DISMEMBER: Interview mit Fred Estby

01.08.2005 | 22:24

Manche haben sich vielleicht schon längst mit den Re-Releases des DISMEMBER-Katalogs eingedeckt, andere, vor allem diejenigen, die bisher noch gar nichts von der schwedischen Death-Metal-Ikone im Schrank stehen haben, sollten dies schleunigst nachholen, denn die neu aufgemachten Digipaks haben eine ganze Menge zu bieten. Welche Idee dahinter steckt, verriet mir Fred Estby kurze Zeit nach dem offiziellen Release der Neuauflagen.
Gleichzeitig plauderte der Drummer und Bandleader aber auch schon über die Zukunft der Band, über ein neues Album, aber auch über die merkwürdige Verbindung mit den APOKALYPTISCHEN REITERN. Überraschend dabei war lediglich, dass Schlagzeugmonster Estby ganz entgegen seiner energischen Live-Performance am Telefon eine Ruhe ausstrahlte, die ich noch bei keinem anderen Interviewpartner so mitbekommen habe. Jetzt aber bitte untern weiter lesen...


Björn:
Dieses Mal reden wir nicht über eine neue Platte, sondern über die Geschichte deiner Band. Wie fühlt sich das für dich an?

Fred:
Sehr gut. Es ist eine tolle Sache, die neuen Alben remastered wieder auf den Markt zu bringen und sie mit einigen neuen Sachen zu verfeinern.

Björn:
Erfüllt dich die Geschichte von DISMEMBER mit all ihren Querelen aus heutiger Sicht immer noch mit Stolz?

Fred:
Absolut!

Björn:
Dann beginnen wir mal mit der Gründung der Band. Was kannst du mir über die ersten Tage im Leben von DISMEMBER erzählen?

Fred:
Das waren schon sehr lustige Zeiten. Wir haben aber auch eine Menge geopfert: Wir haben auf gute Schulnoten und ein Studium verzichtet, nur um Musik zu machen. Wir sind stattdessen um die Welt gereist und auf Tour gegangen, haben dabei aber, das kann ich für mich auf jeden Fall beanspruchen, eine Menge über das Musikbusiness gelernt.

Björn:
Wie denkst du heute über das erste Line-Up von DISMEMBER?

Fred:
Das erste Line-Up nahm damals das erste Demo auf, und es war eine gute Besetzung. Wir haben ja auch eine lange Zeit zusammen gespielt, fast zehn Jahre lang, und es war eine echt gute Gemeinschaft.

Björn:
Wo siehst du denn die größten Unterschiede zu eurem ersten und dem aktuellen Line-Up?

Fred:
Der größte Unterschied ist natürlich die Erfahrung. Wir sind mittlerweile erwachsen, haben viele Touren und Albumaufnahmen hinter uns, wir haben uns mit Plattenfirmen und Booking-Agenturen herumgeschlagen, also die üblichen Hochs und Tiefs erlebt. Außerdem wissen wir heute, dass nicht alles so glamourös ist, wie es zunächst scheint und dass es eine Menge Fallen gibt, in die man ohne Erfahrung schnell hinein steigt.

Björn:
Dann reden wir mal über das erste Demo, quasi auch euer erstes Lebenszeichen. Was kannst du mir hierzu berichten?

Fred:
Wir waren 14-16 Jahre alt und besuchten noch die Schule. Zu der Zeit hatten wir einfach nur viel Spaß und freuten uns auf die Proben in einem Jugendclub. Zunächst probten wir in der Garage meiner Eltern, dort feierten wir auch jede Menge Parties. Gleichzeitig unterhielten wir Kontakte zur europäischen Szene, mischten uns unter die Tape-Trader und verschickten Briefe in die ganze Welt, nur um wieder neue coole Sachen zu bekommen.

Björn:
Beim nächsten Demo waren drei Songs enthalten, die später auch auf dem Debüt von CARNAGE zu finden waren. Würdest du diese Stücke jetzt als DISMEMBER-Kompositionen bezeichnen oder waren sie schon für CARNAGE bestimmt?

Fred:
Es waren schon DISMEMBER-Songs, aber kurz nach diesem Demo habe ich die Band verlassen und stieg bei CARNAGE ein. Als wir dann die Platte mit CARNAGE aufnehmen wollten, hatten wir nicht genügend Songs, also steuerte ich diese Nummern bei und die Scheibe war komplett.

Björn:
Euer drittes Demo sollte auch euer letztes bleiben, denn daraufhin bekamt ihr ja den Plattenvertrag. Hier gab es aber auch eine wichtige Veränderung in der Besetzung, denn fortan zeichnete Matti für die Vocals verantwortlich. Wie seid ihr mit ihm in Kontakt gekommen?

Fred:
Er sang bei einer Band namens CARVANIZED, und als Michael Amott und ich das CARNAGE-Album aufnehmen wollte, Johan aber aus logistischen Gründen nicht dabei sein konnte, suchten wir einen neuen Sänger. Matti war einfach ein verdammt guter Vokalist, deshalb haben wir ihn angerufen und er war sofort dabei.

