DIR EN GREY: Rock 'n' Roll, J-style!

29.04.2015 | 13:42

Japanische Rock- und Metalbands sind in unseren Breiten nicht gerade alltäglich, und DIR EN GREY, die zu den etablierten und relativ bekannten Bands gezählt werden darf, ist es noch weniger.

Denn was als Visual-Key-Band begann, wandelte sich immer weiter in Richtung Metal, ohne dabei die Wurzeln vollständig aus den Augen zu verlieren. Die Öffnung gegenüber verschiedenen Stilen und auch der Einsatz der englischen Sprache brachte der Band ein größeres Publikumspotential, sodass die gelegentlich radikalen und verstörenden, oft kritischen Texte, die die Musik mehr unterstützen als begleiten, auch bei uns einen adäquaten Stellenwert erhalten konnten. In wenigen Wochen werden die Fünf von der Insel auf Europatour gehen und dabei auch nach Deutschland kommen, wo sie neben zwei Einzelgigs in Berlin und Dortmund vor allem auf den beiden Schwesterfestivals "Rock im Revier", Gelsenkirchen und "Rockavaria", München, spielen werden.

DIR EN GREY ist auch nach dem neunten Album in Deutschland eher ein Geheimtipp. Doch gerade mit dem Konzeptalbum "Arche", das sich um das Thema Schmerz dreht, wäre ein Einstieg in das Schaffen der Band, verbunden mit einem Konzertbesuch, leicht. Denn Gitarrist Kaoru kündigt an, dass das aktuelle Album die Setlist dominieren wird. Immerhin ist es laut den Musikern selbst ihr reifestes Werk, das noch dazu in den USA bis auf Platz 4 der Billboard Top World Album Charts stieg. Dazu Kaoru: "Ja, wir sind zufrieden mit dem Album, aber wie eigentlich immer gibt es dann doch Dinge, die man hätte anders machen können. Live fühlt es sich großartig an!"

Das passt zu den Jungs von DIR EN GREY, deren letzte Alben immer von Experimenten durchzogen waren. Überhaupt, wer bei dem Gedanken an die Sommerfestivals auf ein einfaches, nettes Konzert zum Wippen und Biertrinken hofft, könnte falsch liegen. DIR EN GREY verlangt die Auseinandersetzung mit der Musik und nimmt denjenigen, der sich darauf einlässt, mit in eine wilde, verquere Welt voller dunkler Romantik und brutaler Symbolik. Nicht gerade Sommermusik zum Mitsingen, stimmt auch Kaoru zu: "Damit haben wir schon immer zu kämpfen gehabt. Wir haben wenige eingängige Songs, um ein Festivalpublikum mitzureißen. Unsere Musik ist eher anstrengend, weil sie kein Gefühl des klaren, blauen Himmels vermittelt."

Das Zentrum der Aufmerksamkeit ist, wie bei anderen Bands auch, Sänger Kyo mit seiner außergewöhnlichen, kraftvollen und sehr vielseitigen Stimme. Manchmal glaubt man, da wäre mehr als ein Sänger involviert. Aber Kaoru bestätigt: "Nein, das ist alles ausschließlich Kyo, mit Ausnahme der Chöre natürlich. Ehrlich gesagt, Schlagzeuger Shinya hat auch eine kraftvolle Stimme, aber wir haben ihn nie aufgenommen. Er ist zu schüchtern." Schüchtern, aber in einer Rockband, die auf einer US-Tour 700.000 Menschen erreicht. Na ja, er kann sich ja hinter dem Schlagzeug verstecken. Der Rest kann sich auch hinter Kyo verstecken, der trotz der Komplexität der Musik das Gesicht der Band darstellt. Ist das nicht verwunderlich? "Ja, ein bisschen schon", lacht Kaoru, "aber eine Band ohne einen Star am Mikrophon ist langweilig."

Außerdem werden auf dem Festival-Billing noch die Japanerinnen BABYMETAL auftreten (bei den Clubgigs wird voraussichtlich RISE OF THE NORTHSTAR eröffnen), die momentan auch für Furore sorgen. "Ja, die kamen mal zu einem unserer Auftritte. In Japan sind sie ziemlich erfolgreich", gibt Kaoru zu. Für mich ist das ja genau das Gegenteil von DIR EN GREY, statt musikalisch interessant eher das akustische Äquivalent eines schweren Verkehrsunfalls, aber japanische Musik fristet immer noch ein stiefmütterliches Dasein in der Welt-Rock-Szene. "Außer man hat einen Ansatzpunkt wie einen weltweit bekannten Anime", pflichtet Kaoru bei, der während des kurzen Abstechers nach Europa wenig Zeit hat für Sightseeing. "Ich liebe die historischen Gebäude in Europa. Aber München werden wir wohl nicht sehen. Aber wir hoffen, bald wiederkommen zu können!"

Vorher freue ich mich jedoch auf die verdutzten Gesichter, wenn DIR EN GREY das Rockavaria mit einer ungewöhnlichen musikalischen Mischung unsicher machen wird. Wobei so ein Clubgig sicher neben längerer Spielzeit auch intensiver sein dürfte. Aber das gebe ich Kaoru mit auf den Weg: Nächstes Mal bitte auch ein Clubgig im Süden der Republik. Dortmund und Berlin ist einfach zu weit für einen Wochentag.

Redakteur:
Frank Jaeger

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