DISILLUSION: Interview mit Vurtox

14.09.2005 | 18:21

Die Leipziger Shooting-Stars DISILLUSION hatten im April dieses Jahres die freudige Nachricht verkündet, mit Ralf Willis endlich den passen Mann für die Position des Bassisten gefunden zu haben. Der Afro-Amerikaner ist sogar extra von New York nach Leipzig übergesiedelt, um gleich an der kommenden Scheibe mitzuarbeiten. Grund genug, Mastermind Andy alias Vurtox anlässlich des Auftritts in Leipzig am 10. September nach dem aktuellen Stand der Dinge zu fragen. Doch dann kam alles ganz anders als erwartet...

Elke:
Ihr seid in letzter Zeit verstärkt live unterwegs. Ist das gerade so eine Art Mini-Tour?

Andy:
Wenn man so will, ja. Wir wollten dieses Mal auf keinen Fall, wie wir es bei der letzten Platte gemacht hatte, alle Live-Aktivitäten auf Null schrauben und dann plötzlich wieder da sein, weil sich das nicht sehr positiv ausgewirkt hat. Wir hatten mit "Back To Times Of Splendor" einen sehr schwierigen Start, denn auch wenn die Motivation da war, waren wir halt nicht eingespielt. Das wollen wir dieses Mal umgehen, und deswegen spielen wir konsequent live und machen so etwas wie kleine Mini-Touren. Wir sind jetzt im September viel unterwegs und dann wieder im Dezember und Februar, jeweils an den Wochenenden.

Elke:
Ich bin eigentlich davon ausgegangen, euch heute zusammen mit eurem neuen Bassisten Ralf auf der Bühne anzutreffen, aber ihr wart nur zu dritt. Was ist passiert?

Andy:
Wir sind wieder zu dritt. Im März ist Ralf als Bassist zu uns gestoßen, quasi direkt aus New York. Wir scheuen uns gerade, das publik zu machen, nachdem wir zu Anfang so wahnsinnig euphorisch waren und dachten, das ist jetzt der richtige Mann für uns. Aber als es dann in den Proberaum für die Arbeiten am kommenden Album ging und wir somit gleich längere Zeit eng aufeinander hockten, haben wir schnell herausgefunden, dass wir das nicht gemeinsam machen können. Es hat einfach menschlich nicht funktioniert. Das ist schade, aber wir haben es zumindest versucht.

Elke:
Am Anfang klang es ja wie ein Traum. Er kam direkt aus New York, zog gleich nach Leipzig und ihr wart endlich komplett.

Andy:
Es ist uns auch fast peinlich, dass er jetzt schon wieder weg ist. Er ist auf jeden Fall ein grandioser Basser, am Ende war es ein ganz klassisches menschliches Problem. Die Chemie hat einfach überhaupt nicht gestimmt, und nach drei Monaten war nichts mehr daran zu ändern. Wir suchen jetzt wieder einen neuen Bassisten. Es ist jetzt auch schon wieder Monate her, dass Ralf weg ist, wir haben bisher nur noch nichts dazu gesagt. Wir haben bereits wieder einen Haufen Shows ohne Bassisten gemacht und fühlen uns ganz gut dabei. Es stört zumindest erst mal nicht.

Elke:
Mich hat bei der Vorbereitung dieses Interviews schon gewundert, dass Ralf auf eurer Homepage nicht als Mitglied aufgeführt ist.

Andy:
Wir hatten ihn bisher nur in einer Newsmeldung vorgestellt, aber das hängt vor allem eher damit zusammen, dass ich keine Zeit hatte, unsere Webseite zu aktualisieren.
(Nach einer kurzen Pause) Ja, es ist scheiße, weil jetzt wieder alles von vorne los geht, die Basser-Suche und diesen dann wieder einzuspielen. Ralf konnte alles, innerhalb von drei Wochen hat er alles drauf gehabt und wir haben direkt danach die erste Show zusammen gespielt. Aber die Zusammenarbeit an der neuen Platte, die jetzt ansteht, hat gemeinsam nicht funktioniert.

Elke:
Ihr seid ja unter anderem auch auf dem ProgPower Europe im Oktober anzutreffen. Werdet ihr dort ebenfalls nur zu dritt auftreten?

Andy:
Ja, werden wir. Wir wollten dort auf jeden Fall spielen. Voriges Jahr hat es leider nicht geklappt, aber eigentlich war damals schon klar, dass wir dieses Jahr spielen würden. Die Frage ist halt, was wir machen sollen - wir können ja nicht alle Nase lang jemanden einarbeiten. Außerdem wollen wir uns gar nicht mehr so sehr mit dem alten Material befassen. Wir spielen es zwar immer noch gerne, aber arbeiten bereits an der neuen Scheibe. Jetzt wieder mit einem Basser das alte Material einzustudieren, wäre ganz scheiße.

Elke:
Ihr habt auf der Tour mit AMON AMARTH das Konzert in Halle in der großen Besetzung mitgeschnitten. Was ist eigentlich mit den Aufnahmen passiert?