Björn:
Das erste Album "Like An Everflowing Stream" war dann direkt ein großer Erfolg.

Fred:
Es wurde Anfang 1991 aufgenommen, kurz nachdem wir den Deal mit Nuclear Blast unter Dach und Fach hatten. Markus Staiger, der Chef der Firma, war sich nicht so sicher, ob er uns nehmen sollte, doch Michael Trengert, der zu dieser Zeit noch der A&R-Mann war, war ziemlich begeistert von uns. Also nahmen wir das Album innerhalb von zwölf Tagen auf, es war definitiv eine kurze, aber auch eine intensive Session. Es lief anschließend ziemlich gut, denn in den ersten zwei Wochen verkauften wir ganze 25.000 Einheiten von "Like An Everflowing Stream".

Björn:
Danach habt ihr auch schon meinen persönlichen Favoriten, nämlich "Innocent & Obscene" veröffentlicht.

Fred:
Wir hatten sehr große Ambitionen, eben weil die erste Platte so erfolgreich abgeschnitten hatte. Wir verspürten auf jeden Fall den Drang, komplexere Kompositionen zu schreiben, probten sehr häufig und waren auch ständig unterwegs. Ich mag das Album auch immer noch sehr, speziell den Song 'Dreaming In Red', der später zu einer Art Trademark für die gesamte Band wurde.

Björn:
Weiter geht's mit "Pieces"...

Fred:
Ja, das war eine ganz kurze Aufnahme, um unseren Namen weiterhin präsent zu haben, weil wir zu der Zeit andauernd auf Tour waren. Wir wollten einfach nur etwas auf den Markt bringen, um weiterhin "heiß" zu bleiben.

Björn:
Danach erschien "Massive Killing Capacity", das wahrscheinlich unterbewertetste Album eurer ganzen Bandgeschichte.

Fred:
Hm, das ist schwer einzuschätzen, ob dem so ist. Es ist ein etwas anderes Album, weil unser damaliger Produzent Tomas Skogsberg einige Bridges und solche Sachen entfernte, weil er die Musik nicht ganz so komplex, sondern eher rockiger haben wollte. Er tat uns aber keinen so großen Gefallen wie er anfangs dachte. Die Sache ist, dass die Platte trotzdem in den deutschen Charts landete, was ihn ja eigentlich bestätigte.

Björn:
"Death Metal" – ein Album, dessen Titel Programm war und ist. Einen cooleren Titel hättet ihr gar nicht wählen können. Wie seid ihr darauf bekommen, das Album einfach nur "Death Metal" zu benennen?

Fred:
Oh, wir suchten die ganze Zeit nach einem Titel, und eines Tages wartete ich auf den Bus, war ziemlich angepisst und plötzlich kam mir der Titel in den Kopf. Ich hätte aber nicht gedacht, dass darüber zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal jemand nachdenken würde...
VENOM hatten ihr "Black Metal", warum sollten wir nicht eine Platte namens "Death Metal" haben, wo wir diese Musik doch spielten. Es war also auch eine Art Statement!

Björn:
Das darauf folgende Album "Hate Campaign" war das letzte für eine ziemlich lange Zeit. Was genau passierte nach den Aufnahmen zu dieser Scheibe?

Fred:
Wir hatten nach dem "Hate Campaign"-Album einige Besetzungswechsel. Wir sind danach schon noch auf Tour gegangen, unter anderem auch in den Staaten und in Japan, aber das Interesse an DISMEMBER war auch nicht mehr so groß. Außerdem bekamen wir nicht mehr so viel Support seitens des Labels. Sie wollten uns damals auf eine OVERKILL-Tour setzen, aber das passte nun mal überhaupt nicht zu uns. Wir lehnten die Tour ab, hatten auch nicht besonders viel Geld, und die Karriere lief zu dieser Zeit nicht allzu toll. Deshalb konzentrierten wir uns erstmal auf unsere regulären Jobs und ließen das neue Line-Up zusammenwachsen. Gleichzeitig erwarteten Matti's und meine Frau gerade Kinder. Später arbeiteten wir dann aber wieder an einem neuen Album und auch mit einem neuen Label.

Björn:
Gab es denn während dieser längeren Pause auch schon mal Gedanken an eine eventuelle Auflösung von DISMEMBER?

Fred:
Nein!

Björn:
Oh, das war deutlich! Nach fünf Jahren erschien 2004 "Where Ironcrosses Grow". Das war eure erste Platte, die nicht bei Nuclear Blast erschien, und irgendwie schienen viele Leute gar nicht mitbekommen zu haben, dass DISMEMBER wieder zurück waren. Würdest du das unterstreichen?

Fred:
In gewissem Maße schon. Wir versuchten die News über unser Comeback überall zu verbreiten, die Vorbereitungen dauerten ja auch ein ganzes Jahr. Wir waren wieder zurück im Underground, und es war ziemlich hart, weil auch das Label in Sachen Promotion nicht viel getan hat. Dafür spielten wir aber wieder häufiger live und bekamen sehr gute Rezensionen zu dem Album. Die Leute mochten "Where Ironcrosses Grow", aber wegen dem fehlenden Support bekamen wir nicht die Aufmerksamkeit, die wir eigentlich verdient hätten.

