Richtung gehen. Beispielsweise handelt ein Text vom Aussenseiter-Dasein. Diese schreibe ich ganz gerne, da es mir beinahe jeden Tag auffällt, dass wir noch nicht soweit sind, sämtliche Leute zu akzeptieren. Die Texte sind mal wieder sehr sozialkritisch, wie DESTRUCTION nun mal sind.
Gibt es denn auch einen Text, der für dich eine besondere Bedeutung hat?
Ich denke, dass alle Lyrics für mich etwas Besonderes sind. Ich schreibe ja immer über persönliche Sachen, die ich selber erlebe. Wichtig ist es eben, dass der Text zum jeweiligen Song passt. Im Laufe der Jahre bin ich in das Schreiben der Texte recht gut rein gewachsen und mittlerweile ist es ein natürlicher Prozess, um meine Frustration raus zuschreiben. Aggressive Musik muss eben zu aggressiven Texten stehen. Ich finde sozialkritische Texte eben besser als welche über Hobbits oder so. Viele Death-Metal-Bands singen über Gore, wovon ich auch kein großer Freund bin. Ich will Texte schreiben, die alle Menschen berühren.
Durch die Sozialkritik ist die Platte auch dementsprechend wütend ausgefallen, oder?
Auf jeden Fall. Ich kann mit den Texten und der Musik zwar nicht die Welt verändern, mich jedoch ausdrücken. Ich kann mir den Frust von der Seele reden. Wir Metalheads gliedern uns eben von der Gesellschaft ab, wodurch Metal auch irgendwo für Revolution steht. Wir haben damals Metal auch als eine Art Trotzreaktion gespielt und man muss auch seine Ideale bewahren. Das sehe ich bei jeder DESTRUCTION-Show, unabhängig vom Alter. Es ist wichtig, dass sich diese Subkulturen, wie Thrash Metal eine ist, auch weiterentwickeln. Ich bin froh, dass wir nach all den Jahren noch die Fans hinter uns haben. Das muss man sich hart erarbeiten. Man hört der neuen Platte auch an, dass wir noch einige Jahre weitermachen wollen. Es ist komisch, wenn die jüngeren Fans auch zu uns kommen und fragen, was passieren würde, wenn es irgendwann Bands wie DESTRUCTION, SODOM, KREATOR oder SLAYER nicht mehr geben würde. Aber die neue Generation an Thrash-Metal-Bands kommt gerade ins rollen.
Das stimmt. Mit Bands wie PESSIMIST, TUCKS FROM HELL oder TOTAL ANNIHILATION steht jedoch bereits die neue Generation in den Startlöchern. Wie nimmst du persönlich die Thrash-Szene der letzten Zeit wahr?
Also da rotiert schon einiges. PESSIMIST kommen ja auch aus unserer Ecke und die erste Welle mit Bands wie beispielsweise WARBRINGER kam ja schon vor einiger Zeit. Die Qualität ist wachsend und da wird auch noch einiges auf uns zu kommen. Wir werden alle noch einige Jahre machen und die jungen Bands begleiten. Mit der Zeit wird man auch eigenständiger und einige von den Bands werden es auch schaffen, ihren eigenen Stil zu finden.
Als wir vor einiger Zeit in Portugal oder auch in der Schweiz gespielt haben, gab es den einen oder anderen Opener, den ich richtig klasse fand und mir auch gerne angeguckt habe. Und häufig ist es ja auch so, dass die ersten Scheiben vieler Bands auch zeitgleich die besten sind, da sie dann noch unverdorben rangehen und noch nicht so beeinflussbar sind. Später kommt noch die Plattenfirma hinzu und noch andere, die irgendwas wollen. Meist kommen dann nicht die Lieder raus, die man haben will. Mein Tipp an junge Bands: Macht euer eigenes Ding, kopiert nicht und versucht, eigenständig zu sein.
Ein wahres Wort. Bands wie HEATHEN oder OVERKILL haben auch ihr eigenes Ding durchgezogen und mit jenen geht ihr schon sehr bald auf Tour. Wie kam diese Tour zustande?
Nun, OVERKILL wollten schon länger mit uns spielen und Nuclear Blast hat da natürlich auch seine Finger im Spiel. Das ist eben eine Tour, die nur alle paar Jahre zustande kommt. Es tut auch wirklich gut, gerade junge Fans bei den Oldschool-Thrash-Bands zu sehen. Was man nicht so oft sieht, sind die älteren Fans, die nur noch zu speziellen Touren wie letztes Jahr bei der mit KREATOR, EXODUS und DEATH ANGEL rauskommen. Ich denke auch, dass unsere Tour gut laufen wird. Die Resonanzen sind einfach großartig.
Nächstes Jahr, sprich 2012, gibt es DESTRUCTION bereits schlappe 30 Jahre. Steht bereits eine Idee, wie man diesen runden Geburtstag feiern könnte?
Mein Wunsch wäre eine gemeinsame Tour mit SODOM und KREATOR, da es praktisch der 30. Geburtstag der deutschen Thrash-Metal-Szene ist. Diese Tour haben wir bereits 2001 schon einmal auf die Beine gestellt und würde weltweit funktionieren und ein richtiges Highlight darstellen. Das wäre eine tolle Zielsetzung. Solch eine Konstellation wäre auch schwer zu toppen und war damals richtig genial. Viele junge Fans würden vieles dafür tun, solch eine Tour noch mal mitzuerleben und bevor wir alle zu alt dafür sind, sollten wir das noch mal in Angriff nehmen.
Die Tour würde jedem Fan die Freudentränen in die Augen treiben. Schmier, ich bedanke mich herzlich, dass du dir für meine Fragen Zeit genommen hast und wünsche Dir, Mike, Vaaver und dem Rest der DESTRUCTION-Familie alles Gute für 2011.
Hast du zum Abschluss unseres Gespräches noch letzte Worte an unsere Leser?
Ja, ich persönlich wünsche mir für das Jahr einige Shows in Deutschland spielen zu können. Gerade im deutschsprachigen Raum kommen viele Fananfragen, wann wir beispielsweise einmal wieder in München, Bremen oder auch Salzburg spielen würden. Leider ist es so, dass wir wenig Einfluss drauf haben und der lokale Veranstalter meist diese Shows bucht. Wenn ihr uns unterstützen wollt und uns sehen möchtet, dann schreibt eure lokalen Leute an und verlangt nach DESTRUCTION. Gerade München wäre eine Stadt, in der ich gerne mal wieder spielen würde. Insbesondere die Fans hätten da großen Einfluss, wenn sie kundtun, dass sie mal wieder Bock auf uns hätten. Das wäre natürlich genial, wenn wir in der zweiten Hälfte von 2011 noch einige Headliner-Shows spielen und diese Städte besuchen könnten.
Wir sehen uns auf Tour.
- Redakteur:
- Marcel Rapp