Andy:
Bisher noch nichts. Aber wir planen, sie bald auf unserer Webseite als Video zur Verfügung zu stellen. Allerdings nur in kleinem Rahmen, sozusagen für all diejenigen, die uns bisher noch nicht in großer Besetzung sehen konnten. Es waren ja nur vier Konzerte. Dass dies eine adäquatere Umsetzung des Materials war, ist uns durchaus bewusst. Aber man kann halt nicht jede Woche acht Mann zum Auftritt mitnehmen, von daher ist es bei diesen wenigen Auftritten geblieben.

Elke:
Mir persönlich geht es so, seitdem ich euch ein Mal in der großen Besetzung gesehen habe, sind die normalen Shows so etwas wie ein großer Schritt zurück. Bereut ihr es, quasi die eigene Messlatte so hoch gelegt zu haben?

Andy:
Nein, ich bereue überhaupt nichts. Als wir damals die Gitarren eingespielt haben, wusste ich bereits, dass das zu dritt nicht umzusetzen ist. Ich finde aber schon, dass es funktioniert, es ist halt etwas anders, dafür aber ehrlicher. Verspielter ist sicher die Achter-Besetzung, da werden die einzelnen Instrumente greifbarer, weil alles live gespielt wird und nichts vom Band kommt. In der großen Besetzung hatten wir unter anderem eine zusätzliche Gitarre und zwei weitere Sänger. Dadurch erreicht man nicht unbedingt eine größere Fülle, aber eine größere räumliche Tiefe. Irgendeinen Preis mussten wir dafür zahlen, sonst hätten wir gleich im Studio sagen müssen, dass wir eine live spielbare Platte machen. Das wollten wir nicht, aber es nervt trotzdem immens. Wir arbeiten bereits massiv daran, dass sich das ändert.

Elke:
Was machen denn die Arbeiten für die kommende Scheibe?

Andy:
Sie gehen voran. Das Material ist im Prinzip fertig, der Werdegang ist durch, die "Standfestigkeit" des Materials hat sich auch schon bewiesen, und jetzt machen wir es fertig. Aber was und wie es am Ende genau sein wird - es ist anders. Es ist nicht episch, sondern direkter und höchstwahrscheinlich auch live umsetzbarer. Ich hoffe jedenfalls, dass es dabei bleibt, und wir werden auch versuchen, die Platte live einzuspielen. Ich weiß, das klingt jetzt, als wollte ich um den heißen Brei herumreden, aber das Material ist einfach noch nicht reif genug, um darüber zu reden. Es gibt Songs, die sind derzeit erst 40 Sekunden lang. Da weiß man halt, dass sie irgendwann fertig werden, weil die Grundidee vorhanden ist, aber wie sie in voller Länge von, sagen wir, acht Minuten klingen - keine Ahnung. Es gibt eine gewisse Stimmung, die sich durch die Stücke durchzieht, aber sie ist noch zu fragil. Die Platte wird sehr wenig mit "BTTOS" zu tun haben, aber das wussten wir schon, als "BTTOS" gerade harauskam. Dort war schon zu viel Welt und zu viel Episches drauf, als dass da noch viel übrig wäre. Ich versuche immer, auf das Maximale aus zu sein. "BTTOS" ist deswegen so opulent, weil gleich die ganze Welt drauf musste und nicht nur ein paar Songs, die pseudo-episch sind. Wenn schon, dann das ganze Ballet. Diese Energiereserven waren dann irgendwann verbraucht, zumindest auf diese Platte bezogen. Von daher wird das neue Material auf jeden Fall direkter. Wir haben derzeit Ideen für 34 Songs, von denen vieles aber bisher nur Fragmente sind. Wir haben gerade in den letzten Wochen sehr viel geschafft, aber es muss ein Schritt rein, auch für uns. Eine Bewegung, die mehr zu uns selbst führt. Dafür muss man ganz schön suchen und bohren.

Elke:
Hat euer neuer und jetzt schon wieder alter Bassist sich noch am Songwriting beteiligt?

Andy:
Ja, er kam eigentlich gerade zu dem Zeitpunkt, wo wir intensiv mit dem Songwriting begonnen haben, und ist direkt ins kalte Wasser gesprungen. Das ist, wie ich zugebe, extrem schade, dass er schon wieder weg ist, weil es fast schon Luxus war, gleich von Anfang an einen Bass dabei zu haben. Dadurch hatten wir viel eher eine Live-Atmosphäre im Studio. Innerhalb von wenigen Tagen hatten wir vier schon ein klasse Fundament, es hat wahnsinnig gegroovt. Ohne Bass ist schon scheiße, sowohl im Studio als auch live. Aber was will man machen, wenn es menschlich nicht passt.

Elke:
"BTTOS" hat ja fast überall großartige Kritiken bekommen. Fühlt ihr euch dadurch jetzt unter Druck gesetzt?

Andy:
Nein, überhaupt nicht. "BTTOS" hat uns in jeder Hinsicht die Türen geöffnet. Auf der einen Seite, damit wir von der Metal-Welt wahrgenommen werden, aber auch für uns selbst, weil es eine abgeschlossene Sache ist. "BTTOS" hat uns Freiraum geschaffen. Man kann sogar so weit gehen, dass "BTTOS" eine Art "Best Of" ist von dem, was wir die letzten Jahre gemacht haben oder machen wollten. Und jetzt ist die Zeit für etwas Neues.

Redakteur:
Elke Huber

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