Björn:
Dann kommen wir mal zum Hauptgrund dieses Interview, die Re-Releases eurer alten Scheiben. Wie gefallen dir die Neuauflagen der alten Klassiker?

Fred:
Ich finde es cool, dass sie nun als Digipak und mit neuen Fotos erhältlich sind. Die Cover-Artworks wurden aufgefrischt, es gibt eine Menge Bonusmaterial, eigentlich sogar alles, was wir in der Hinterhand hatten, damit die Sachen auch für jeden Fan interessant sind.

Björn:
Inwiefern wart ihr hierbei involviert?

Fred:
Oh, wir waren an allen Entscheidungen beteiligt, waren also vollständig involviert.

Björn:
Und warum habt ihr dann nicht den gesamten Backkatalog wieder veröffentlicht? Das erste und das letzte Album sind ja nicht mit inbegriffen.

Fred:
Das "Ironcrosses"-Album haben wir ja an Karmageddon Media lizensiert, so dass wir die Rechte daran erst wieder im Jahre 2009 haben werden. Beim ersten Album ist es so, dass wir damals noch ziemlich jung und naiv waren, also auch die gesamten Rechte an Nuclear Blast abtraten. Soweit ich weiß, haben sie die Rechte jedoch bei Karmageddon gegen die Rechte an einem Album der APOKALYPTISCHEN REITER getauscht, also müssten Karmageddon die Rechte für "Like An Everflowing Stream" jetzt besitzen, und ich weiß nicht, wann und ob wir sie wieder bekommen werden.

Björn:
Mir gefallen die Neuauflagen auch sehr, sehr gut, insbesondere wegen dem ganzen Bonusmaterial und der coolen Aufmachung. Aber trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es dennoch Leute geben wird, denen die Idee dahinter nicht gefallen wird, weil sie bereits die Originale besitzen.

Fred:
Ja, sicher, aber es geht ja auch darum, dass die Alben überhaupt erhältlich sind. Die ganzen großen Bands handhaben das ja ähnlich, speziell wenn sie ein neues Album herausbringen. Manche Fans steigen ja erst viel später ein und finden Gefallen an einer Band. Dann stellen sie plötzlich fest, dass die Band ja schon einen beträchtlichen Backkatalog hat. Den kann man aber natürlich nur erwerben, wenn die älteren Alben weiterhin in den Läden stehen. Und für die Leute, die die Platten bereits zu Hause stehen haben, wollten wir auf jeden Fall einige Extras draufpacken, damit die Sache auch für sie interessant wird – aber das hat bei uns mit Sicherheit nichts mit Abzocke oder dergleichen zu tun.

Björn:
Von der Vergangenheit in die Zukunft: Ich habe gelesen, dass ihr schon an einem neuen Album arbeitet. Kannst du mir diesbezüglich schon einige Infos geben?

Fred:
Ja, es wird nächstes Jahr am 16. Januar erscheinen und wahrscheinlich elf Songs enthalten. Am 15. August werden wir für zwei Monate ins Studio gehen, damit das Teil rechtzeitig auf den Markt kommt.

Björn:
Und für welches Studio habt ihr euch diesmal entschieden?

Fred:
Es ist dasselbe Studio wie beim letzten Album, das Sami-Studio in Stockholm.

Björn:
Was können wir soundtechnisch vom nächsten Album erwarten?

Fred:
Es wird wieder eine Spur aggressiver sein. Natürlich werden wir die melodische Seite beibehalten, aber hauptsächlich werden wir einige sehr schnelle und aggressive Kompositionen einspielen.

Björn:
Besteht denn trotzdem die Gelegenheit, DISMEMBER in den kommenden Monaten irgendwo live zu sehen?

Fred:
Ja, auf jeden Fall. Wir können zwar noch nicht so genau planen, aber wir werden wahrscheinlich irgendwann im November auch wieder in Deutschland auftreten. Wir buchen gerade ein paar Shows rund um das Arnhem Metal Meeting in Holland, und zu dieser Zeit werden wir dann hoffentlich auch zwei oder drei Konzerte bei euch spielen können.

Björn:
Welche generellen Erwartungen dürfen wir denn von DISMEMBER für 2005/06 haben?

Fred:
Ihr werdet auf jeden Fall ein neues Album bekommen, und zusätzlich werden wir 2006 auch eine neue Live-DVD auf den Markt bringen. Und natürlich werden wir wieder viele Live-Auftritte haben.

Björn:
Hast du zum Schluss noch einige Worte für eure Fans über?

Fred:
Ja, haltet auf jeden Fall im Herbst die Augen offen, denn wir werden unter Umständen ganz in eurer Nähe auftreten. Und natürlich solltet ihr euch auch den 16. Januar vormerken, dann erscheint unser neues Album und ihr solltet es definitiv mal anchecken!

Björn:
Das werden wir, Fred, das werden wir...

Redakteur:
Björn Backes

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